Test Ducati ST4

Test Ducati ST4 Starker Stoff

Was spricht eigentlich dagegen, dem bekannt gut geratenen Ducati-Sporttourer ST2 ein machtvoll loderndes Vierventil-Gerät zur Seite zu stellen? - Na, im Prinzip eigentlich nichts!

Ducati ist nicht die Adresse, bei der man sich traditionell einen Sporttourer bestellen würde. Das soll nun anders werden. Die Italiener stellen der Zweiventil-ST2 die ST4 mit 916-Aggregat zur Seite, und spätestens damit dürfte klar sein, daß man in Bologna die Sache sehr ernst meint.
Zumal das Triebwerk nicht einfach ohne Aufwand in das bereits vorhandene ST2-Umfeld gepflanzt werden konnte. Aufgrund spärlicher Platzverhältnisse mußten die hochbauenden Vierventil-Zylinderköpfe gekappt werden eine Aufgabe, die man durch gegenüber den Einlaßnockenwellen um 15 Millimeter tiefer gesetzte Auslaßnockenwellen bewältigen konnte. Steuerzeiten, Ventilgrößen und -hübe blieben jedoch gleich.
Wozu aber, das fragen wir uns, braucht Ducati neben der ST2 noch die ST4? Ganz einfach: Die verschworene Desmo-Bruderschaft ist keineswegs so homogen, wie es oft scheinen mag. Die Front verläuft zwischen Zweiventilverehrern und Vierventilfanatikern, gemeinsam geht es lediglich gegen den Feind aus Japan. Will heißen: Ein 916-Fahrer mit Kreuzschmerzen würde nie auf eine ST2 steigen. Und zweitens: Wenn Honda in der neuen VFR schon - wenigstens prinzipiell - den Motor von Aaron Slights RC45 unterbringt, dann darf es im Herausforderer aus Bologna auch das Aggregat aus Fogartys Weltmeistermaschine sein.
Womit wir beim Thema sind. Natürlich weiß man, daß der 916-Twin in der ST4 genausowenig mit Foggys Rakete zu tun hat wie das gelangweilt säuselnde VFR-Triebwerk mit Slights RC45-Hammer, aber trotzdem erwartet man beim Gasaufziehen etwas Besonderes. Kanonenkugelartiger Antritt, bellendes Desmo-Röhren, schwarze Striche am Ende jeder Kurve oder andere Kleinigkeiten. Aber nichts von alledem.
Es ist beinahe deprimierend, wie brav die ST4 auf Knopfdruck anspringt, selbst bei Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt kann der Chokehebel schon nach wenigen hundert Metern zurückgenommen werden, im Normalfall ist die Starthilfe überhaupt nicht erforderlich.
Das Motorrad tritt eher sanft an, von brutaler Beschleunigungswut ist nichts zu spüren. Der Zweizylinder läuft unter 3000/min nur unwillig hackend, daher muß dem Wüterich des öfteren mit schleifender Kupplung aus dem Drehzahlkeller geholfen werden. Die hydraulisch betätigte Trockenkupplung beansprucht deutlich erhöhte Handkraft, der rumpelnde Lauf bei niedrigen Drehzahlen ist daher besonders im Stadtverkehr von Nachteil.
Die ST4 eignet sich aber dennoch für den Shoppingtrip: Ihre Spiegel gewährleisten gute Rücksicht, die Sitzposition strengt selbst bei langsamer Fahrt nicht übermäßig an, Rangieren ist kein Problem, und auf den Hauptständer rollt sie ebenfalls problemlos. Der bei Entlastung hinterhältig zurückschnappende Seitenständer muß bei einem Motorrad, das beladen an den ausgefransten Straßenrändern irgendwelcher Alpenpässe abgestellt werden soll, leider als hirnrissige Unausgegorenheit gewertet werden.
