Top-Test Honda Pan European

Top-Test Honda Pan European Marathon-Pan

Langen Atem - den bewies die Pan European alias ST 1100 zwölf Jahre lang. Nach einer harten Trainingseinheit holt sie jetzt tief Luft, um die Konkurrenz als Dreizehnhunderter endgültig zu vernaschen. Der Top-Test zeigt, ob’s klappt.

Marathon-Pan Gargolov

Zweitausendfünfhundert Quadratzentimeter. Nein, das ist nicht die Fläche einer durchschnittlichen Studentenbude, sondern die des elektrisch verstellbare Pan-European-Windschilds. Und so wirkt’s: Stellen Sie sich vor, Sie fahren Tempo 160. Um Sie herum braust und rauscht und macht und tut’s. Nun drücken Sie ein Knöpfchen und vor Ihnen erhebt sich ein plexigläserner Schutzwall fast 20 Zentimeter in die Höhe. Der Trubel lässt immer weiter, nach bis fast Ruhe herrscht. Fast - doch wen dieses sanfte Rauschen stört, der sollte bitte schön Auto fahren, leichter Sog nach vorn und zarte böige Zupfer am Helm erinnern nämlich stets an zügige Fortbewegung unter freiem Himmel.
Und hin und wieder auftretende Pendelbewegungen daran, dass man ein Einspurfahrzeug pilotiert. Besonders mit hochgefahrener Scheibe gerät die Frontpartie der dicken Honda in niedrigfrequente Bewegungen. Jenseits von Tempo 180 genügen bereits leichte Anregungen, etwa die Wirbelschleppen Vorausfahrender oder leichte Bodenwellen, um die Pan in Wallung zu bringen. Mit heruntergefahrener Scheibe presst sie hingegen bei optimalen Bedingungen mit knapp 230 über die Bahn, ohne zu zicken. Beim Gaswegnehmen oder Bremsen kann es jedoch schnell wieder ungemütlich werden. Auch in zügig genommenen Kurven wird der Nippon-ICE zum Pendolino. Es sei denn, er ist voll besetzt. Dann saust er nämlich wie auf Schienen durchs Land..
Bei Bedarf übrigens ewig lange am Stück. Erklärtes Ziel der Pan-Entwickler war, von Frankfurt nonstop in die Alpen rauschen zu können. Das klappt: 29 Liter Treibstoffvorrat im nunmehr zweigeteilten Tank ermöglichen bei konstant 130 km/h über 500 Kilometer Reichweite, bei gemächlicher Landstraßenfahrt sind sogar knapp 600 drin. Tankmuffel können sich dabei anhand der serienmäßigen Verbrauchsanzeige mit Restkilometer und –mengendisplay bei Reserve punktgenau von Tankstopp zu Tankstopp hangeln. Auf Entspannungspausen können Pan-Passagiere getrost verzichten, denn selbst der Sozius kann sich mit bequemem Beinwinkel auf einem großflächigen Sitzpolster räkeln. Die serienmäßigen, integrierten 35-Liter-Koffer stören nicht, festen Halt bieten solide Griffe an der Gepäckbrücke, das Abstützen am relativ weit entfernten Tank ist hingegen etwas mühsam. Urteil der Testsozia: »Die Pan European macht Physiotherapeuten arbeitslos.«
Und der Pilot hat’s noch besser: Seine ebenfalls marathontauglich gepolsterte Sitzfläche ist dreistufig in der Höhe verstellbar. Pro Stufe wandert sie 15 Millimeter rauf und 12,5 Millimeter nach hinten. So finden Pan Europäer jeglicher Statur ein entspannendes Refugium hinter dem üppig und übersichtlich instrumentierten Cockpit. Und wem der reguläre Verstellbereich der Frontscheibe nicht reicht, der kann sie nochmals sechs Zentimeter höher arretieren. Große Piloten profitieren zusätzlich von zehn Millimetern mehr Platz zwischen Knien und Ventildeckeln als bei der Vorgängerin, ein Nebeneffekt tiefgreifender Umstrukturierungen.
