Kurz nach ihrer offiziellen Präsentation stellt sich die Triumph Sprint RS bereits der ersten Bewährungsprobe. Ihre Gegnerinnen: Aprilia SL 1000 Falco, BMW R 1100 S, Honda VFR und Yamaha YZF 1000 R Thunderace. Sporttourer allererster Güte.
Kurz nach ihrer offiziellen Präsentation stellt sich die Triumph Sprint RS bereits der ersten Bewährungsprobe. Ihre Gegnerinnen: Aprilia SL 1000 Falco, BMW R 1100 S, Honda VFR und Yamaha YZF 1000 R Thunderace. Sporttourer allererster Güte.
Sevilla, Südspanien, 13. Dezember 1999, Montag-morgen, kurz nach zehn. Direkt von der Präsentation entführt MOTORRAD eine Triumph Sprint RS nach Nordspanien. Und zwar zügig, ohne Umwege, denn schließlich stehen dort schon vier Tester und ein Fotograf in den Startlöchern, lauern mit der Aprilia SL 1000 Falco and friends auf die RS. Fahren, tanken, fahren, tanken und eine Zigarettenlänge darüber ärgern, dass es ausgerechnet kurz vor Afrika gießt wie aus Kübeln. Gottlob, die Triumph lässt ihren Fahrer nicht buchstäblich im Regen stehen, nein, die kleine Halbschale gewährt einen vergleichsweise ordentlichen Wind- und Wetterschutz. Vorbei gehts an Cordoba immer weiter auf der Autobahn nach Madrid.
Dann, endlich, bei xxxxxxx das Ende der Autobahn und damit der Monotonie. Gut 250 Kilometer gehts über die Landstraße nach xxxxxxx. Wie bestellt hört der vermaledeite Landregen auf, die Temperaturen steigen, lassen so etwas wie Frühlingsgefühle aufkommen. Die Sprint ist in ihrem Element. Super ausgebaute, kurvige Strecken, griffiger Asphalt, kaum Verkehr. Zweieinhalb Stunden dauerts bis die Autobahn Richtung Valencia erreicht ist. Die reine Freude. Auf der Sprint fährt es sich immer berechenbar, sie ist nicht überhandlich, aber dennoch leichtfüßig. Entspannt Kilometer machen, kein Stress, sondern Spaß pur, der zudem nicht ständig durch lästige Tankstopps unterbrochen wird: 21 Liter Spritvorrat und ein Durchschnittsverbrauch um gut sechseinhalb Liter lassen das funzelige Reservelämpchen erst zwischen Tageskilometerstand 250 und 280 erglimmen.
Kurz vor acht Uhr abends: Ausfahrt Hospitalet del Infante und damit das Hotel in Sicht. Die Kollegen brennen auf ein erstes Fazit, umringen in der Hoteltiefgarage neugierig die Engländerin. »Wie fährt sie sich? Bist du platt?« Nein, liebe Leute: 850 Kilometer nonstop auf der RS strapazierten zwar das Sitzfleisch, aber das ginge einem auf jedem anderen Motorrad dieser Welt genau so. Die gut acht Stunden Fahrt hinterließen jedoch weder Kreuzschmerzen noch taube Handgelenke oder einen verspannten Nacken.
Aber wie gut ist die Sprint RS tatsächlich? Der Vergleichstest muss Klarheit bringen. Und da warten nicht irgendwelche Motorräder, sondern das »Who is Who« der Sporttourer. Angefangen mit der Honda VFR, schon allein ihrer Vorreiterrolle wegen. Ist nämlich noch gar nicht so lange her, dass viele andere Hersteller beim Thema »Sporttouring« verlegen passen mussten. Während beim freundlichen Honda-Händler bereits seit mehr als einem Jahrzehnt die VFR im Schaufenster steht. Über die Jahre zum Synonym für den japanischen Sporttourer gereift, wird Honda im März 2000 erneut eine modellgepflegte Variante ausliefern. Deshalb bis zum Frühjahr warten? Oder gar einen Vergleichstest ohne VFR durchziehen? Undenkbar. Dann lieber noch mal auf das 1999er-Modell zurückgreifen.
Ebenfalls ein Gradmesser: die Yamaha YZF 1000 R Thunderace. Seit 1996 auf dem Markt, damals angetreten, Fireblade und Konsorten einzuheizen. Dieser Plan ging trotz guter Testergebnisse nie so richtig auf. Das letzte Quäntchen Supersportlichkeit fehlte ihr von Anfang an. Seit einiger Zeit nun verkauft Yamaha uns die Thunderace als Supersporttourer. Allein ihr in dieser Klasse konkurrenzloses Preis/Leistungs-Verhältnis rechtfertigt ihren Auftritt: Nominell 146 PS Spitzenleistung für 18990 Mark sind ein Wort.
