BMW R 1250 RS gegen Kawasaki Z 1000 SX im Vergleichstest

BMW R 1250 RS gegen Kawasaki Z 1000 SX
Sporttourer im Vergleichstest

Veröffentlicht am 30.12.2019

Wann und warum sind Sporttourer aus der Mode gekommen? Fährt man mit der eierlegenden Wollmilchsau Reiseenduro wirklich besser? Oder kann die alles nur ein bisschen und nichts richtig gut? Muss eine Kawa immer grün sein? Und warum erinnert uns der Gitterrohrrahmen dieser BMW an ein Krankenhausbett? Mehr oder weniger Geistreiches, Hintergründiges gäbe es anzuführen bei diesem Aufeinandertreffen der in bekannter Manier per Shift-Cam-Boxer aufgewerteten, neuen R 1250 RS und der Kawasaki Z 1000 SX, die ihre Meriten seit der Saison 2017 unter Beweis stellt. Doch es gibt viel zu berichten, also zur Sache.

Treffen auf Augenhöhe

Formal ist dies ein Aufeinandertreffen ganz auf Augenhöhe: 17-Zoll-Radsätze und moderate Federwege hier wie da, auf Erhöhungen oberhalb der Gabelbrücke montierte Lenkerstummel und schnittig vorderradorientierte, doch brauchbaren Windschutz versprechende – und bietende – Verkleidungen kennzeichnen beide glasklar. Es sind Sporttourer. Dazu treffen die nominell 136 PS des Zweizylinder-Boxers auf 142 PS der Vierzylinder-Kawa, am Prüfstand geht die Sache sogar noch enger zu. Auch preislich spielen die Kontrahenten, legt man die Basisausstattung zugrunde, in der gleichen Liga: Ab 13.000 Euro geht es bei Kawasaki los, 14.400 Euro ruft BMW für eine R 1250 RS ohne Extras auf. Vom Basispreis entfernt sich die üppig, aber nicht voll ausgestattete Testmaschine aber einmal mehr so weit wie der Mond von München.

BMW R 1250 RS, Kawasaki Z 1000 SX
Tyson Jopson

Überhaupt enden die Gemeinsamkeiten dann auch beim Formalen. Im breiten Spektrum zwischen Sport und Tour sortieren sich beide mit unterschiedlichen Charakteren in unterschiedlichen Punkten ein. Die Gründe dafür liegen in ihrer Herkunft. Die Kawasaki stammt von einem sportlichen Power Naked ab, der Z 1000. Radstand und Nachlauf fallen entsprechend kurz aus, der Lenkkopfwinkel ist eher steil, der Endantrieb erfolgt per pflegeintensivere Kette. So pendelt sich das Gewicht mit vollem 19-Liter-Tank bei noch moderaten 236 Kilogramm ein. Gute Anlagen für agiles Handling. Doch die Grünen haben die Z 1000 erfolgreich das Touren gelehrt, die Platzverhältnisse sind bei aller relativen Kompaktheit voll ausreichend: Man sitzt leicht vorderradorientiert, mit breiten Ellbogen (die Kröpfung der Stummel ist speziell, funktioniert aber); besonders der im Schritt schmale Tank gefällt, nach hinten ist auch für Größere ausreichend Platz. Erst in Reihe zwei geht es etwas – aber wirklich nur etwas – beengter zu.

Radstand der R 1250 RS deutlich länger

Auch die R 1250 RS basiert auf bzw. wurde parallel entwickelt mit der unverkleideten, aber verglichen mit der Z 1000 ungleich gediegeneren Plattformschwester, der R 1250 R. Ihr Radstand ist deutlich länger – satte 70 Millimeter trennen beide –, die Eckdaten sind konservativer, mit 254 Kilogramm bei vollem 18-Liter-Tank wiegt sie merklich mehr. Diesen Unterschied spürt man weniger beim Fahren, mehr beim Rangieren, vor allem aber beim Aufsitzen. Wie alle Boxer-BMW ist auch die R 1250 RS ein voll ausgewachsenes Motorrad, das eine zupackende Hand erfordert. Die Stummel liegen auf einer angenehmen Höhe, in Anbetracht der Größe der Maschine platziert die Standard-Sitzbank recht tief, ihre unerhört gute Polsterung vermittelt enormen Wohlfühlfaktor. Länger und breiter baut der Tank, die R 1250 RS wirkt eher für Menschen ab 1,80 Meter konstruiert. Besonders in Reihe zwei machen sich die üppigeren Ausmaße auch in Form eines großzügigeren Platzangebots bemerkbar.

BMW R 1250 RS
Tyson Jopson

Los! Mit trockener Kehle, fauchig, aber angenehm gedämpft klingt die Z 1000 SX. Vierzylindrig, in konventioneller Folge zündend. Ungleich dominanter dagegen das metallische Blaffen des Boxers. Der geschliffenere, dezentere akustische Auftritt der Z 1000 SX findet seine Fortsetzung in einer überaus leichtgängigen, sehr akkurat zu dosierenden Kupplung. Einen Quickshifter oder Blipper gar, wie er in dieser preislichen Liga peu à peu zum guten Standard wird, gibt es nicht. Allzu sehr vermisst haben wir ihn aber nicht, weil das Getriebe seine Gänge mit geringstem Kraftaufwand und auf kürzesten Wegen überaus spielerisch sortiert. Auch die in der ersten Drehzahlhälfte samtene Laufkultur des Reihenvierzylinders überzeugt, erst im weniger häufig besuchten letzten Drehzahldrittel kribbeln Lenker und Fußrasten elektrisierend. Verbuchen wir es als Charakter.