Motor und Fahrerposition rückten im Vergleich zur 1100er weiter nach vorn, und der Radstand schrumpfte um 50 Millimeter. Rahmen und Schwinge sind nunmehr aus Aluminium, Ersparnis rund acht Kilogramm. Trotzdem schrumpfte das Gesamtgewicht nur um deren zwei. Allerdings bekam der exklusive Pan-European-V4, dessen Hubraum mittels mehr Bohrung und Hub jetzt 1261 cm3 beträgt, eine Saugrohreinspritzung mit 36er-Drosselklappen sowie Nockenwellenantrieb per Kette verpasst. Ergebnis auf dem Papier: mehr Leistung und Drehmoment, kompaktere Bauweise und abgesenkter Schwerpunkt. Das zahlt sich aus: Behände saust die mit Koffern immerhin 326 Kilogramm schwere Honda selbst um enge Kehren. Zwar bevorzugt die vorn in ungewöhnlicher 18-Zoll-Dimension bereifte Pan stets etwas weitere Linien als die Vertreterinnen der Sportlergilde, dafür bleibt sie stets neutral, stellt sich beim Bremsen nicht auf und erfordert relativ wenig Kraftaufwand beim Schräglagenwechsel. Unterstützt wird der Kurvenspaß neben den griffigen Bridgestone BT 020 durch die straff abgestimmten Federelemente, die auch groben Unbilden den Schrecken nehmen und es trotzdem nicht an der nötigen Präzision fehlen lassen. Trotz Kardan verhärtet sich die Hinterhand beim Beschleunigen kaum, das direkt am rechten Schwingenholm montierte, per Handrad in der Federbasis variierbare Federbein kann sich ungestört auf seine Aufgaben konzentrieren. Ebenso die nicht verstellbare 45er-Gabel, die selbst beim Bremsen auf Bodenwellen genug Reserven parat hält, was wiederum den Verzicht auf den bisher verwendeten Bremsnickausgleich verschmerzen lässt.
Nicht verzichtet hat Honda auf eine Weiterentwicklung des Dual-CBS genannten Integralbremssystems mit ABS. Die Dreikolbenzangen samt 310er-Scheiben vorn und 316er-Scheibe hinten lassen sich sowohl per Hand als auch Fuß prima dosieren und gefallen mit sehr feinen ABS-Regelvorgängen ohne störendes Pulsieren in den Hebeln. Sogar zerfranste Pisten bringen das ABS nicht aus dem Tritt. Leider verlangen die Stopper bei Vollbremsungen viel Kraft. Da die Anlage deutlich degressiv ausgelegt ist, steigt die zunächst satte Bremsleistung zum Ende des Hebelwegs kaum noch an.
Allzu extreme Fahrmanöver sind ohnehin nicht die Domäne der Pan, schnelle Richtungswechsel erfordern viel Kraft, die elastische Lagerung der Lenkerhälften verwässert dabei überdies das Handling. Außerdem setzen bei ambitionierter Schräglage nacheinander die Fußrasten, der Bremshebel und schließlich Hauptständer und Verkleidungsunterteil auf. Besonders zu zweit kein Spaß. O-Ton Testsozia: »Kurvenschnecke«.
Und damit zurück zu artgerechter Fortbewegung, sprich gepflegtem Reisen. Heimspiel für den längsliegenden 1261-Kubik-V4. Charakteristisch brodelnd setzt er Beschleunigungswünsche direkt in die Tat um, ohne mit harter Gasannahme zu stressen. Allenfalls leichte Lastwechsel aus dem Antriebsstrang trüben die Harmonie. Ansonsten kann der geschmeidig laufende Honda-Motor mit gediegenen Umgangsformen und einer aufwendigen Abgasreinigung punkten. G-Kats plus Sekundärluftsystem filtern so effektiv, dass der Tourer dafür 29 von 30 Punkten im MOTORRAD-Bewertungsschema erhält. Auf der Prüfstandrolle schwächelt die Pan jedoch: Von versprochenen 126 PS finden sich dort lediglich 114 ein. Immerhin liefert der V4 eine blitzblanke Kurve sowie ein sattes Drehmomentplateau, beides mit deutlicher Aufwärtstendenz bis 6000/min. Das passt, denn just ab 6000/min schickt das fest mit dem Rahmen verschraubte Aggregat trotz zweier Ausgleichswellen Vibrationen ins Gebälk, die oben raus ebenso wie die mechanischen Geräusche zunehmen. Gelassener geht es in den unteren Drehzahlregionen zu. Bis auf 1500/min lässt sich der V4 runterfahren, um beim erneuten Gasaufziehen sanft, aber bestimmt loszuziehen. In Stadt und Land hilft ihm dabei das sechs Prozent kürzer als beim alten Modell übersetzte Fünfganggetriebe. Leicht und exakt bedienbar stellt es stets die passende Zahnradpaarung bereit, nur auf schnellen Daueretappen kommt der Wunsch nach einem drehzahlsenkenden Overdrive auf - der für 15990 Euro eigentlich drin sein müsste.
Dafür hat’s die Verkleidung in sich: nämlich hell strahlende Scheinwerfer, integrierte Staufächer, Spiegel mit gutem Sichtfeld sowie Sturzbügel. Lediglich die Wärmeabstrahlung Richtung Fahrerbeine ist bei sommerlicher Witterung lästig. Was Tourenfreaks nicht daran hindern sollte, sich für die rundum gelungene Pan European zu erwärmen.