Weniger mit brachialer Leistung als mit einem extravaganten, eigenständigen Konzept glänzt das deutsche Sporttouring-Aushängeschild, die BMW R 1100 S. Sie ist der stärkste bayerische Serienboxer und war im letzten Jahr trotz ihres vergleichsweise hohen Einstandspreises von knapp 22000 Mark ein Verkaufsschlager. Mit dem ebenso ausgeklügelten, wie sicherheitsfördernden Zubehör, beispielsweise BMW-Koffersystem oder ABS, kann man ganz nach Gusto noch ein paar Tausender mehr für die R 1100 S loswerden.
Mindestens ebenso polarisierend wie die BMW ist eine weitere Europäerin: die Aprilia SL 1000 Falco. Hat gleich bei in ihrem ersten großen Vergleichstest (MOTORRAD 23/1999) dem Rest der Zweizylinder-Sporttourer-Welt gezeigt, wo der Hammer hängt.
Dienstag, 14. Dezember, Startschuss für die Bewährungsprobe der Triumph Sprint RS. Zunächst stehen Verbrauchsfahrten auf dem Programm. Mit konstant 100 km/h im letzten Gang, 100 Kilometer bis zum nächsten Tankstopp. Keine Überraschung: Der stark böige Wind wirkt sich negativ auf die Verbrauchswerte aller Testkandidatinnen aus. Bei schnellerer Gangart und weniger Gegenwind ein differenziertes Bild: Die über Einspritzung befeuerten Falco und VFR benötigen deutlich mehr Treibstoff als die mit Vergasern bestückte Yamaha.
Dafür glänzt die Aprilia mit beinahe vorbildlichem Windschutz, wozu die sportlich versammelte, aber noch recht bequeme Sitzposition gut passt. Da haben sie in Noale auch an normalgewachsene Mitteleuropäer gedacht. Die BMW verdient sich in puncto Komfort und Windschutz ebenfalls Bestnoten. Gleiches gilt für die vergleichsweise schmale VFR, deren Sitzposition den Fahrer übrigens sehr gut in die Maschine integriert. Auch die dünn und straff gepolsterte Sitzbank der Triumph gibt keinen Anlass zur Kritik. Um allerdings an die tiefer platzierten Lenkerstummel zu gelangen, müssen sich nicht nur kleiner gewachsene RS-Treiber etwas über den langen 21-Liter-Tank spannen.
Wer auf der Yamaha so etwas wie menschenwürdigen Schutz vor den Naturgewalten erlangen will, dem bleibt nur eins: Kopf runter und die Nase hinter die tief anbebrachte Verkleidungsscheibe stecken. Tja, die YZF kann ihre supersportlichen Gene eben nie ganz verleugnen. Das gilt auch für die sportliche, weiter nach vorn orientierte Sitzposition. Zu Beginn gewöhnungsbedürftig: Wegen des breiten Tanks muss der Thunderace-Fahrer seine Beine stark spreizen.
Dennoch lassen sich auch längere Distanzen auf der Yamaha durchaus stressfrei abspulen. Was ursächlich mit dem gutmütigen Charakter der gediegen verarbeiteten Thunderace zu tun hat. Auf der lang herbeigesehnten zweitägigen Landstraßentestfahrt kristallisiert sich heraus, dass keine andere Maschine eine derartige Gelassenheit vermittelt. So viel Souveränität, so viel Kraft, das lässt sich eben nach wie vor am einfachsten aus einem 1000er-Vierzylindermotor generieren: 139 gemessene Prüfstands-Pferdestärken. Noch Fragen? Die Yamaha-Wuchtbrumme verfügt über bergeweise Drehmoment und eine überdurchschnittliche Laufkultur. Störende Vibrationen? Fehlanzeige.
Obendrein besitzt die YZF 1000 R das beste Fahrwerk des Vergleichs, als einziges mit voll einstellbaren Federelementen ausgestattet, gesegnet mit einer formidablen Bremsanlage. Die mächtige Yamaha fährt sich zwar nicht gerade überhandlich, mag enge Holpersträßchen überhaupt nicht, lenkt aber auf schnellerem Geläuf präzise in Kurven ein und hält den Kurs mit geradezu stoischer Ruhe. Auch bei Topspeed auf der Autobahn. Das flößt Vertrauen ein. Dennoch gilt: So viel Motorrad verlangt nach einer erfahrenen Hand, nach sittlicher Reife.
