Eine Million Jahre vor Christi Geburt, am 9. Oktober nachmittags: Räder drehen sich, Staub steigt empor, Flammen schlagen aus dem offenen, gekürzten Auspuff Marke SuperTrapp – den dB-Eater hat der V2 mit den vier unten liegenden Nockenwellen und Stoßstangen wohl gleich beim Start rausgehustet … Das Anwerfen des Langhub-Motors muss man sich so vorstellen wie ein mittleres Erdbeben im Pleistozän – alles erzittert! Dieser Donnerkeil von einem Motorrad erzeugt mehr Schalldruck als eine Mammutherde. Der offene, aus Stein gehauene Ansaugtrichter schnappt nach deinen Beinen. Fred Feuerstein ist fertig für seinen Ritt. „Wilma, geh in Deckung!“
Unbedingt mit dem Gas spielen, sonst erlischt das Feuer im Herzen der Verbrennungskraftmaschine schneller als eine Fackel im Neandertal. „Der offene Trichter und der vorsintflutliche Vergaser sind nicht leicht abzustimmen“, brüllt mir Chris Zernia zu. Er beließ den prähistorischen V2 serienmäßig. Aber drum herum erfüllte sich der gelernte Steinmetz aus der Eifel einen Traum, erschuf eine „fahrende Skulptur“. Und zwar, wie sich das für einen Bildhauer gehört, aus echtem Vulkangestein, Mendiger Basalt. „Der ist so schön feinporig“, schwärmt Chris, „wiegt leichte 1,5 Tonnen pro Kubikmeter.“ Aus einem einzigen, riesigen Block kreierte der 49-Jährige ein Unikum.
Obacht, gebremst wird nur hinten!
Tankblende und Sitzbank, Lampenmaske und Höcker, Griffe und Fußrasten, Seitendeckel und Blenden an den Scheibenrädern, Typ „wheels of the stoneage“, alles ist hier steinern. Nix grober Klotz, hier steckt jede Menge Feinarbeit drin. Gebaut aus Ideen, erschaffen aus Leidenschaft. Vom ersten bis zum letzten Schritt: Chris hat den Fels selber gebrochen, „original so wie früher die Bergleute“. Und danach geschnitten, gesägt und mit Pressluft-Meißel Ur-Formen moduliert, geflext, graviert und geschliffen – „alles was im Natursteinbereich möglich ist“. Mit Schablonen aus Pappe. Für eine Ode an das Rad, ans Motor-Rad, das immer noch munter vor sich hin sprotzelt.
Er feuert und donnert, der V2. Der erste Gang von gerade mal vieren liegt drin, die Kupplung kommt. Eine Rüttelplatte im Straßenbau kann nicht schlimmer schütteln und vibrieren als diese Wuchtbrumme. Im Backenzahn P 15 wackelt meine Plombe verdächtig. Dabei hatte Chris noch freudig gesagt, dass der 1100er von 1987 der erste Sportster-Motor des neuen Evo-Typs war. Wer braucht schon Ausgleichswellen? Hier ist alles roh, erdig, echt. Brachial statt Bling-Bling. Gefühlt geht es brutal vorwärts. Aber auf Vulkan-Staub nicht über den zweiten Gang hinaus. „Silicone Plus“-Kabel und Accel-Zündanlage aus den USA sorgen dafür, dass die zündenden Funken in den beiden hohen Höhlen von Zylindern niemals erlöschen. Rasch rauscht die Felswand heran. Obacht: Der Bremshebel bedient nur eine Hinterradbremse. Vorn verzögert nix. Alles archaisch.
Die "Rohling Stone" wiegt 260 Kilo
Firestone-Reifen waren von Anfang an gesetzt, was sonst? „Deluxe Champion“ heißen sie pathetisch, tragen cooles Zickzack-Profil. Ballonreifen sind das, fünf Zoll hoch wie breit, identisch groß vorn und hinten. Leicht lässt sich die urzeitliche Harley rangieren. 260 Kilogramm wiegt sie bloß, wir haben’s nachgemessen. Kaum zu glauben. Sieht schwerer aus, massiver. Das Geheimnis? Diverse Teile bestehen aus Aluminium, die Schwinge etwa und der Öltank der Trockensumpfschmierung. Der winzige Benzintank unter der Basaltblende fasst nur 2,3 Liter. „Das bisschen Sprit saugt der V2 durch wie nichts.“

