Mit der KTM 1290 Super Duke GT möchte KTM den Spagat zwischen der radikalen R-Variante und einem sportlichen Bike für alle Zwecke schaffen. Ein ambitioniertes Ziel.
Mit der KTM 1290 Super Duke GT möchte KTM den Spagat zwischen der radikalen R-Variante und einem sportlichen Bike für alle Zwecke schaffen. Ein ambitioniertes Ziel.
Sie hat uns in den letzten zwei Jahren geflasht, sie hat das Grinsen in unseren Gesichtern festgemeißelt: die gewaltige 1290 Super Duke R, respektvoll „The Beast“ getauft, ein fantastisches Naked Bike mit unendlichem Schub bei umgänglichen Manieren. Aber um als Bike für alle Fälle zu taugen, fehlt es der R an touristischen wie an Allround-Qualitäten. Genau die soll die neue KTM 1290 Super Duke GT bieten.
Allzu große Umbauten waren bei der KTM 1290 Super Duke GT gar nicht einmal nötig, zumal man viele Elemente aus den touristischen Konzepten des Hauses – nämlich aus der Adventure-Linie – übernehmen konnte. Die wichtigsten Maßnahmen in Kurzform: mehr Reichweite, Windschutz, etwas mehr Sitzkomfort, vor allem für den Sozius, Gepäckunterbringung und eine Aktualisierung der Assistenzsysteme und Bordelektronik.
Steigen wir zu Beginn gleich etwas intensiver in Letztere ein: Wie bei den Adventure-Modellen kommt in der KTM 1290 Super Duke GT eine sogenannte IMU-Box (IMU = Inertial Measurement Unit) von Bosch zum Einsatz. Sie erkennt mittels Gyro-Sensorik den Fahrzustand und schafft damit die Voraussetzung für das Bosch-MSC (Motorrad-Stabilitäts-Kontrolle). Dieses System steuert schräglagenabhängig ABS (Kurven-ABS) und Traktionskontrolle.
Wenn der Pilot vorn in die Eisen greift, verzögert das MSC die hintere Bremse kontinuierlich und variabel mit. Ein kleiner Haken bei aggressiver Fahrweise: Beim heftigen Ankern vorn verliert das Hinterrad leicht den Bodenkontakt, wird abgebremst und blockiert.
Die Elektronik der KTM 1290 Super Duke GT erkennt das als abhebendes Rad und möchte den Salto vorwärts verhindern, obwohl das Rad möglicherweise noch auf dem Boden tänzelt. Also löst der Modulator den Bremsdruck vorn und verschenkt damit Bremsweg. Aber für die volle Attacke gibt es noch den ABS-Modus „Supermoto“. Der deaktiviert das Hinterrad-ABS: keine Abhebeerkennung, kein frühes Regeln, kein Problem.
Allerdings muss der Pilot der KTM 1290 Super Duke GT ein steigendes Heck auf dieser Stufe selbst bändigen. Wie bisher schaltet die Elektronik auf den normalen ABS-Modus (Road) zurück, sobald man die Zündung abstellt, auch die Traktionskontrolle schaltet sich bei jedem Motorstart wieder zu.
Auch die KTM 1290 Super Duke GT verfügt über die drei Fahrmodi „Sport“, „Street“ und „Rain“, die Leistungsentfaltung und Traktionskontrolle regeln. Letztere arbeitet jedoch recht grob und bisweilen früh. Dennoch kann es vorkommen, dass das Vorderrad abrupt gen Himmel steigt und erst spät von der Elektronik eingefangen wird. Das Ganze wirkt immer noch etwas hemdsärmelig. Einen Modus, der bei aktiver TC Wheelies zulässt, gibt es leider nicht. Schön wäre zudem ein User-Modus, mit dem der Pilot die Assistenzen beliebig kombinieren kann. Die Konkurrenz macht vor, wie’s geht.
