Mal schnell auf einen Cappuccino ans Mittelmeer? Mit dem Auto kalter Kaffee, mit einem hubraumstarken Supertourer dagegen eine erfrischende und belebende Nipp-Visite.
Mal schnell auf einen Cappuccino ans Mittelmeer? Mit dem Auto kalter Kaffee, mit einem hubraumstarken Supertourer dagegen eine erfrischende und belebende Nipp-Visite.
Ein benachbarter Motorradclub feiert seine erste Frühlingsausfahrt stets am Lago Maggiore. Nur so übers Wochenende. Da fällt es auch Redakteuren schwer, in Stuttgart zu bleiben und am Schreibtisch zu versauern.
Schon deshalb, weil sechs hubraumstarke Motorräder geradezu auf einen Vergleichstest warten, der ihrem Charakter entspricht.
Supertourer wie die BMW R 1100 RT und Honda ST 1100 sind da augenscheinlich die beste Wahl, um eine Gewalttour unter die Räder zu nehmen. Sie kosten aber auch ab 25 000 Mark aufwärts. Sicher geht’s auch billiger. Die neue Triumph Trophy 900 oder altbekannte Kawasaki 1000 GTR haben zwar kein ABS und Integralbremssystem in ihrem Repertoire, aber dennoch ordentliche Verkleidungen und Koffer ab Werk.
Oder lieber ganz auf Sparflamme fahren, aber nicht minder schnell. Die Yamaha FJ 1200 und Suzuki GSX 1100 F, gerade mal 17 000 Mark teuer, waren sogar mal richtig sportlich, bevor sie von noch sportlicheren Maschinen abgelöst wurden und fortan Sporttourer hießen. »Laßt uns nach Monaco fahren. Der Cappuccino wird dort nicht schlechter schmecken als am Lago Maggiore.«Gesagt, getan. Und noch schneller sind die Koffer gepackt, der Tankrucksack aufgeschnallt. Nur weg aus der Schwaben-Metropole. Aber müssen Motorradfahrer immer dreckige Finger haben? Im Schwarzwald der erste Notstopp. Der linke Fußrastenhalter der Triumph macht schlapp. Vibriert der Dreizylinder wirklich so gewaltig, daß er alle Schrauben von sich schmeißt? Oder war es Werkstattschlamperei?
Dann ein Reinfall, aber nicht bei Schaffhausen. Wie konnten wir bei der Fahrt durch die Schweiz nur der irrigen Meinung sein, daß für nun mehr als 50 Mark Vignetten-Gebühr auch noch im Gotthard-Tunnel nochmals kräftig gezahlt gezahlt werden muß. Nun wissen wir, wovon die Schweizer leben.
Zu laut muß der BMW-Fahrer gelästert haben. Die Strafe folgt auf dem Fuß. Erst reißt ein dicker Nagel ein Loch in die Reifendecke, dann schlägt auch noch ein hochgewirbelter harter Gegenstand tiefe Macken in Kotflügel und linke Verkleidungshälfte.
Mit dem hohen Reiseschnitt ist es nun endgültig vorbei. Zu spät kommt die illustre Reisegruppe nach knapp 1000 Kilometer Fahrt spätabends in Monaco an. Ihre Testergebnisse sind in den folgenden drei Doppeltests zusammengefaßt. Jetzt zum Durst löschen nur noch ein frisches Bier. Den Cappuccino wird es zum Frühstück geben.
Knapp 25 000 Mark wechseln den Besitzer beim Kauf einer BMW R 1100 RT, dem Supertourer der neuen Vierventil-Boxer-Baureihe. Noch höher klettert die Summe beim Pendant aus dem Hause Honda. Der Reisedampfer ST 1100 mit dem Vierzylinder-V-Triebwerk ist für 26 835 Mark zu haben. Huii! Denn dafür gibt es auch schon einen gut ausgestatteten VW Golf.
Nun wollen wir nicht Auto mit Motorrad vergleichen, wenngleich die beiden Dickschiffe den Ausmaßen eines vierrädrigen Gefährts erschreckend nahekommen. Doch ihre reichhaltige Ausstattung rechtfertigt durchaus den hohen Einstandspreis.