„Ride the Rock!“ Dieses Motto hat Chris in seinen passenden Helm aus Basaltlava gemeißelt. „In dieser vulkanischen Region waren alle von der Idee total begeistert.“ Zum Schweißen des Tanks half ihm die Schlosserei Schmitt aus Plaidt, ließ ihn ihre Werkstatt benutzen. Zweiradmechaniker, Rennfahrer, alle vermeintlichen Experten aber hatten bloß abgewunken. Zu schwierig, zu schwer. „Dieses Rotz-Bike macht mich daher stolz, allen Unkenrufen zum Trotz.“ Aus, vorbei, Sprit ist alle. Wieder runter von der „abgesteppten“, steinharten Sitzbank, den schmalen, hohen Pull Back-Lenker aus der Hand gelegt. Die längste Strecke, die der wilde V2 jemals am Stück zurücklegte? Chris überlegt. „Hm, 500, 600 Meter vielleicht.“
Nun, der 49-Jährige fuhr auch schon Langstrecken. Auf seinen anderen Maschinen, der Kawasaki Vulcan (!) 1500 etwa. Viele Monate baute Chris an der Harley. Sein Erstlingswerk war aber eine Honda CX 500 in ähnlicher Machart. Die steinerne Güllepumpe steht als Dauerleihgabe im Technikmuseum Sinsheim in der Ausstellung „Crazy Wheels“. Nach der „Rohling Stone“ versteinerte Chris eine Honda CBX 750 F. Sein nächstes Projekt wird wieder eine Honda, eine VF 1000 F II von 1987, „komplett mit TÜV“. Steinramme soll der potente V4 heißen.
330.000 Jahre alter Basalt
Chris kennt die Fragen, wenn er seine Motorräder auf Messen wie der Swiss Custom oder der Custombike präsentiert: „Ist das Beton? Oder bemaltes Styropor?“ „Nein, 330.000 Jahre alter Basalt!“ Seine Machwerke sind zu begreifen, aber nicht zu fassen. Chris hat noch einen Traum: Mit seinem Basalt-Bike in Bonneville über den berühmtesten Salzsee der Erde bollern: Weltrekord fürs schnellste Steinmotorrad ... Bis die Harley auf der INTERMOT 2018 in Köln ausgestellt wird, will Chris ihr noch einen Beiwagen meißeln.

Der Erbauer: Motorräder werden gemeinhin geschweißt und gedengelt, gebohrt, geschmiedet und gedreht. Nicht so bei Chris Zernia aus Plaidt: Bereits mit 13 Jahren, als Schüler, wollte er Steinmetz werden. Mit 15 folgte die Lehre. Heute ist er 49, hat in seinem Leben zig Tonnen von Gestein bewegt, gehauen und ausgemeißelt, um daraus Skulpturen und Auftragsarbeiten zu schaffen. Später kombinierte Chris sein Geschick und sein Gewerk mit seiner Passion, den Motorrädern. Schrauben an Zweirädern brachte sich der freischaffende Künstler selber bei. „Ich baue Dinge gern mal auseinander, nur um zu schauen, was drin ist.“
Motorrad aus Stein kostet 11.111,11 Euro
Techische Daten: Luftgekühlter Evo-Sportster-Zweizylinder-Viertakt-45-Grad-V-Motor, vier unten liegende, kettengetriebene Nockenwellen, Ventiltrieb via Stoßstangen, je zwei Ventile, Vergaser, Vierganggetriebe, Bohrung x Hub 85,1 x 96,8 mm, Hubraum 1101 cm³, 40 kW (55 PS) bei 6.000/min, 85 Nm bei 4.000/min, Verdichtung 9,0:1, Kettenantrieb, Doppelschleifenrahmen aus Stahl, hydraulisch gedämpfte Telegabel, Zweiarmschwinge, zwei direkt angelenkte Federbeine, Reifen: 5,00-16 (vorn und hinten), eine Scheibenbremse am Hinterrad, Sitzhöhe 740 mm, Lenkerbreite 625 mm, Radstand 1,56 Meter, Tankinhalt 2,3 Liter, Gewicht vollgetankt 260 kg.
Preis: 11.111,11 Euro. Kontakt: stoneonwheels@web.de
INTERMOT Customized zündet nächste Stufe
Die INTERMOT customized hat vor zwei Jahren die Szene durchaus beeindruckt. Klar, dass der Gasgriff jetzt noch weiter aufgerissen wird, frei nach dem Motto „noch größer, noch fetter, noch besser“!

Arrivierte Umbauer und Newcomer zeigen in der Halle 10, was sie können: Customizing vom Feinsten. Dazu gibt es natürlich die entsprechenden Klamotten, Teile, Livemusik. Außerdem im Programm: ein Wettbewerb für die beste Umbauidee unter dem Motto „Schrott wird flott“, die Stars der Szene wie beispielsweise die Sultans of Sprint, die Glemseck-Truppe, Sprintrennen, die AMD World Championship of Custom Bike Building und, und, und ... In Köln am Start ist auch das zweite INTERMOT-Bike, die von Marcus Walz umgebaute Yamaha XV 950 R Dragger. Und wem das alles noch nicht reicht, der kann sich ja noch die (Serien-)Bikes in den Hallen 6, 7, 8 und 9 der INTERMOT anschauen. Als Inspirationsquelle. Kleiner Tipp: Zeit mitbringen!