Aber von welch schnöden Dingen reden wir hier. Bereits auf der ersten Ausfallstraße zupft einen die Ducati streng in Richtung Horizont, das Thema Alltagstauglichkeit ist abgehakt. Es ist nicht das charakteristische, tiefe Krähen der 916 das die ST4 hören läßt, aber wenn sie im mittleren Drehzahlbereich unter Vollast ihren Schlachtruf aus dem Ansaugtrakt grunzt, dann sorgt das allemal für Kurzweil im Sattel. Schnell ist der harmlose Bereich ganz unten überwunden, ab 5000/min legt die Ducati spürbar an Drehfreude und Biß zu. Der Vierventiler forciert bei hohen Drehzahlen Geräusch, Vibration und vor allem Vortrieb; speziell raumgreifende Highspeed-Aktionen machen im Sattel der ST4 Freude. Sie liegt aber auch hervorragend, trotz der etwas hecklastigen Gewichtsverteilung läuft sie bombensicher geradeaus.
Die aufgezogenen Metzeler Z4 beruhigen Lenkerzucken schon im Ansatz, selbst Shimmy ist kaum wahrzunehmen. Neutral fällt die Ducati in Schräglage, stellt beim Bremsen in Schräglage kaum auf und meistert auch dank des breiten Lenkers jede Handling-Anforderung zufriedenstellend.
Was fürs Handling jedoch prima ist, muß für den Komfort nicht gut sein. Wären die Lenkerstummel ein wenig schmäler, genausoviel höher und näher beim Fahrer plaziert, könnte man von einer optimalen Sitzposition sprechen. Der schmale Tank ermöglicht bequemen Knieschluß, die Sitzbank tut Fahrer und Beifahrer nicht weh, die Federelemente stellen einen überzeugenden Kompromiß zwischen sportlicher Führung und komfortablem Ansprechverhalten dar. Der Windschutz ist sehr gut, und der Blick ins Cockpit zeigt neben Tachometer und Drehzahlmesser ein höchst geniales, digitales Kombi-Instrument mit Uhr, Benzin- und Temperaturanzeige. Perfekt.
Zu den Schattenseiten. Ein Motorrad, das über 23000 Mark kostet, hat serienmäßig verstellbare Brems- und Kupplungshebel verdient. Und die Nippes-Knöpfchen der Schaltereinheiten passen Sinn spartanischer Sportlichkeit vielleicht an eine 916, aber nicht zu einer neu installierten Sporttouring-Reihe im Edel-Format.
So legte ein hängengebliebenes Starterknöpfchen die ST4 komplett lahm. Der Anlasser lief während der Fahrt mit, sorgte so kurze Zeit später für ein verschweißtes Anlasserrelais. Das wiederum ließ den Anlasser erst recht nicht zur Ruhe kommen - es half kein Abziehen des Zündschlüssel, kein Umlegen des Killschalters, erst die komplett entladene Batterie legte den hysterischen Startermotor still. Und das wegen eines lieblosen Pfennigteils. Zurück ans Zeichenbrett.
Ebenfalls ein Fall für sofortige Modellpflege ist die Bremsanlage: Der Hebel ließ sich an der Testmaschine bis zum Lenker ziehen, der Druckpunkt war schwammig und die Bremswirkung konnte nur unter zahnlos verbucht werden. Bei moderaten Tempi schlug der Anker zwar noch trocken an, sobald es einen aber lustig auf Kurven, Autos und freilaufende Pferde zuzoomte, wurden die Bremswege schweißtreibend lang.
Am Ende bleibt jedoch ein überwiegend positiver Eindruck. Gute zwanzig PS mehr als die ST2, ein vibrationsärmeres Triebwerk und der Vierventil-Image-Bonus sprechen für die ST4.