So bietet die R 1100 RT nebst ihrer ausladenden Verkleidung mit zuschaltbarer Warmluftzuführung so sinnvolle Dinge wie eine elektrisch höhenverstellbare Windschutzscheibe, einen höhenverstellbaren Fahrersitz, ein Koffersystem, ein Fahrer-Informationsdisplay mit Digitaluhr, Gang-, Benzinstand- und Öltemperaturanzeige sowie ein ABS-System, Benzineinspritzung und geregelter Katalysator.
Die schlechte Nachricht zuerst: Beim Thema saubere Umwelt kann die Honda nicht mithalten. Gleichdruckvergaser statt Benzineinspritzung erschweren den Einbau eines geregelten Katalysators. Dafür hat die ST 1100 mehr Sicherheit zu bieten. ABS, Integralbremssystem und Traktionskontrolle gehören zum Serienstandard. Die Verkleidung der ST 1100 ist nicht minder korpulent wie die der RT. Zwei Staufächer und ein Koffersystem sind ebenso im Preis inbegriffen wie Benzinstandsanzeige und Digitaluhr.
Schon im Vorfeld jeglicher Tourenplanung freut es, daß beide Motorräder mit einem Einschlüsselystem für alle Schlösser von der Zündung bis zu den Koffern auskommen. Ohne großes Gefummel und Gezerre können die Koffer blitzschnell vom Motorrad getrennt und wieder angebaut werden. Kleines Manko beim Packen der Honda-Behälter: Die Deckel lassen sich nur um etwa 70 Grad öffnen.
Dafür hat man an anderer Stelle mitgedacht. Statt wie bei der BMW mühselig im tiefsten Innern der Verkleidung rumzuwerkeln, läßt sich die Leuchtweite der Scheinwerfer direkt vom Cockpit aus regulieren.
Nicht nur wuchtig, auch schwer fallen die beiden Tourer der Oberklasse aus. 285 Kilogramm stemmt die R 1100 RT vollgetankt auf die Waage. Bei der ST 1100 kommt der Zeiger gar erst bei 328 Kilogramm zur Ruhe. Trotz der vielen Pfunde lassen sich die beiden Dickschiffe erstaunlich leicht rangieren und ohne viel Kraftaufwand auf den Hauptständer wuchten.
Erst einmal in Fahrt, sind Gedanken an hohes Gewicht und Pkw-ähnliche Ausmaße schnell verflogen. Die BMW wie auch die Honda fahren sich leichter als sie aussehen. Den Bayern ist es sogar gelungen, ihre RT so handlich zu machen, daß die wohl ausbalancierte, zielgenaue ST 1100 geradezu schwerfällig gegen den »Gummikuh«-Nachfolger wirkt. Noch einen weiteren (hohen) Standard setzt das Fahrwerk der BMW: Die Telelever-Gabel leistet glanzvolle Führungsarbeit. Ungeachtet abrupter Bremsmanöver taucht die Gabel kaum spürbar ein und behält stattdessen fast ihren vollen Federweg.
Über mangelnden Fahrkomfort kann sich bei der Honda aber auch keiner sonderlich beklagen. Trotz einer konventionellen Telegabel, allerdings bestückt mit einem Anti Dive-System, zeichnet sich die ST 1100 durch Spurtreue und Federungskomfort aus. Darüber hinaus ist es den Honda-Technikern gelungen, die Dämpferelemente so abzustimmen, daß auch bei hoher Beladung oder bei Soziusbetrieb ein Verstellen des hinteren Federbeins kaum notwendig wird.
Für die R 1100 RT als auch die ST 1100 sind schnelle Autobahnetappen reine Pflichtübung. Mit stoischer Ruhe ziehen sie bei hoher Geschwindigkeit über die Bahn, ob mit oder ohne Koffer. Bestenfalls beim Überholen großer Laster geht ein leichtes Rühren durch die Fahrwerke. Ansonsten ist Ruhe angesagt. Vor allem hinter den Verkleidungen. Die breite Front der RT bietet den besten Wetterschutz. Weder Hände noch Schulterpartien werden bei Regen deutlich naß. Die elektrisch verstellbare Scheibe sorgt dafür, daß sich je nach Fahrergröße die Turbulenzen hinter der Verkleidung in Grenzen halten. Da kann Hondas Windschutz nicht ganz mithalten. Große Fahrer beklagen sich über laute Windgeräusche.
