Test Honda CBR 1100 XX

Test Honda CBR 1100 XX

Honda schwenkt auf die Überholspur. Die CBR 1100 XX soll stärker und schneller sein als alles bisher Dagewesene.

Ist es wirklich wahr, wollen denn alle nur das eine? Wissen, wie schnell die neue Honda CBR 1100 XX nun tatsächlich läuft? Wenn das der Fall ist, hier die Antwort auf diese anscheinend Motorrad-weltbewegende Frage: mit sehr viel Anlauf 284 km/h. Zufrieden? Nicht ganz? Ach ja, da fehlt natürlich noch etwas: gemessene 161 PS. Sollten Sie aber zu denjenigen Motorradfahrern gehören, die neben Leistung und Geschwindigkeit noch mehr von einem modernen Motorrad erwarten, dann schalten Sie jetzt nicht ab. Denn die Doppel-X ist alles andere als ein stumpfes Vollgas-Gerät.Ab Importeur wird die große CBR natürlich nur in der gezähmten 98-PS-Version ausgeliefert. MOTORRAD hatte jedoch das Glück, für diesen ersten Test eine Maschine aus dem Fuhrpark von Honda Europa zu ergattern, die mit der freiwilligen Selbstbeschränkung des deutschen Importeurs nicht viel am Hut haben. Dieser macht es dem stolzen zukünftigen Besitzer einer Doppel-X nämlich alles andere als einfach, die volle Kraft seines Neuerwerbs auszukosten. Neben Querschnittsreduzierungen in den Ansaugstutzen der Vergaser benötigt man zu Entdrosselung noch eine neue Blackbox. Ein Aufwand, der laut Honda Deutschland bei zirka XXXX Mark zuzüglich Gutachtengebühren liegen wird.Wer diese Hürde einmal gemeistert hat, darf sich auf ein Fahrerlebnis der besonderen Art freuen. Mit der 1100er geht Honda nämlich einen neuen Weg, den Weg der sanften Gewalt. Anders kann der erste Eindruck dieses Boliden kaum beschrieben werden. Denn niemals ist Leistung so souverän und unspektakulär in Vortrieb umgesetzt worden. Verwertbare Leistung steht ab Standgasdrehzahl zur Verfügung, richtigen Vortrieb entwickelt der Vierzylinder ab 4000/min. Bei dieser Drehzahl stehen immerhin rund 60 PS zur freien Verfügung, ein Wert, mit dem es sich in jeder Verkehrslage schon prima Leben läßt.Für die besonderen Momente im Leben eines Motorradfahrers hält die CBR 1100 dann noch rund weitere 100 Pferdchen bereit, die sich bei steigenden Drehzahlen bis zu 11000/min brav und ohne Hinterlist zu ihresgleichen gesellen. Vibrationen werden dabei bereits im Keime erstickt. Gleich zwei Ausgleichswellen sorgen dafür, daß sowohl Fußrasten wie Lenkerenden von solch nervenden Unannehmlichkeiten nahezu unbehelligt bleiben.Die Freunde von Statistiken und Meßwerten brauchen sich an dieser Stelle nicht die Mühe machen, in älteren MOTORRAD-Ausgaben nach vergleichbaren Werten für Beschleunigung oder Durchzug zu suchen. Vergleichbares gibt es nämlich nicht. Die Honda schlägt tatsächlich alles, was bisher serienmäßig auf Deutschlands Straßen unterwegs war - zumindest, was die Meßwerte angeht.Denn leider ist auch bei der Neuen nicht alles eitel Sonnenschein. Kritikpunkt Nummer eins ist das Getriebe. Laut rastet jeder der sechs Gänge in seine Arretierung; jeder Schaltvorgang, und sei er auch mit noch so viel Bedacht ausgeführt, verursacht durch das große Spiel im Antriebsstrang ein spürbares Rucken. Eine Unart, die einem Sportler vom Schlage einer CBR 900 RR gerade noch verziehen werden kann, für einen komfortorientierten Sporttourer, wie es die Doppel-X ist, allerdings ein echter Makel.Ein weiterer Makel findet sich auf der Fahrwerksseite. Die konventionelle Telegabel ist in ihrer Serienabstimmung etwas überdämpft. Eigentlich kein Problem, nur leider fehlt dem guten Stück jedwede Verstellmöglichkeit. Weder Zug- noch Druckstufe lassen sich von außen justieren. So muß man sich mit einer hoppelnden Vorderhand abfinden, die vor allem auf schlechten Straßen unnötig viele Stöße an die Handgelenke weitergibt. Eine Unart, die bei der ersten Präsentation in Südfrankreich bei knapp 40 Grad im Schatten gar nicht aufgefallen war, bei sinkenden Temperaturen und dadurch zäher werdendem Öl aber an störendem Einfluß zunimmt. Der aufgrund der erreichbaren Höchstgeschwindigkeit vorgeschriebene hohe Luftdruck von 2,9 bar im Vorderrad trägt dabei nicht unbedingt zu mehr Komfort bei.Hinten dagegen bügelt das Zentralfederbein auch die gröbsten Unebenheiten glatt. Das in der Zugstufe fein justierbare Bauteil spricht sensibel an und verfügt selbst unter Zuladung eines Sozius noch über genügend Kraftreserven.Schönheitsfehler wie die überdämpfte Gabel gehen allerdings in der Summe der positiven Eigenschaften der neuen CBR nahezu unter. Dank der eigens für Honda entwickelten Bridgestone BT 57-Bereifung glänzt die vollgetankt immerhin 254 Kilogramm schwere Doppel-X mit einem traumhaften Handling. Einmal in Fahrt, erinnert sie eher an eine leichte 750er als an eine schwere 1100er. Schräglagenwechsel gehen ebenso spielerisch leicht von der Hand wie das Einlenken in Kurven mit gezogener Bremse. Die Honda zieht so zielgenau und selbstverständlich ihre Bahn, daß sich mancher Sportler von dieser lässigen und vor allem sicheren Art der Fortbewegung eine Scheibe abschneiden könnte.So wendig und flink die CBR auf der Landstraße zu manövrieren ist, so stur und sicher läuft sie auf der Autobahn geradeaus. Selbst bei Topspeed, der aufgrund der heutigen Verkehrslage nur sehr selten zu erreichen ist, zeigt der schlicht lackierte Überflieger nicht die kleinste Schwäche.Die kann sich angesichts der enormen Fahrleistungen dieses Boliden auch die Bremsanlage nicht leisten - und tut es auch nicht. Was sich hinter dem Kürzel CBS versteckt, ist mehr als nur modischer Schnickschnack. Diese Bremssystem setzt neue Maßstäbe. Hondas Kombibremse überzeugt durch hervorragenden Biß bei aller bester Dosierbarkeit. Noch nie war es so einfach, so viel Masse so schnell und sicher zu verzögern. Selbst unter erschwerten Bedingungen im Soziusbetrieb ist die filigran anmutende Anlage jederzeit mit zwei Fingern zu bedienen.Doch auch wenn sich die Honda noch so spielerisch leicht und harmonisch im Fahrbetrieb präsentiert, sollte nicht vergessen werden, daß es sich bei der Doppel-X um ein stattliches Stück Motorrad handelt. Mit einer Sitzhöhe von 800 Millimetern gehört sie zu den höchsten ihrer Klasse. Der 22-Liter-Tank ist wuchtig und rückt die etwas zu stark nach hinten gekröpften Lenkerhälften zumindest für Personen unter 170 Zentimeter Körpergröße in weite Ferne. Für die Langen im Lande paßt dagegen alles wie angegossen. Lediglich der Windschutz könnte durch eine höhere Spoilerscheibe verbessert werden. Zwar bietet die CBR reichlich Platz, bei schneller Fahrt den Helm hinter der flachen Originalscheibe zu verstecken, aber diese kauernde Haltung strapaziert auf Dauer das Genick und ist der erhabenen Erscheinung der noblen XX einfach unwürdig.Einen Lichtblick im wahrsten Sinne des Wortes bietet Hondas neuer Scheinwerfer. Anstatt Fern- und Abblendlicht nebeneinander anzuordnen, setzten die Japaner die beiden Baugruppen huckepack übereinander. Neben schmaler Baubreite, die für eine Verbesserung der Aerodynamik wichtig ist, überzeugt diese Variante durch eine hervorragende Lichtausbeute.Die ersten Maschinen sollen bereits in den nächsten Tagen bei den Händlern stehen. 21 820 Mark wird eine XX in der Grundausstattung kosten. Das bedeutet 98 PS und ohne Katalysator. Der wird erst Anfang 1997 angeboten werden (siehe Kasten Seite 26). Und leider nur in Form einer eigenständigen, 500 Mark teureren Modellvariante. Preiswerte Umrüstungen fallen somit leider flach. Manch umweltbewußter Biker wird sich zu Recht fragen, ob sich das Warten auf den nächsten Frühling dieses Mal nicht doppelt lohnt.