Das braucht es auf der gutmütigen BMW weniger. Gleichwohl sollte ihr Fahrer Kompromissbereitschaft mitbringen. Etwas hemdsärmelig, aber kräftig, dieser Bayern-Boxer, mit viel Druck aus dem Drehzahlkeller. Oben heraus wirkt er zwar etwas zäh, doch Fahrleistungen und Verbrauch überzeugen durchaus. Wegen des lastwechselempfindlicheren Kardanantriebs verlangt die BMW nach einer runderen Fahrweise, möglichst immer mit etwas Zug am Hinterrad. Eine Eigenheit, die schnell verinnerlicht ist. Weniger schön: Die ausgeprägten Vibrationen des Boxers, erfühlbar in den Fußrasten und den Lenkerenden, sind auf Dauer schon nervtötend. Wie auch das metallische Schlagen aus dem Antriebsstrang.
Pluspunkte sammelt die S mit ihrer hervorragenden Zweipersonentauglichkeit, nur die VFR kann ihr in diesem Punkt das Wasser reichen. Und mit ihrem Fahrwerk, bei dem vor allem ihre Telelever-Vorderradführung überzeugt. Auf holperigen, verwinkelten Strecken, auf Pass-Strassen mit verzwickten Erste-Gang-Kurven wiegt einen die BMW in Sicherheit. Dank guter und leicht einstellbarer Federelemente bügelt die Bayerin auch zu zweit nahezu perfekt über die übelsten Pisten. Stabilitätsprobleme kennt sie weder auf der Autobahn noch im Kurvengeschlängel spanischer Landstraßen. Einmal mit etwas mehr Kraft in Schräglage gebracht, umrundet sie zielsicher Kurven aller nur erdenklichen Radien.
Kurven. Das Stichwort für die Aprilia. Kurzcharakteristik: Die SL 1000 Falco vereint die Agilität und spielerische Leichtigkeit einer Honda VTR 1000 F mit dem urgewaltigen Charme der frühen Suzuki TL 1000 S. Das Ganze präsentiert sich als toll verarbeitetes Motorrad mit eigenständigem Design. Landstraßen sind ihr Jagdrevier, da gibt die Falco den Ton an. Verfügt über ein superbes Handling, konkurrenzlos in diesem Vergleichsfeld, fährt dabei sehr präzise und neutral, ohne zu kippeln. Die voll einstellbare und straff abgestimmte Gabel spricht sensibel an. Was auch für das hintere Sachs-Federbein gilt, bei dem sich lediglich Zugstufendämpfung und Federbasis justieren lassen, im Gegensatz zum Schwester-Modell RSV mille aber eine Einstellmöglichkeit der Druckstufendämpfung nebst externem Ausgleichsbehälter fehlt. Was sich bei schärferer Gangart bei diesem Testexemplar nach einiger Zeit mit nachlassender Dämpfung und einer dann nachschwingenden Heckpartie bemerkbar macht. Weitaus ärgerlicher: Die Anpassung der Federbasis an den Zweipersonenbetrieb mittels zweier Hakenschlüssel gestaltet sich äußerst umständlich.
Dickstes Pfund der SL: ihr Zweizylinder. Mitunter etwas rau, aber herzlich und bei diesem Testexemplar etwas durstiger als ansonsten vom Aprilia-V2 gewohnt. Dafür tritt das an der RSV mille immer wieder kritisierte Kettenschlagen bei niedrigen Drehzahlen bei der Falco nur noch ansatzweise auf. Alles in allem ein Motor, der zur überaus agilen Aprilia bestens passt: Spontanes Ansprechverhalten und Drehfreude helfen zusammen mit einer gekonnt gewählten, im Vergleich zur Mille kürzeren Übersetzung auch über einen leichten Drehmomentknick bei 5000/min hinweg. Mehr Leistung braucht es nicht, um bei der fröhlichen Landstraßenhatz ein ewiges Grinsen unter den Helm zu zaubern.
Gilt auch uneingeschränkt für die Triumph Sprint RS und die Honda VFR: Die beiden verkörpern in diesem Test sozusagen die Goldene Mitte. Nicht so bedingungslos auf Leistung getrimmt wie die Yamaha, nicht so extravagant wie die BMW, nicht so agil und sportlich wie die Aprilia, obwohl die VFR der Falco nur minimal nachsteht. Von allem ein bisschen, also genau das, was einen guten Sporttourer ausmacht. Und im Falle der Triumph von allen die vielleicht schönste, weil entspannteste Leistungscharakteristik. Eine Leistungskurve wie mit dem Lineal gezogen. Die Sprint RS erledigt eigentlich alles lässig im letzten Gang ihres knorrigen Getriebes, vergleichbar nur mit der bärenstarken Yamaha. Wichtigster Beleg dafür: ihre hervorragenden Durchzugswerte. Die Triumph spielt bis 140 km/h beinahe in der Liga einer Suzuki GSX 1300 R Hayabusa.