Dafür sitzt es sich auf der ST 1100 auf Dauer bequemer. Hier paßt alles bis aufs I-Tüpfelchen: Die Position der Fußrasten, die Sitzhöhe, der schmale Knieschluß, die Anordnung und Kröpfung der Lenkerhälften, die eine leicht vorgebeugte, ermüdungsfreie Haltung erzeugen. Lange Distanzen steckt der BMW-Fahrer dagegen nicht so locker weg. Die extrem aufrechte Sitzposition, bedingt durch den hohen, nach hinten gezogenen Lenker, stellt die Rückenmuskulatur auf die Probe. Auch der Sozius sitzt auf der ST 1100 noch einen Tick bequemer.
Motorenseitig bieten BMW wie Honda bei ihren Supertourern gute Hausmannskost. Angesichts der Tatsache, daß die beiden Dickschiffe nicht mit ihren Pfunden geizen, halten sich die gebotenen Fahrleistungen trotz der Hubraum- und Leistungsstärke in überschaubaren Grenzen. Beschleunigungen von null auf einhundertsechzig in zehn bis elf Sekunden können leichtgewichtigere Tourer besser. Und die mäßigen Durchzugswerte lassen auch nur erahnen, daß die durchaus sehr drehmomentstarken Motoren sauber ab Standgas hochdrehen und mehr denn je zu schaltfauler, niedertouriger Fahrweise animieren. Da wundert es auch nicht, daß sich die Motoren beim Benzinkonsum in Bescheidenheit üben. Und in Verbindung mit den großen Tankvolumina sind Reichweiten bis 500 Kilometer rekordverdächtig.
Boxer oder V4 - beim Thema Laufkultur scheiden sich die Geister. Das rumplige Boxer-Triebwerk erzeugt mit steigender Drehzahl deutliche Vibrationen, während sich der vierzylindrige Honda-Motor mit nervigen Schwingungen merklich zurückhält. Auch getriebeseitig übt sich die Japanerin in eleganter Perfektion. Während sich gerade beim Runterschalten das Bayern-Schaltwerk lautstark zu Wort meldet, rasten die Gangstufen bei der Honda lautlos ein.
Das Beste zum Schluß: Bereits in MOTORRAD 10/1996 wurden die ABS-Systeme von BMW und Honda miteinander verglichen - zugunsten der BMW, was die reine Bremsleistung der Systeme betrifft. In der Praxis aber fahren die geringeren Bedienkräfte der Honda-Stopper und und vor allen Dingen das Integralbremssystem mehr Pluspunkte ein. Eine Fehlbedienung auf Grund einer Schreckbremsung ist ausgeschlossen, optimale Verzögerung garantiert. Mit Sicherheit.
Ein benachbarter Motorradclub feiert seine erste Frühlingsausfahrt stets am Lago Maggiore. Nur so übers Wochenende. Da fällt es auch Redakteuren schwer, in Stuttgart zu bleiben und am Schreibtisch zu versauern.
Schon deshalb, weil sechs hubraumstarke Motorräder geradezu auf einen Vergleichstest warten, der ihrem Charakter entspricht.
Supertourer wie die BMW R 1100 RT und Honda ST 1100 sind da augenscheinlich die beste Wahl, um eine Gewalttour unter die Räder zu nehmen. Sie kosten aber auch ab 25 000 Mark aufwärts. Sicher geht’s auch billiger. Die neue Triumph Trophy 900 oder altbekannte Kawasaki 1000 GTR haben zwar kein ABS und Integralbremssystem in ihrem Repertoire, aber dennoch ordentliche Verkleidungen und Koffer ab Werk.
Oder lieber ganz auf Sparflamme fahren, aber nicht minder schnell. Die Yamaha FJ 1200 und Suzuki GSX 1100 F, gerade mal 17 000 Mark teuer, waren sogar mal richtig sportlich, bevor sie von noch sportlicheren Maschinen abgelöst wurden und fortan Sporttourer hießen. »Laßt uns nach Monaco fahren. Der Cappuccino wird dort nicht schlechter schmecken als am Lago Maggiore.«Gesagt, getan. Und noch schneller sind die Koffer gepackt, der Tankrucksack aufgeschnallt. Nur weg aus der Schwaben-Metropole. Aber müssen Motorradfahrer immer dreckige Finger haben? Im Schwarzwald der erste Notstopp. Der linke Fußrastenhalter der Triumph macht schlapp. Vibriert der Dreizylinder wirklich so gewaltig, daß er alle Schrauben von sich schmeißt? Oder war es Werkstattschlamperei?
