Fahrbericht Kawasaki ZRX 1200 S und ZR-7 S

Fahrbericht Kawasaki ZRX 1200 S und ZR-7 S Abschnittsweise heiter

Kawasaki setzt mit der ZRX 1200 S für das Jahr 2001 nicht auf revolutionäre Neuheiten, sondern auf gezielte Modellpflege und erweiterte Allround-Qualitäten. Mit der neuen S-Klasse will man jetzt tourige Kunden locken. Auch bei der ZR-7 S.

Kaum ein Vergleichstest, in dem Kawasakis ZRX 1100 in den letzten Jahren nicht brilliert hätte. Stets lieferte das klassisch sportlich gestylte Naked Bike eine saubere, in Sachen Fahrwerk gar hervorragende Vorstellung ab. Dennoch kam der potente Vierzylinder langsam in Bedrängnis. Die jüngste Konkurrenz von Honda, Suzuki und Yamaha protzt mit Leistung oder einem günstigen Preis. Jetzt zieht Kawasaki nach, spendiert der ZRX 1200 S mehr Hubraum und eine rahmenfeste Halbverkleidung. Das sorgt zum einen für eine Steigerung von Leistung und vor allem Drehmoment, zum anderen für einen besseren Wind- und Wetterschutz und somit für ein deutlich vergrößertes Einsatzfeld der neuen ZRX.
So einfach sich diese Maßnahmen anhören, so aufwendig wurde das Vorhaben von den japanischen Ingenieuren umgesetzt. Um eine Leistungssteigerung von bisher 106 auf 122 PS zu realisieren, stockten sie den Hubraum um 113 auf 1165 cm3 auf. Dabei reichte es aus nicht aus, lediglich mit größerer Bohrung zu arbeiten, sondern auch der Hub des Reihenvierers wuchs um 1,4 Millimter. Demnach besitzt die ZRX 1200 S ein neues Motorgehäuse, neue Kurbelwelle, Zylinder, Kolben, Pleuel und nicht zuletzt einen neuen Zylinderkopf. Kurzum, bis auf die Getrieberäder und die Kupplung ist beim 1200er-Agreggat alles neu. Anzusehen ist der ZRX diese grundlegende Modifikation kaum. Einzig die in Magnesiumfarbe lackierten Motordeckel sowie der neue Auspuffendtopf aus Edelstahl weisen auf die neuen inneren Werte hin.
Kennzeichnend für das neue S-Modell ist die voluminöse Halbverkleidung, die die Gesichtszüge der supersportlichen ZX-Modellreihe trägt. Kleine Änderungen gab’s auch auf der Fahrwerksseite. Längerer Radstand, größerer Nachlauf und eine im Drehpunkt nach unten versetzte sowie aus neu profilierten Aluminumrohren verschweißte Schwinge sollen für mehr Stabilität und besseres Ansprechen der Hinterradfederung sorgen, welche weiterhin von zwei voll einstellbaren Federbeinen, Marke Kayaba, übernommen wird.
Schon nach den ersten Metern auf der ZRX 1200 S im spanischen Jerez ist klar, dass große Überraschungen ausbleiben werden. Zu ähnlich ist die Neue ihrer Vorgängerin. Bereits ab Standgasdrehzahl schiebt der 1200er die ZRX souverän an, zerrt bis 10000/min gleichmäßig und gut kontrollierbar, aber stets von feinen Vibrationen begleitet an der Kette, um auf den letzten 1000 Umdrehungen vor dem roten Bereich etwas lustlos zu wirken. Von der Mehrleistung des Triebwerks spürt der fahrer überraschend wenig. Es fehlt etwas an der Souveränität einer Yamaha FZS 1000 Fazer, so schaltfaul wie dieser Kraftmaier lässt sich die Kawasaki nicht durch die Lande schaukeln.
Dabei fällt auf, dass dem Getriebe ein bisschen Feinschliff gut getan hätte. Es lässt sich zwar kurz und knackig, aber mitunter nur mit einem harten Lastwechselschlag durch die fünf Gänge schalten. Ein weiteres Manko: Der Fünfte ist ellenlang übersetzt und eignet sich somit nicht unbedingt als Dauerfahrstufe auf engeren Landstraßen. Drehmoment hin, Drehmoment her, ein enger gestuftes Sechsganggetriebe würde da nicht schaden.
Wenig störend machen sich die fünf zusätzlichen Kilogramm bemerkbar, die dem S-Modell durch den Anbau der Verkleidung mit dem integrierten Freiflächenscheinwerfer aufgebürdet wurden. Im Gegenteil, einmal in Fahrt, wirkt die neue trotz des verlängerten Radstands und der breiteren 180er-Bereifung auf dem Hinterrad agiler und handlicher als die Vorgängerin. Zwar fällt das vollgetankt 252 Kilogramm schwere Big Bike nicht von allein in die Ecken, überzeugt aber mit einem erfreulich direkten und zielsicheren Lenkverhalten. Einzig im Topspeedbereich ist eine leichte Pendelneigung zu spüren.
Gabel und Federbeine sind voll einstellbar und machen ihre Sache ebenfalls recht gut, vorausgesetzt, die Federbasis der hinteren Dämpfer stehen im Solobetrieb auf der weichsten Stufe, und die Rädchen der Zug- und Druckstufendämpfung werden auf Stellung drei gedreht. In der serienmäßigen Abstimmung vermisst man den für den Fahrkomfort so nötigen Negativfederweg, was auf schlechtem Untergrund zu unnötiger Hopelei der Heckpartie führt. Nach dem kleinen Eingriff wird die Kawa mit solcherlei Unbillen spielend fertig, gefällt durch eine sportlich-straffe Abstimmung und ein sensibles Ansprechverhalten. Dass dabei noch für genügend Federreserven bei reichlich Zuladung gesorgt wurde, ist sicher kein Zufall. Schließlich will man mit der ZRX 1200 S in Zukunft verstärkt um die Gunst der tourenden Motorradfahrer buhlen.