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MOTORRAD-Messwerte - Honda Pan European ABS

MOTORRAD Messwerte²Bremsen und FahrdynamikBremsmessungBremsweg aus 100 km/h 40,6 Meter Mittlere Verzögerung 9,5 m/s² Bemerkungen: Die Verbundbremsanlage spricht zunächst kraftvoll und gut dosierbar an, bevor die erforderliche Kraft beim maximalen Verzögern zum Ende des Hebelwegs überproportional ansteigt, was dann eine optimale Dosierbarkeit erschwert.Handling-Parcours I (schneller Salom)Beste Rundenzeit 22,1 sek vmax am Messpunkt 87,1 km/h Bemerkungen: Hohes Gewicht und die üppigen Abmessungen sowie die in Gummi gelagerten Lenkerhälften bremsen den Elan der Pan. Trotz des kräftigen Motors erzielt sie nur eine geringe Geschwindigkeit am Messpunkt.Handling-Parcour II (langsamer Slalom)Beste Rundenzeit 30,3 sek vmax am Messpunkt 50,6 km/h Bemerkungen: Starkes Spiel im Antriebsstrang wirkt sich besonders am Umkehrpunkt störend aus, da dort stark gebremst und in Schräglage unmittelbar wieder voll beschleunigt werden muss. Träge Schräglagenwechsel.Kreisbahn d 46MeterBeste Rundenzeit 12,0 sek vmax im Messpunkt 44,6 km/h Bemerkungen: Geringe Schräglagenfreiheit, vor allem im Soziusbetrieb. Trotz maximaler angehobenem Heck setzen in der Kreisbahn nacheinander Fußrasten, Bremshebel, Ständer und schließlich die Verkleidung auf. Dafür verhält sich die Honda ansonsten neutral und stellt sich beim Bremsen kaum auf.

Fazit

Mit der neuen Pan European hat Honda einen Klasse-Tourer auf die Räder gestellt, dem die Gene der bewährten ST 1100 deutlich anzumerken sind. Stärker, luxuriöser, agiler und sauberer als bisher empfiehlt sie sich wie gehabt vor allem für komfortorientierte Langstreckenfahrer. Balancieren auf der letzten Rille ist dagegen nicht ihre Welt.

News & Facts - Honda Pan European ABS

Änderungen im DetailUm 177 cm3 vergrößerter Hubraum (mehr Bohrung und Hub)Nockenwellenantrieb per KetteMotorlänge 60 mm reduziertKurbelwelle 20 mm tiefer platziertU-förmiger WasserkühlerAluminiumrahmen und –schwingeRadstand um 50 mm verringertZweigeteiter Kraftstofftank Plus Umfangreiches Info-Display mit Lufttemperatur, Benzinverbrauchsanzeige inklusive Restkilometer- und Restmengeanzeige bei ReserveGut integrierte Koffer mit EinschlüsselsystemAblagefächer in der VerkleidungFederbasis per Handrad verstellbarElektrische Leuchtweitenregulierung per RädchenWegfahrsperreFrontscheibe mit großem VerstellbereichSitzhöhe in drei Stufen verstellbarUmfangreiches Zubehör (u. a. Radio, CD-Wechsler, Griffheizung, Topcase)ABS & Integralbremssystem serienmäßigWarnblinkanlageMinusKupplungshebel nicht einstellbarAufbocken erfordert trotz ausklappbaren Haltegriffs viel KraftÖlnachfüllen umständlichZugang zu einzelnen Baugruppen (Zündkerzen, Batterie) durch Verkleidung erschwert)Lästige Wärmeabstrahlung zum FahrerFahrwerkseinstellungFederbein: Federbasis 10 Klicks, Zugstufe ¾ Umdrehungen aufBereifung: Bridgestone BT 020

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