Dann ein Reinfall, aber nicht bei Schaffhausen. Wie konnten wir bei der Fahrt durch die Schweiz nur der irrigen Meinung sein, daß für nun mehr als 50 Mark Vignetten-Gebühr auch noch im Gotthard-Tunnel nochmals kräftig gezahlt gezahlt werden muß. Nun wissen wir, wovon die Schweizer leben.
Zu laut muß der BMW-Fahrer gelästert haben. Die Strafe folgt auf dem Fuß. Erst reißt ein dicker Nagel ein Loch in die Reifendecke, dann schlägt auch noch ein hochgewirbelter harter Gegenstand tiefe Macken in Kotflügel und linke Verkleidungshälfte.
Mit dem hohen Reiseschnitt ist es nun endgültig vorbei. Zu spät kommt die illustre Reisegruppe nach knapp 1000 Kilometer Fahrt spätabends in Monaco an. Ihre Testergebnisse sind in den folgenden drei Doppeltests zusammengefaßt. Jetzt zum Durst löschen nur noch ein frisches Bier. Den Cappuccino wird es zum Frühstück geben.
Daß die Kawasaki 1000 GTR von sportlicher (GPZ 900-) Herkunft ist, mag man angesichts ihres schwerfälligen Stylings und ihrer beachtlichen Leibesfülle kaum glauben. Eher schon kauft man der rundlich-dynamisch gezeichneten und unverkennbar moderneren Triumph sportliche Ursprünge ab. Zu Recht. Die Trophy präsentiert sich als überraschend leichtfüßiger Spurensucher, der sich locker durch Kurvenlabyrinthe zirkeln läßt, der in Schräglage unbeeindruckt von Fahrbahnverwerfungen auf Kurs bleibt, der mit seinen zupackenden und fein dosierbaren Bremsen zackige Spurts von Biegung zu Biegung zum Genuß ohne Reue macht.
Bei schneller Autobahnfahrt kommen unter dem Einfluß von wechselnden Windkräften bisweilen leichte Unruhen in den Geradeauslauf der Trophy, ohne daß allerdings für das leichte Rühren in der Lenkung der Begriff »Pendeln« angebracht wäre. Senken in der Fahrbahn, die das Heck der vollbeladenen Maschine bei hohen Geschwindigkeiten an die Grenzen des Einfederwegs bringen, steckt die Triumph dank ausreichend straffer Dämpfung des Zentralfederbeins locker weg.
Die Kawasaki kann der Triumph auf fahrerisch anspruchsvollen Strecken und flottem Tempo zwar folgen, ist dabei aber deutlich spürbar weniger in ihrem Element. Sie will mit mehr Nachdruck dirigiert werden und läßt es an Lenkpräzision vermissen. Nur beim Verzögern ist die GTR der Trophy ebenbürtig, womit sie wieder einmal zeigt, daß »simple« Doppelkolbenzangen »wichtigen« Vierkolbenbeißern nicht von Haus aus unterlegen sind. Tiefe Bodenwellen lassen die GTR im oberen Geschwindigkeitsbereich hin und wieder in Schlingerbewegungen verfallen, und in den Wirbelschleppen vorausfahrender Pkw zappelt die Kawasaki ebenso in der Lenkung, wie dies - in gleichermaßen unkritischer Ausprägung - auch die Triumph tut.
Erschwerend zum zähen Handling auf kurvigen Strecken kommt bei der GTR hinzu, daß ihr Motor im unteren Drehzahlspekrum reichlich lustlos wirkt. Die Hoffnung auf souveränes, von Durchzugsstärke geprägtes Touren zerrinnt in der Notwendigkeit, ständig im (gut schaltbaren) Sechsganggetriebe zu rühren. Satten Punch bei niedrigen Drehzahlen in hohen Gängen läßt allerdings auch die Triumph vermissen. Wie die Kawasaki leidet sie an einer allzu lang geratenen Endübersetzung und einem Überangebot an Gängen. Der erhoffte Effekt - eine Verbrauchsreduzierung - bleibt hier wie dort aus: Beide Maschinen sind bei flotter Fahrt überdurchschnittlich durstig.