Da kann die VFR nicht ganz mithalten, dennoch schlägt auch sie sich achtbar. Ihre Stärken liegen in dem turbinenartig hochdrehenden, wenn auch nicht besonders sparsamen V4-Antrieb. In puncto Laufruhe liegt dieser Motor auf dem hohen Niveau der Yamaha, seine Standfestigkeit hat dieses Triebwerk im 50000-Kilomter-Langstreckentest (MOTORRAD 11/1999) eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Qualität steht bei der VFR an oberster Stelle dokumentiert in einer tollen Verarbeitung, außergewöhnlichen Komponenten und einer kompletten Ausstattung. Vom serienmäßigen Hauptständer über die Einarmschwinge für kinderleichten Hinterradausbau bis zur genau anzeigenden Tankuhr. Ja sogar an eine Uhr haben sie bei Honda gedacht.
Und beim Fahren gibt sich die VFR ebenso wie die Triumph absolut pflegeleicht, ohne List und Tücke. Einfach nur draufsetzen und genießen, egal, ob allein oder zu zweit auf großer Tour.
Samstag, 18. Dezember, dreizehn Stunden Heimreise im Transporter nach Stuttgart stehen an. Zeit genug für leidenschaftliche Diskussionen über das Testergebnis, das Auswerten der Punkte. Die Überraschung ist perfekt, weil die Triumph knapp die Nase vorn hat. G-Kat, niedriger Verbrauch und ihre Fahrleistungen geben letztlich den Ausschlag für den Sieg. Nirgends leistet sich die Sprint RS einen Schnitzer. Das Gesamtpaket ist der Schlüssel zum Erfolg in diesem hochkarätigen Vergleichsfeld. Der vielleicht schönste Nebenaspekt: Zwei vergleichsweise junge europäische Hersteller bieten der japanischen Übermacht erfolgreich die Stirn, demonstrieren eindruckvoll, dass man sich auch auf dem alten Kontinent wieder hervorragend auf den Motorradbau versteht. Doch wie heißt es gleich so schön: Konkurrenz belebt das Geschäft. Schon bald wird die neue Honda VFR zum Test bereitstehen.
Die Aprilia bestätigt das beeindruckende Ergebnis des ersten Vergleichstest (Heft 23/1999). Die Falco, ein fahraktives Präzisionswerkzeug mit kraftvollem V2-Herzen, wie geschaffen für die Landstraße. Überragend ihr Handling, bestechend neutral ihr Einlenkverhalten. Was den neuerlichen Testsieg vermasselt? Trotz Einspritzung fehlt jegliche Abgasreinigung. Und das Sachs-Federbein leistet sich unter harten Bedingungen Schwächen.
Licht und Schatten beim bayerischen Sporttourer: Die R 1100 S glänzt mit einem sehr guten und vorbildlich leicht einstellbaren Fahrwerk, sie fährt zielgenau und spurstabil, verwöhnt Fahrer und Beifahrer mit viel Komfort. Leider vereitelt der Boxer-Motor wieder einmal ein besserers Ergebnis: zu stark seine Vibrationen, zu unpräzise das Getriebe, nicht zu vergessen die immer präsenten Geräusche aus dem Antriebsstrang.
Die VFR leistet sich zwar keine groben Schnitzer, landet aber trotzdem nur auf dem vierten Platz. Nach wie vor überzeugend: ihr soft, aber gut abgestimmtes Fahrwerk und ihr leichtes Handling. Fahrkomfort, Ausstattung und Alltagstauglichkeit sind überdurchschnittlich. Honda verspricht für das 2000er-Modell mehr Leistung und weniger Verbrauch. Dann dürfte die VFR der Konkurrenz wieder Kopfzerbrechen bereiten.
Die Sprint RS schließt an die Erfolgsstory ihrer Schwester ST an. Sie verfügt über ein stabiles Fahrwerk mit fein ansprechenden Bremsen, glänzt mit gutem Handling und neutralem Einlenkverhalten. Und ihr bäriger sowie sparsamer Dreizylinder-Motor, dessen formidable Durchzugswerte Bände sprechen, ist Garant für stundenlangen, stressfreien Fahrspaß allererster Güte. Für das gelungene Gesamtpaket gebührt der Triumph der Testsieg.
Ein bärenstarkes, aber gutmütiges Motorrad zu einem fairen Preis, die Thunderace. Beim Fahrwerk, den Bremsen und in puncto Fahrleistungen macht ihr so schnell keine etwas vor. Was ihr fehlt? Etwas mehr Komfort. Windschutz gibt es so gut wie gar keinen, und die Sitzposition dürfte etwas weniger sportlich sein. Würde ihr Yamaha dann noch eine Einspritzanlage spendieren, könnte auch bei der YZF endlich ein G-Kat zum Einsatz kommen.