Top-Test MZ 1000 S
Sound satt

In Sachen Klang macht der MZ 1000 S so schnell kein anderer Zweizylinder was vor. Welche Qualitäten die sportlichste deutsche Straßenmaschine darüber hinaus besitzt, klärt der MOTORRAD-Top-Test.

Sound satt
Foto: Gargolov

Wrrrrommm! Ein grollender und zorniger Sound zerreißt die kalte Winterluft. Genüsslich lauscht die kleine Gruppe Motorradtester am Straßenrand dem charakteristischen Klang der davonsprintenden MZ auf ihrer ersten
Messfahrt, bis der silberne Farbstrich am Horizont verschwindet. Ein Reihenzweizylinder mit 180 Grad Hubzapfenversatz: Diese typische Tonart war in den letzten Jahren nicht eben häufig zu hören; sehr gedämpft bei der ersten Yamaha TDM 850 und bei ganz wenigen Laverda, die in den 90er Jahren noch gebaut wurden.
Heute, wo Zweizylinder, vom BMW-Boxer mal abgesehen, fast ausschließlich in V-Form gebaut werden und selbst
der TDM-900-Motor mit 90 Grad Hubzapfenversatz den V2-Schlag imitiert, kommt
die MZ 1000 S wie gerufen. Denn die Tonfolgen der V-Twins mit ihren 45 bis
90 Grad Zylinderwinkeln erinnern an das gleichförmige Hitparadengeplätscher, das uns langsam, aber sicher einlullt. Die neue deutsche Welle rüttelt uns wach.
Wurde auch Zeit. Die MZ-Truppe hat lange gebraucht, um den Sporttourer zur Serienreife zu bringen. Seit der ersten Ankündigung vergingen dreieinhalb Jahre sehnsüchtigen Wartens. Jetzt endlich röhrt sie mit ihrem charakteristischen Klang vorbei, legal, amtlich zugelassen, mit 24 Kilometer auf dem Tacho und zum Test freigegeben.
So heißt es erst einmal sorgfältig
einfahren, bevor sie auf dem Leistungsprüfstand die Hosen runterlassen muss. Schafft sie überhaupt die 114 PS, die
MZ verspricht? Versprochen wurde ja schon viel. Doch hoppla! Der Reihentwin ist sogar noch stärker. Satte 118 PS an der Kupplung bescheinigt der Dynojet-Rollenprüfstand bei 9400/min. Ein guter Wert, wenn auch der Prüfstand eine
äußerst krakelige Leistungskurve ausweist, was im Fahrbetrieb aber nur teilweise spürbar zum Tragen kommt.
Der Motor vibriert, speziell unter
Volllast. Und das nicht schlecht. Unter 5000/min kribbelt und krabbelt es von den Lenkerhälften bis in die Fußrasten, dass man schnell einen Gang herunterschalten möchte, um diesen unwirtlichen Drehzahlbereich zu verlassen. Davon abgesehen ist die Leistungsentfaltung bis knapp 5000/min eher unspektakulär. Beim Aufreißen der Drosselklappen bei 3000/min spürt man die dort angesiedelte Drehmomentschwäche. Darüber dreht der Zweizylinder gleichmäßig bis an den roten
Bereich. Die Dellen in der Leistungskurve sind dann nicht zu spüren.
Leider ist es den MZ-Technikern
noch nicht gelungen, dem 1000er-Twin eine sanfte Gasannahme zu verpassen. Legt man das Gas nicht gefühlvoll an, schiebt er urplötzlich und mit Ruck an und produziert lästige Lastwechselreaktionen. So werden enge Kurven und langsam
zu fahrende Spitzkehren für den Fahrer zu einer kleinen Herausforderung. Auf
jeden abrupten Wechsel der Gasgriffstellung folgen unfreiwillig Lenkkorrekturen und vermasseln einen sauberen Strich. Kurzum: Man muss sich auf die MZ einschießen, will man verwinkelte Straßenverläufe in Verbindung mit niedertouriger Fahrweise genießen.
Erst wenn der MZ-Treiber den Hahn richtig aufreißen kann und sich auf die wilde Seite der 6000er-Marke schlägt, ist die Welt weitestgehend in Ordnung. Nutzt man den steilen Leistungsanstieg des Zweizylinders, sortiert man die Gänge
im exakt, aber mit etwas Kraftaufwand zu schaltenden Sechsganggetriebe, beginnt der Fahrspaß mit der MZ 1000 S wirklich. Indes fordert hochtourige Fahrweise ihren Tribut. 6,2 Liter Kraftstoffverbrauch bei zügigem Landstraßentempo sind nicht gerade genügsam, wenigstens geht die Reichweite von über 300 Kilometern dank des 20-Liter-Tanks voll in Ordnung.
Der ab Werk straff abgestimmten
und dennoch sensibel ansprechenden Marzocchi-Upside-down-Gabel und dem Sachs-Federbein kommt zügige Gangart sehr entgegen, weil bis zu einem
hohen Grad von Sportlichkeit exakte Rückmeldung und direkter Fahrbahnkontakt geboten werden.
Forsche Beschleunigung auf welliger Fahrbahn quittiert die Lenkung mit
leichten, jedoch kaum ernst zu nehmenden Rührbewegungen. Folglich kann der Sporttourer aus Zschopau es sich leisten, auf einen Lenkungsdämpfer zu verzichten. Präzise folgt die MZ 1000 S Lenkbefehlen, meistert schnelle Richtungswechsel mit erfreulich geringem Kraftaufwand, obwohl sie fahrfertig stolze
234 Kilogramm auf die Waage bringt. Dennoch fühlt sich die Sächsin ausgesprochen handlich an.
Dank komplett justierbarer Federelemente kann das Fahrwerk deutlich komfortabler eingestellt werden, wenn widrige Umstände es erfordern. Mit etwas weniger Dämpfung in der Gabel wie auch im
Federbein werden welliger Asphalt und löchrige Fahrbahndecken weggefiltert, wie eine Dolby-Taste lästiges Rauschen beim Musikhören unterdrückt.
Die Bremsen von Nissin erfüllen den Standard moderner Sporttourer. Sie sprechen nicht superbissig an, verzögern
indes sehr standfest. Allerdings geht die Gabel bei Vollbremsungen hart auf Block.
Soll der MZ 1000 S Erfolg beschieden sein, gilt es noch nachzubessern. Weniger am Fahrwerk, wohl aber am Antrieb. Mit einem geänderten Kennfeld der Einspritzung will MZ dem rauen Motorlauf, der unbefriedigenden Gasannahme und Leistungsentfaltung schon bald auf die Sprünge helfen. Verdient hätte es der toll klingende Zweizylinder.