Daß die Verbrennungsrückstände des Trophy-Dreizylinders wenigstens einigermaßen umweltverträglich aufbereitet werden, geht auf das Konto einer ungeregelten katalytischen Abgasreinigung. Im Prinzip zumindest: Die ersten Maschinen - auch das Testexemplar - wurden ohne Kat ausgeliefert, können aber nachgerüstet werden. Kostenlos, aber auf Kosten einer Leistungseinbuße von zwei Kilowatt.
Aus ergonomischer Sicht ist die GTR ein guter Reiseveranstalter. Lenker, Fußrasten und Fahrersitz sind so arrangiert, daß auch nicht übermäßig groß geratene Menschen eine lockere, entspannte Fahrhaltung finden. Auch aus dem rückwärtigen Abteil kommen keine Klagen. Platzangebot und -gestaltung sorgen für gehobenen Reisekomfort. Die ausladende Kunststoffschale der Kawasaki schützt von Kopf bis Fuß vor den anstürmenden Elementen, erzeugt aber dahinter ein Tiefdruckgebiet, das die Fahrerjacke im Brustbereich wie einen Ballon bläht und bei niedrigen Außentemperaturen für kalte Schauer im Rücken sorgt.
Die augenscheinlich windschlüpfigere Verkleidung der Triumph ist ein zweischneidiges Schwert, was ihre Eigenschaft angeht, glatt durch die Atmosphäre zu schneiden: Der Verkleidungskörper macht wenig Wirbel um seine Schutzfunktion, die Scheibe hingegen sorgt für ein Getöse im Helmbereich, das sogar mit Ohrenstöpseln auf Dauer nur schwer zu ertragen ist. Großgewachsene Touristen sind auf der Trophy gut untergerbracht, kleinere Zeitgenossen müssen sich ein bißchen nach dem Lenker strecken. Die straffe Sitzbank und deren nicht sonderlich üppiges Format bescheren dem Sitzfleisch leichte Komforteinbußen im Vergleich zur GTR.
Auch in puncto Ausstattung und Praxistauglichkeit kann die Kawasaki Pluspunkte sammeln. Ihre kantigen Koffer im schwarzen Einheits-Look haben zwar fummelige Schlösser, wirken aber stabiler und bieten mehr Stauraum als die in »Wagenfarbe« lackierten Triumph-Rundlinge. Unter einer Abdeckung am Sitzbankbürzel der GTR versteckt sich obendrein eine kleine Gepäckbrücke, auf der sich im Handumdrehen eine Reisetasche festzurren läßt.
Im Handumdrehen ist Zentralfederbein der Kawasaki zu »tunen«: Über einen Zugknopf kann die Zugstufendämpfung und über ein Luftventil die Federrate an den jeweiligen Beladungszustand angepaßt werden. Kleiner Schönheitsfehler: Vorher muß man einen festgeschraubten Deckel entfernen. Größeren schrauberischen Aufwand erfordert dennoch die Triumph: Ihre Federbasis will per Hakenschlüssel variiert werden, und das ist angesicht der versteckten Lage des Federbeins eine Zumutung. Daß zur Dämpfungseinstellung ein Schraubenzieher bemüht werden muß, fällt da schon kaum mehr ins Gewicht.
Ein buchstäblich düsteres Kapitel ist die Kontrolleuchten-Konsole im Cockpit der Trophy. Bei normalem Licht ist das Gefunzel kaum, bei Sonneneinstrahlung überhaupt nicht wahrzunehmen, was zum Beispiel dazu führt, daß die Maschine immer mal wieder kilometerweit unmotiviert blinkend durch die Gegend fährt. Nicht im Design, wohl aber in der Funktion ist das Instrumentenbrett der GTR vorbildlich: Alles da - bis hin zum zweiten Tageskilometerzähler -, alles übersichtlich arrangiert.