Diese werden sich kaum daran stören, dass zumindest das Testexemplar in Sachen Bremsen nicht mit dem extrem bissigen Ansprechen früherer Kawasaki-Modelle aufwarten kann. Im ersten Moment eher verhalten zur Sache gehend, lassen die beiden 310 Millimeter großen Scheiben im Vorderrad bei beherztem Zupacken aber keinen Zweifel an ihrer Leistungsfähigkeit aufkommen. Die hintere Scheibe verzögert eher unauffällig mit, sofern nicht allzu früh und zu brutal heruntergeschaltet und dadurch lästiges Bremsstempeln ausgelöst wird.
Trotz vielerlei Kleinigkeiten, die das Touren angenehmer machen sollen – Benzinuhr im neuen Cockpit, Gepäckhaken an den Haltebügeln, ausgezeichneter Windschutz, superheller Scheinwerfer oder die auch auf Dauer bequeme Sitzbank –, so richtig ernst können es die Japaner nicht gemeint haben. Bei Autobahntempo 180, dank gutem Windschutz kein Problem, muss nach spätestens 160 Kilometern auf Reserve geschaltet werden. Für ein Drehzahlniveau von nur knapp über 6000/min ist die ZRX offensichtlich recht durstig zu sein. In Kombination mit dem 19-Liter-Tank ein echtes Manko. In Anbetracht dessen erscheinen U-Kat und Sekundärluftsystem zur Abgasreinigung nur noch halb so lobenswert.
Mit deutlich geringerem Aufwand als bei der ZRX-Modellreihe hat Kawasaki auch seinen kleinsten Vierzylinder fitt für die Tour gemacht. Die ZR-7 wird ebenfalls als S-Modell mit einer rahmenfesten Halbverkleidung bei den Kawasaki-Händlern im Schaufenster stehen. Obwohl von der Konkurrenz seit Jahren bekannt, erstaunt es doch immer wieder, wie sehr so eine kleine Verkleidung den Fahrkomfort vor allem auf längeren Strecken verbessert. Zwar wird der Fahrer- als auch Beifahrerhelm in aufrechter, bequemer Sitzposition nach wie vor ordentlich vom Wind geschüttelt, doch der Druck bei höheren Geschwindigkeiten auf dem Oberkörper entfällt nahezu ganz. Und wenn es wirklich mal gilt, ganz geschwind über die Autobahn zu huschen, bietet die kleine Scheibe genügend Platz, sich gänzlich hinter ihr abzuducken.
Mit seinen 76 PS ist der luftgekühlte Zweiventiler freilich weniger für stürmische Abenteuer auf der Autobahn gedacht, sondern vielmehr als Spielgefährte auf verwinkelten Landstraßen. Hier lässt sich die ZR-7 S auch gerne mal bis an den Rand ihrer Drehzahlreserven treiben. Wer es nicht ganz so eilig hat, kann auf solche Drehzahlorgien verzichten, muss sich dann aber mangels Drehmoment mit einem nur mäßig temperamentvollen Antritt begnügen.
Abgesehen von diesem leichten Mangel an Drehmoment würde man sich auf einem deutlich größeren Motorrad wähnen. Denn die ZR-7 S bietet selbst großgewachsenen Menschen ein auf Dauer bequemes Plätzchen und vermittelt aufgrund ihres hohen Gewichtes auch ein ausgesprochen erwachsenes, sattes Fahrgefühl. Mit vollgetankt 235 Kilogram gerade mal 17 leichter als die ZRX 1200 S, verlangt sie beim Schräglagenwechsel nach einem aktiven Fahrstil. Zwar geraten die Bögen aufgrund der etwas weicheren Fahrwerksabstimmung nicht immer ganz so rund wie mit der ZRX, für ein Motorrad der unteren Preisklasse hat die Siebener allerdings recht ordentliche Manieren. Leider auch ordentlichen Durst. Geht es mit entsprechend Drehzahl voran, laufen bis zu zehn Liter Benzin durch die vier 32er-Keihin-Vergaser. Nur gut, dass satte 22 Liter mit an Bord genommen werden können, damit die kleine Kawasaki nicht nur als Kurzstrecken-Feger taugt.
Ähnlichkeiten gibt’s bei den beiden Sporttouren nicht nur in Sachen Trinkverhalten, sondern auch bei den Bremsen. Nur dass die ZR-7 S nach einem eher verhaltenen Zupacken nicht mehr allzu viel zuzulegen vermag. Es erfordert schon eine starke Hand, um den Vorderradreifen nur ansatzweise an seine Haftgrenzen zu zwingen. Diese Charakteristik hat jedoch ebenso ihre guten Seiten und schützt vor allem weniger geübte Fahrer bei Schreckbremsungen vor ungewolltem Blockieren. ZR-7 S und die großen 1200er-Modelle ebenfalls werden von Kawasaki auch als 34-PS-Version angeboten. Für den ersten Abschnitt des Motorradlebens.

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