Fahrbericht Hyper 1

Fahrbericht Hyper 1

Zwei experimentierfreudige Holländer tüfteln an einer neuen Variante zum Thema Vorderradführung.

Ausgerechnet aus Holland, dem Land der längsten Geraden und der wenigsten Kurven, melden sich in schöner Regelmäßigkeit Konstrukteure und Edelbastler mit pfiffigen Alternativen zur Telegabel. Rahmen-Spezialist Nico Bakker schuf bereits 1988 ein funktionsfähiges Achsschenkel-Motorrad mit Straßenzulassung - die QCS-Honda VF 750. Wenige Jahre später schnitzten die holländischen Experten von White-Power an einer Einarm-Gabel, die jedoch nach einigen Einsätzen im Grand Prix-Sport wieder in der Versenkung verschwand. Jetzt melden sich Hans Oosterhoff und Hans Rinner mit einem neuen Versuch zurück. Eine Kombination aus Radnabenlenkung und der rollengelagerten Einarmgabel soll den Beweis antreten, daß trotz eines hohen Reifegrads der konventionellen Telegabel noch andere, bessere Systeme für die Zukunft bereitliegen. Auf Basis der Yamaha TRX 850 verwirklichte Hans Oosterhoff die Idee des selbsttragenden Motors. Bei seiner Konstruktion wird ein steifes, großdimensioniertes Rohrgebilde, das die Vorderradaufhängung mitsamt Lenkung aufnimmt, direkt am Motor verschraubt (siehe Zeichnung Seite 41). Hinten dreht sich die Original-Schwinge in den Aluminium-Gußstücken der TRX, ein leichter Hilfsrahmen aus Stahlrohren trägt Sitzbank und Tank. Das perfekte handwerkliche Finish schafft das nötige Vertrauen, bevor die Hyper 1 mit Volldampf die holprige Rennstrecke von Most unter die Räder nimmt. Mit tief montierten Lenkern, einem röhrenden Doppelauspuff und dem breiten 180er Pirelli Corsa-Hinterradreifen auf der 5,5-Zoll-Felge macht die Hyper 1 deutlich mehr auf Sport als die Serien-Yamaha TRX 850. Nach drei, vier zögerlichen Runden rollt die Hyper 1 an die Box, weil die Vorderpartie große Mühe hat, in Schräglage die kurzen Stöße und Wellen aufzufangen. Erst mit deutlich weniger Zug- und Druckstufendämpfung am modifizierten Öhlins-Zentralfederbein kommt Senisbilität ins System. Die letzten feinen Erschütterungen werden eliminiert, als der serienmäßige 120/60er Reifen einem 120/70er Pneu weicht. Die höhere Reifenflanke der 70er Bauhöhe erlaubt ein besseres Feder- und Dämpfungsverhalten vor allem in Schräglage und bekämpft damit erfolgreich die Stempelneigung der Frontpartie. Erst jetzt kommen die Vorteile der holländischen Konstruktion zur Geltung. Im direkten Vergleich zur Serien-TRX bleibt die Hyper 1 beim Bremsen absolut stabil und lenkt präzise in die schnellen Wechselkurven von Most ein. Kein Wunder bei der extrem direkten Lenkgeometrie von 72 Grad Lenkkopfwinkel und 93 Millimeter Nachlauf. In Sachen Handling kämpft die Hyper 1 allerdings mit dem etwas störrischen 180er Hinterradreifen, der den serienmäßig montierten 160er Pneu auf der schmaleren 5.0-Zoll-Felge ersetzt.Die knochentrockene Feder-/Dämpferabstimmung läßt zwar touristischen Komfort vermissen, dafür gestaltet sich nach kurzer Eingewöhnungszeit die Rückmeldung von Vorderrad zu Fahrer sehr direkt und informativ. Um ein feinfühliges Ansprechenverhalten bei gutem Durchschlagschutz des auf nur 90 Millimeter begrenzten Federwegs zu erreichen, verwendet Hans Rinner stufenlos progressiv gewickelte Hyperpro-Federn. Ohne Schwächen steckte die rechtsseitig montierte 340er Bremsscheibe die Hatz über den tschechischen Rennkurs weg. Nahezu fadingfrei, ordentlich dosierbar und mit satter Wirkung, bleiben keine Zweifel daran, daß die Sechskolbenbremszange von Alcon für die 85 PS starke und rund 200 Kilogramm leichte Hyper 1 ausreichend dimensioniert ist. Daß Bremsanlage und Federbein jedoch aus ästhetischen Gründen auf derselben Seite montiert sind, macht sich leider dadurch bemerkbar, daß beim Beschleunigen die Lenkung spürbar nach rechts zieht und einen konstanten Gegendruck am Lenker erfordert. Beim Beschleunigen über holprigen Asphalt ist eine solch einseitig belastete Lenkung sehr anfällig für das berüchtige Lenkerschlagen, dem ein Hyperpro-Lenkungsdämpfer allerdings schon im Ansatz Einhalt gebietet. Auch wenn die beiden Holländer das Rad nicht neu erfunden haben, könnte das Hyper 1-Projekt durchaus eine überlegenswerte Alternative im Motorradbau darstellen. Schon allein die Möglichkeit, den Motor als Rahmenelement einzubinden und damit Gewicht und Kosten zu sparen, ist ein Aspekt. Die reibungsarme und leichte Nabenlenkung im Rennsport einzusetzen ist ein weiterer Hintergedanke von Hans Oosterhoff. Denn der neue Vorderbau bietet gute Ansätze für eine bessere Aerodynamik und bei der Suche nach dem optimalen Schwerpunkt. Für die Großserie allerdings gilt es, die offenlaufenden Rollenlager an der Prismenführung ästhetisch und staubgeschützt einzupacken. Und das wird sicherlich ein Problem.

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