Die Kawasaki ist mit 318 Kilogramm Lebendgewicht ein schwerer Brocken, und das läßt Böses ahnen. Tatsächlich: Rangieren und Aufbocken geraten bei der GTR zur Schwerarbeit. Noch schlimmer aber ist, daß schon mit 172 Kilogramm Zuladung ihr zulässiges Gesamtgewicht erreicht ist - für einen Tourer viel zu wenig. Die 36 Kilogramm leichtere Trophy ist da in zweierlei Hinsicht benutzerfreundlicher: Sie läßt sich etwas einfacher auf den Hauptständer wuchten, und mit 193 Kilogramm Transportkapazität gestattet sie, deutlich mehr als zwei Personen und eine Kreditkarte zu befördern.
So ein Jahrzehnt vergeht ganz schön schnell - einerseits. Andererseits ist 1986 verdammt lang’ her, seit die ersten FJ 1200 und zur Jahreswende 1986/87 die ersten GSX 1100 F über unsere Straßen brummten. Die FJ-Baureihe, 1984 als FJ 1100 geboren, wurde, man glaubt es heute kaum mehr, von Yamaha ursprünglich als »Yamahas Antwort auf Bimota« beworben. Und das bärenstarke Herz der speziell als Sporttourer entwickelten Suzuki GSX 1100 F stammt aus der supersportlichen Schwester GSX-R 1100.Aber mit den Jahren kommt die Reife: Aus jungen Wilden werden Kilometerfresser.
Und jetzt, in die Jahre gekommen, haben es sich die beiden Schlachtrösser in der Tourer-Nische bequem gemacht. Im Vergleich mit ihrer neueren, teureren Konkurrenz scheinen die GSX 1100 F und die FJ 1200 selbst da nur die Mauerblümchen-Wertung gewinnen zu können. Aber hallo: Im Leistungsgewicht bilden die beiden bei den Tourern auch heute noch die Spitzengruppe, und sowohl GSX 1100 F als auch Yamaha FJ 1200 gibt es als einzige auch in ungedrosselter Leistung von deutlich über 98 oder 100 PS.Die Sportler-Gene schlagen halt noch durch. Vor allem die Suzuki brennt mit Fahrleistungen daher wie ein junger Hüpfer.
Kein Wunder eigentlich: Wenn eine Drosselung auf 98 PS so ungenau gelingt, daß zwischen 7000 und 8500 Touren 110 PS anliegen, braucht man im Grund keine Entdrosselung mehr - gell, ihr Heppenheimer? Daß es auch anders geht, zeigt die FJ 1200. Oben raus - na, noch mal so -, im Rahmen der 98-PS-Selbstbeschränkung, hat der FJ-Motor bis 5000 Touren trotzdem einen geringen Leistungsvorsprung. Mit seinem Drehmomentgipfel bei knapp 4000/min gegenüber der 6000-Touren-Spitze des Suzuki-Motors hat der FJ-Antrieb bei niedrigen Drehzahlen leichte Vorteile. Obschon der GSX-F-Antrieb schon mächtig an der Kette zerrt, muß ihr Fahrer auf engen Serpentinen häufiger in der Fünfgang-Schaltbox rühren als der FJ-Kapitän, dessen Fuhre besser aus dem tiefen Drehzahlkeller heraufbeschleunigt.
Nach der Umrüstung auf ein 17 Zoll-Vorderrad lagerte Yamaha 1991 den Motor der FJ 1200 in Gummi. Der Rahmen wurde in den Dimensionen der Ober- und Unterzüge wesentlich verstärkt und trägt nun die Last ohne die Hilfe des Motor. Der rauhe, luftgekühlte Geselle darf sich in seinen weichen Lagern nun nach Herzenslust ausvibrieren, ohne die Besatzung zu belästigen. Dafür knurrt er im Schiebebetrieb um so kräftiger durchs Gebein, und bei Lastwechseln tobt der schwere Brocken so heftig in seiner Lagerung umher, daß es einem sogar die Linie verwackeln kann.
Der Motor der Suzuki dagegen sieht sich seit 1989 von einer zusätzlichen Stahlarmierung umklammert. Dies, eine um 25 Millimeter verlängerte Schwinge und einen flacher eingeschweißten Steuerkopf, der Nachlauf und Lenkkopfwinkel anwachsen ließ, hielten die Heppenheimer für lebensnotwendig, um der GSX 1100 F den stabilen Geradeauslauf anzuerziehen, den gerade die deutschen, furcht- und rücksichtslosen Sport-Tourenfahrer an den ersten beiden Baujahren - zu Recht - als ungenügend moniert hatten.