Kompletten Artikel kaufen
Top-Test MZ 1000 S
Sound satt
Sie erhalten den kompletten Artikel (6 Seiten) als PDF
2,00 € | Jetzt kaufen

Was sonst noch auffiel

Erstaunlich guter Windschutz, wenig Turbulenzen und WindgeräuscheSehr gute Verarbeitung, saubere elektrische Steckverbindungen, aufgeräumte Kabelverlegung Gutes und sinnvolles WerkzeugPfiffige ausklappbare Gepäckhaken unter dem

Fazit

651 Punkte bedeuten einen guten Einstand für die Tausender. Ein super Sound, eine markante, eigenständige Optik, ein Fahrwerk, das mit Sinn und Verstand abgestimmt wurde. Bei der Entwicklung der MZ 1000 S müssen Motorradfahrer mit Herzblut dabei gewesen

Technische Daten

Motor: wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor, eine Ausgleichswelle, zwei oben liegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Nasssumpfschmierung, elektronische Saugrohreinspritzung, Ø 52 mm, Motormanagement, geregelter Ka

Fahrleistungen

FahrleistungenHöchstgeschwindigkeit1 240 km/hBeschleunigung0–100 km/h 3,6 sek0–140 km/h 6,0 sek0–200 km/h 12,3 sekDurchzug 60–100 km/h 5,6 sek100–140 km/h 4,7 sek140–180 km/h 5,8 sekTachometerabweichungEffektiv (Anzeige 50/100) 49/95 k

Antrieb Fahrleistungen

Höchstgeschwindigkeit 30 21 Beschleunigung 30 19 Durchzug 30 18 Motor Ansprech-/Lastwechselverhalten 20 15 Leistungsentfaltung 30 19 Starten 10 9 Kupplung 10 7 Kraftübertragung Schaltung 20 15 Getriebeabstufung 10 8

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023