Kawa im Vergleich leichter

Ein großvolumiger Zweizylinder – immerhin misst jeder Brennraum der R 1250 R 627 Kubikzentimeter – kann niemals diese Kultiviertheit bieten? Stimmt nicht. Zwar ist bei übertrieben untertouriger Fahrweise mit hoher Last der Twin stets als solcher zu identifizieren. Doch selbst hier bleibt das Vibrationsaufkommen erstaunlich gering. Schon diesseits von 2.000 Umdrehungen findet der Boxer dank der ­bekannten variablen Ventilsteuerung zu einer fast gespenstischen Laufruhe, wie sie nicht nur unter den Zweizylindern ihresgleichen sucht, sondern auch dem Vierzylinder in nichts nachsteht. Seidig.

Kawasaki Z 1000 SX
Tyson Jopson

Dabei voller Schmalz, denn die Vorteile der großen Einzelhubräume bleiben, ergänzt um die technischen Vorteile einer variablen Ventilsteuerung. Um in einfachen Worten zu wiederholen, was wir schon anlässlich der Tests von GS und R 1250 R festgestellt haben: Bei Bedarf reißt dieser Motor arg an. Er egalisiert seine deutlich längere Gesamtübersetzung sowie das geringere Gewicht der Kawa, bietet sehr souveräne, gelassen machende Durchzüge. Vor allem aber arbeitet er durch alle Fahrmodi extrem präzise, reagiert spontan, aber exakt auf Gasbefehle. Das passt super zu einem Sporttourer.

Z 1000 SX mit sportlichen Genen

Bei der Beschleunigungsmessung allerdings hat die Z 1000 SX trotz Hubraumnachteil sogar knapp die Nase vorn. Auf der Kehrseite der Medaille liegt ihr Drehzahlniveau bei Reisetempo recht hoch, die BMW dagegen dreht auch bei Richtgeschwindigkeit schön niedrig. Im Übrigen bietet auch die R 1250 RS eine leichtgängige Kupplung (hydraulisch betätigt), ihr Getriebe aber längere Schalt­wege und in den unteren, weiter gespreizten Gängen vernehmlichere Schaltschläge. Ein guter Quickshifter/Blipper war am Testmotorrad im Zuge der üblichen Paket-Phalanx verbaut. Die hat wie immer ihren Preis, und der beträgt satte 18.030 Euro. Ohne Koffer, wohlgemerkt. Die Kawasaki, die als "Tourer" mit Navihalter, Tankpad und guten Koffern angeliefert wurde, käme so ausgestattet auf 13.895 Euro.

BMW R 1250 RS, Kawasaki Z 1000 SX
Tyson Jopson

Führt man die Z 1000 SX durch eine Reihe enger Wechselkurven, kommen die sportlichen Gene positiv zur Geltung. Mit wenig Kraftaufwand und tatsächlich sehr agil swingt sie, vermittelt gute Rückmeldung, bietet ein insgesamt für ein voll tourentaugliches Motorrad sehr aktives, motiviertes Fahrverhalten. Wenn nur die Sache mit dem Eigenlenkverhalten nicht wäre: Die SX verlangt in lang gezogenen Radien permanenten Druck am Lenker, will vom weiteren Abklappen abgehalten werden, stellt sich auf der Bremse zudem spürbar auf. Ein altbekannter Befund, schuld ist der auf sicheren Geradeauslauf hin konstruierte Bridgestone S 20 "N". Schwamm drüber, denn man gewöhnt sich daran.

Beide verzögern ohne Fehl und Tadel

Schöner, mit weniger Eigensinn kurvt die R 1250 RS. Ihrer konservativen Geometrie und dem Gewicht von gut fünf Zentnern zum Trotz ist ihr Handling von einer beinahe tänzerischen Leichtigkeit geprägt. Vor allem bleibt sie über den gesamten Schräglagenbereich absolut neutral, vermittelt darüber ein harmonisches Fahrgefühl. Zeigt außerdem kaum Aufstellmoment und trägt mit dem Pilot Road 4 auch einen tollen Allwetterreifen. So geerdet allerdings wie bei der Kawa wirkt die BMW nicht, die Rückmeldung erfolgt weit weniger gefühlsecht. In der Qualität des Fahrwerks trennen beide keine Welten. So bietet das aufpreispflichtige semiaktive Fahrwerk der RS vor allem Vorteile beim Bedienkomfort und bei der automatischen Niveauregulierung des Federbeins zur Anpassung des Beladungszustands. Doch auch das Handrad der Z 1000 SX ermöglicht dies sehr unkompliziert. Besonders das feine Ansprechverhalten ihrer USD-Forke hat uns sehr gefallen. Sieht man also vom Lenkverhalten ab, lässt sich dem Chassis der Z 1000 SX nicht das Geringste vorwerfen.

BMW R 1250 RS, Kawasaki Z 1000 SX
Tyson Jopson

Ein ähnlicher Befund – Kawasaki einwandfrei, BMW den entscheidenden Tick besser – dann auch bei Bremse und Elektronik. Beide verzögern ohne jeglichen Fehl und Tadel – ob man den heftigen Initialbiss der RS oder das sanfte Zupacken der SX bevorzugt, bleibt Geschmackssache. Auch bei der Kawa regelt das ABS höchst sensibel und von Schräglagensensorik gestützt. In den Fahrmodi aber, beim Cockpit, bei dessen Funktionsumfang und dem ganzen Bedienkonzept ist die BMW das klar modernere, ungleich mehr "Features" bietende Motorrad. Ist das gut 5.000 Euro Mehrpreis wert? Die R 1250 RS gewinnt den Vergleich. Das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis bietet die Z 1000 SX.