Die hohen Fußrasten zwingen zu stark gebeugten Knien erinnern nach einiger Zeit schmerzhaft an die sportliche Vergangenheit beider Maschinen. Der Suzuki-Fahrer spürt durch die stärker vorgebeugte Körperhaltung auch seine Handgelenke. Den Yamaha-Fahrer belohnt der weiter zurückgekröpfte Lenker nicht nur mit einer besseren Körperhaltung und Übersicht, die breite Stange macht das Handling der FJ 1200 auch deutlich leichter. Die Suzuki kämpft etwas mit ihrem tieferen, schmaleren Lenker, einem kippligeren 16-Zoll-Fahrwerk - Stand 1987 - und einem längeren Radstand, der der GSX 1100 F in engen Kurven ein etwas Sattelzug-ähnliches Fahrverhalten verschafft.
Unter dem Strich ist das Fahrwerk der Suzuki aber dennoch besser als das der Yamaha. Das GSX-F-Federbein ist auch heute noch Spitze und sauber abstimmbar, die Gabel allerdings ist nur Durchschnitt. Diese Wertung muß die FJ 1200 vorn und hinten hinnehmen. Anflüge größerer Spritzigkeit nehmen die FJ-Federelemente bald übel. Und mit Sozius und vollen Koffern - die wie der Gepäckträger gesondert geordert werden müssen - wird die Yamaha gar zur Pumpe. Da muß man fast von Glück sagen, daß die Zuladung mit angebauten Koffern mit 174 Kilogramm so mager ausfällt.
Zwischen (Fahrzeug)-Schein und (Waagen)-Wirklichkeit klafft eine Lücke von 22 Kilogramm zu Lasten der FJ 1200.Allerdings - 182 Kilogramm Zuladung bei angebauten Koffern sind für die Suzuki auch nicht das pralle Tourerleben. Und ohne Koffer geht nichts: Die GSX 1100 F wird 1996 nur noch als Paket einschließlich Koffersystem und einem Shoei-Sturzhelm verkauft. Das kann nett gemeint sein. Muß es aber nicht. Die Sitzposition für den Sozius zählt nach heutigen Tourer-Maßstäben beiderseits nicht mehr zur ersten Wahl. Er sitzt hoch hinter dem Fahrer, die Beine sind relativ stark angewinkelt, die Bank der Suzuki ist etwas länger als die der Yamaha. Dafür wird der Beifahrer auf der wieder von weniger Turbulenzen am Helm heimgesucht. Daß die Schräglagenfreiheit der Yamaha deutlich geringer ist, hat sich bereits herumgesprochen. Auch, daß der Windschutz der hohen Yamaha-Scheibe erheblich über dem der elektrisch hochfahrbaren Suzuki-Scheibe liegt. Laute Windgeräusche am Helm produzieren beide Verkleidungen.
Weniger bekannt sein dürfte, daß die Bremsen der FJ 1200 denen der GSX 1100 F weit überlegen sind. Warum? Weil die FJ-Bremsen immerhin von der ersten FZR 1000 übernommen wurden - darum. Eine Paßabfahrt mit voller Zuladung bringt die Suzuki-Bremsen dagegen ohne weiteres ans Limit.
Auch daß die Suzuki mit beladenen Koffern im Gegensatz zur Yamaha fast unmöglich auf den Hauptständer zu hieven ist und ihr Lenker immer noch mit dem berüchtigten Neimann-Schloß am Lenkkopf verriegelt werden muß, weist die GSX 1100 F nicht gerade als Supertourer aus.
Aber das sind alles Peanuts, wenn man die Preisschilder genauer unter die Lupe nimmt. Für das, was die Suzuki GSX 1100 F und die Yamaha FJ 1200 weniger kosten als ein Spitzen-Tourer, kann man sich schon einen kleinen Wohnwagen leisten - und an der Cote d’Azur als Feriendomizil stehen lassen. Da müssen selbst moderne Spitzen-Tourer passen.