Ducati ST 4 (T + Vergleich mit ST 2) - Ungleiche Schwestern

So gleich – was das Aussehen anbelangt – und doch so verschieden, das umschreibt die beiden ST von Ducati am besten. 3500 Mark mehr verlangen die Italiener für die ST4. Viel Geld, auch wenn Nummer vier mit ihrem modifizierten 916-Motor deutlich mehr Leistung und Vierventil-Prestige liefert. Im Test beindruckte sie mit 253 km/h Höchstgeschwindigkeit und satten 112 PS Leistung - Werte, die hausintern nur von der supersportlichen 996 getoppt werden. Logisch, daß die ST2 mit ihrem hemdsärmeligen Zweiventiler der Papierform nach wenig entgegenzusetzen hat: Ihr Motor, der ursprünglich für die 907 i.E. konzipiert wurde, stemmte beim letzten Gastspiel (Vergleichstest Heft 7/1998) 85 PS und beflügelte die Ducati auf ehrenwehrte 222 km/h. Pluspunkt ihres V2: Die Wartung des Zweiventilmotors kostet deutlich weniger als die des kultivierter laufenden Vierventilers. Und auch trotz ST4 ist die ST2 ein prima Allround-Motorrad, das mit seinem rauhen Charme zu gefallen weiß. Wie etwa diesem wunderbaren Schub aus dem Drehzahlkeller, nicht gerade die Paradedisziplin der ST4. Dank dieses Vorteils hält die Zwo auf Landstraßen problemlos mit der starken Schwester mit. Die macht ihrerseits keinen Hehl aus ihrer supersportlichen Herkunft, spricht auch in hohen Drehzahlregionen aggressiv auf Gashandbefehle an und spielt ihre Mehrleistung auf schnellen Autobahnpassagen gnadenlos aus. In Sachen Fahrverhalten gibt sich die ST4 deutlich handlicher, ohne an der für Ducati typischen Stabilität bei Topspeed zu verlieren. Die Italiener begründen das mit deutlich leichteren Laufrädern. Um das zu überprüfen, wog MOTORRAD die Gußräder der beiden Italienerinnen. Bereift mit Metzeler ME Z4, wiegt das ST4-Vorderrad 12,9 statt 13,5 Kilogramm, das Hinterrad 14,5 statt 15,3 Kilogramm.Gut zu wissen, daß die ST2 des 1999er Jahrgangs ebenfalls mit diesen leichteren Gußrädern ausgestattet sein wird. Schön wäre es, wenn Ducati den Tourencharakter der Zwei noch stärker hervorheben würde. Beispielweise mit einem serienmäßigen Koffersystem, das derzeit nur gegen Aufpreis erhältlich ist, März Motorradhandel (Telefon 07243/59300) bietet es für 998 Mark an. Die beiden Sport Touring-Modelle würden sich dann noch besser ergänzen.

Fazit: Ducati ST4

Die ST4 verbindet Ducati-Zauber mit hoher Praxistauglichkeit, sie dehnt das funktionierende ST-Konzept auf die Autobahn aus. Schneller reisen, heißt das Motto, und wem die Verbindung aus Leistung und Charakter, Sportlichkeit und Komfort zusagt, der sollte sich auf jeden Fall mit der Ducati auseinandersetzen.Allerdings gilt es sehr genau zu überlegen, ob einem das Plus an Leistung, Vibrationsarmut und Drehfreude gegenüber der ST2 und das Mehr an kerniger Ausstrahlung gegenüber der Honda VFR den hohen Preis wert sind.

Zur Startseite
Ducati ST3
Artikel 0 Tests 0 Markt 0
Alles über Ducati ST3
Mehr zum Thema Sporttourer
Aprilia Tuono V4, KTM 1290 Super Duke GT Vergleichstest
Naked Bike
Podcast MOTORRAD RIDE Folge 6
Reisen
Teaserbild Kawasaki 1400 GTR Gebrauchtkauf
Gebrauchtkauf
BMW R 1250 RS, Kawasaki Z 1000 SX
Tourer
Mehr anzeigen