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Neues Honda-System zur Schadstoffreduzierung (Archivversion) - Was lange währt...

In der Vergangenheit überließ Honda die »aktive Rolle« bei der Schadstoffreduzierung lieber anderen Firmen wie BMW. Allenfalls die Emissionsgrenzwerte erforderten zum Beispiel bei der Dominator ein Sekundärluftsystem. Mit der CBR 1100 XX bietet Honda nun ab März 1997 als Sonderausstattung eine Kombination zweier ungeregelter Katalysatoren und eines Sekundärluftsystems an. Diese Anordnung verspricht relativ großen Erfolg bei geringem Aufwand. Schon 1991 wies MOTORRAD am Beispiel einer R 80 GS mit ungeregelten Kats und Sekundärluftsystem Schadstoffreduzierungen von 90 und 85 Prozent bei Kohlenwasserstoff (HC) und Kohlenmonoxid (CO) und 45 Prozent bei den Stickoxiden nach - Resultate, die im Bereich eines geregelten Katalysators liegen. Auch Honda nennt eine Minderung der Schadstoffe von 70 bis 80 Prozent bei CO und 50 bis 60 Prozent bei HC ohne Leistungseinbußen. Nachdem Honda endlich reagiert, sollte dieser wertvolle Beitrag zum Umweltschutz dem Kunden auch zirka 500 Mark Aufpreis wert sein.

Mein Fazit (Archivversion)

Wieder einmal haben es die Honda-Ingenieure geschafft, neue Akzente zu setzen. Nicht die 284 km/h und auch nicht die 161 PS sind es, die mich begeistern, sondern die Leichtigkeit und Souveränität, mit der die Doppel-X diese Superlative umsetzt. Die gutmütige Kraftentfaltung, das leichte Handling und die überragenden Bremsen machen vergessen, mit welch gewaltigen Kräften man es zu tun hat. Von der Perfektion ist die CBR dennoch ein Stück entfernt, dazu müssen die Mängel im Getriebe beseitigt und die überdämpfte Gabel besser abgestimmt werden.Gerhard Lindner

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