Erfreulich dagegen: Mit an Bord ist nun ein Quickshifter, der die Gangwechsel geschmeidig gestaltet – prima! Eine Blipper-Funktion beim Runterschalten liefert er allerdings nicht. Der Schaltautomat passt leider auch nicht so einfach an die R – schade. Dafür hat die KTM 1290 Super Duke GT nun serienmäßig einen Tempomat. Außerdem bietet KTM wie schon bei der Super Adventure optional eine Berganfahrhilfe sowie eine Motorschleppmoment-Regelung an.
Von der großen 1290er-Reiseenduro stammt auch das Fahrwerk der KTM 1290 Super Duke GT ab. WP-Gabel und -Federbein arbeiten nun semiaktiv, passen sich also automatisch an Straßenzustand und Fahrstil an. Ein neues Ölfluss-Regelventil soll das bei der Super Adventure kritisierte metallische Schlagen der Gabel über harte Kanten hinweg verbessern. Tatsächlich absorbiert die Fuhre Runzelasphalt nun souveräner, ohne allerdings hypersensibel anzusprechen.
Mit den Modi „Comfort“, „Street“ und „Sport“ wählt der Fahrer die Dämpfungs-Grundabstimmung. Street ist ein guter Kompromiss, bietet aber aufgrund der Antidive-Wirkung (Front taucht beim Bremsen weniger ein) ein etwas geringeres Feedback beim Hineinbremsen in die Ecken als der straffe Sportmodus, der das Antidive abschaltet. Klasse ist die automatische Dämpfungsanpassung an die Beladung. Ein Sensor am Schwingendrehpunkt erkennt anhand des Winkels die Lage der KTM 1290 Super Duke GT und regelt die Kennlinie entsprechend nach.
Trotz sportlicher Attitüden legten die Österreicher viel Wert auf Komfort. Der verlängerte Heckrahmen mit integrierten Kofferhaltern nimmt die zweigeteilte Sitzbank auf, die nun mehr Platz bietet. Dazu ragt der Lenker der KTM 1290 Super Duke GT etwas höher, ist breiter und ebenso wie Brems- und Schalthebel horizontal mehrfach einstellbar. Außerdem freut sich der Copilot über tiefer platzierte Fußrasten. Die insgesamt siebenfach einstellbare Scheibe nützt dagegen in erster Linie dem Fahrer. Die höchste Stufe schützt den Oberkörper passabel, der Kopf liegt allerdings nahezu ungeschützt im Wind.
Uneingeschränkt komfortabel sind die mehrstufige Griffheizung, das LED-Kurvenlicht, die selbsttätig von Tagfahr- auf Abblendlicht umschaltende Beleuchtung, die Reifenluftdruck-Kontrolle und die automatische Blinker-Rückstellung. Last but not least sichert der um fünf auf 23 Liter gewachsene Tank höhere Reichweiten. Dazu führen die Österreicher ein Koffersystem für 785 Euro im Zubehör. Die ganzen Features treiben allerdings nicht nur den Preis, sondern auch das Gewicht der KTM 1290 Super Duke GT hoch.
Vollgetankt wiegt die GT 231 Kilo (Werksangabe ohne Koffer). Doch beim Fahren spürt man die Pfunde kaum. Im Gegenteil: Kurvenräubern ist eine der Lieblingsdisziplinen der KTM 1290 Super Duke GT. Hervorragend dazu passen die Pirelli Angel GT, mit denen sie homogen um die Ecken wetzt und die anständiges Feedback liefern.
Uneingeschränkte Glücksgefühle weckt der Motor. Es ist nach wie vor ein Erlebnis, diesem Mörderantrieb die Sporen zu geben. Euro 4 konnte ihm dank eines neuen Zylinderkopfs, angepassten Mappings und des komplett neuen Auspuffs mit Klappensystem nichts anhaben. Damit bleibt der V2, was er immer schon war: einer der faszinierendsten Antriebe des Planeten. Mission erfüllt!
Antrieb:
Fahrwerk:
Räder und Bremsen:
Gewicht:
Grundpreis:
Motor:
Elektronik:
Fahrwerk:
Sonstiges: