Voxan, das hört sich ja schon ein bißchen nach Zahnpasta an. Oder nach einem aggressiven Scheuermittel. Tatsächlich steckt eine blutjunge, französische Motorradmarke dahinter. Ihr erstes Serien-Projekt: ein Zweizylinder mit Tiefenwirkung.
Voxan, das hört sich ja schon ein bißchen nach Zahnpasta an. Oder nach einem aggressiven Scheuermittel. Tatsächlich steckt eine blutjunge, französische Motorradmarke dahinter. Ihr erstes Serien-Projekt: ein Zweizylinder mit Tiefenwirkung.
Nach diversen Vorstellungen, Technik-Reportagen und Fahrberichten folgt jetzt der wichtigste Schritt Richtung Voxan: der erste Test. Ohne jegliches Pardon. Denn mit Beginn der Serienproduktion ist die Schonfrist für die französische Motorradmarke abgelaufen.
Ein kurzer Rückblick für jene, die bis dato dachten, Voxan sei ein mörderisches Zahnweiß oder so: Im Dezember 1995 wirft der motorradbesessene Industrielle Jacques Gardette die letzten Zweifel an seinem Vorhaben über Bord und gründet in Issoire eine nagelneue Zweiradmanufaktur. Ihr Name: Voxan. Gardettes Traum: ein durch und durch französisches Bike. Extravagant, stark, zweizylindrig. 18 Monate später steht der erste Prototyp. Allerdings gibts Probleme mit der Haltbarkeit des Triebwerks. Im Herbst 1998 schließlich läuft der V2 beschwerdefrei. Man lädt zur Jungfernfahrt mit der V 1000 Roadster ein. Tenor des Fahrberichts in MOTORRAD 22/1998: »très bien für den Anfang.« Die Frage war nur: Können die Franzosen den hohen Vorserienstandard halten?
Sie konnten. Weitgehend zumindest. An Ausdruckskraft hat die Roadster nichts eingebüßt. Wie beim ersten Rendezvous besticht sie durch ihre ungewöhnliche Formensprache. Auf der Strecke blieben jedoch ein paar gute Manieren. Im Gegensatz zu den Vorserientriebwerken outet sich der 72-Grad-V-Twin nach seiner Vervielfältigung als ziemlich ruppiger Geselle. Laut poltert er durch den Drehzahlkeller, und die Kette peitscht wüst gegen die Gleitschiene der Schwinge. Hat sich die Lage im Untergeschoß beruhigt, bemerkt man die Vibrationen auf höherer Ebene, bei denen sich jeder Blick in die Rückspiegel erübrigt.
103 PS liefert der Einspritz-Motor auf dem Leistungsprüfstand ab. Für die deutsche Version, die Ende nächsten Jahres in Serie gehen soll, sind sogar 120 PS vorgesehen. Da sagt man freilich nicht nein, obwohls eigentlich nicht nötig ist. Denn bereits in der getesteten Frankreich-Ausführung verzeichnet die kurz übersetzte Roadster keinen Mangel an Temperament. Sobald bei 2500 Umdrehungen der Rundlauf einsetzt, stehen die Zeichen auf Sturm. Bis 7500 Touren gehts mächtig voran, dann macht sich die Drosselung bemerkbar, und die Leistungskurve verharrt bei 103 PS.
Die Beschleunigung von 0 auf 200 km/h liegt mit 11,4 Sekunden auf sehr hohem Niveau, die Spitzengeschwindigkeit mit 230 km/h jenseits der Schmerzgrenze. Denn der Mini-Windschutz ist ab Tacho 180 komplett überfordert. Das Fahrwerk hingegen zeigt sich hohen Tempi bestens gewachsen: Stabil und zielgenau schneidet die V 1000 scharf wie ein Skalpell durch die Landschaft. Auf gut ausgebauten Straßen ist sie voll in ihrem Element. Je höher der Speed, desto besser fühlt sich die Sache an. Was nicht zuletzt an der aggressiven Sitzposition liegt: Beine stark angewinkelt, Oberkörper ziemlich vornübergebeugt. Gemütlichkeit stellt sich da keine ein.
Überhaupt wirkt die Voxan wie ein gestrippter Supersportler: kompakt, straff, handlich, leicht. 205 Kilogramm mit vollem 18,5-Liter-Tank gehen in Ordnung. Die tiefe Schwerpunktlage ebenfalls. Schnelle Schräglagenwechsel gehören zu den einfachsten Übungen der Roadster. Komplizierter wirds im Kurvenwirrwarr holpriger Landstraßen. Während das liegend montierte Federbein kleine und größere Bodenunebenheiten klaglos wegsteckt, leitet die überdämpfte Vorderradführung Unruhen ins Fahrwerk ein, die das souveräne Feeling am Lenker vermasseln. Hier hat Voxan wohl ein wenig zu heftig auf die Kritik an der etwas zu weich geratenen Abstimmung der Vorserien-Gabel reagiert.
Gar keine guten Gefühle stellen sich auf dem Roadster-Rücksitz ein: die Fußrasten zu hoch, das Polster zu schmal, die Haltegriffe zu tief. Und die größte Panne da parken die Stiefelabsätze des Hinterbänklers doch tatsächlich auf den Schalldämpfern. Dumm gelaufen. Wie manch anderes. Zum Beispiel die Sache mit den Instrumenten, die teilweise von den Lenkerstummeln verdeckt werden. Oder das Gewürge mit dem Tankdeckel: eine Klappe, drunter ein Schraubverschluß so etwas trägt man heute nicht mehr. Ungewöhnlich billig für ein Motorrad, das umgerechnet 25000 Mark kostet, wirken Lackierung, Lenkergriffe, Hebeleien und das Finish der oberen Gabelbrücke.
Fast zu viel des Guten liefert hingegen die vordere Bremsanlage. Für den ganz normalen Alltagsbetrieb beißen die Brembo-Vierkolbensättel schon extrem giftig in die mächtigen 320er Scheiben. Feurig auch das Naturell des Tachometers, der locker 20 km/h vorgeht.
Keine Frage: Es gibt noch einiges zu tun für Voxan. Und das wissen die Leute in Issoire. Die ersten Änderungen sind bereits in Arbeit. Wir bleiben dran.
HintergründeVoxan hat bislang 80 Roadster gebaut, die ausschließlich als Vorführmaschinen an das französische Händlernetz gingen. Unsere Schwester-Zeitschrift Moto Journal, respektive Laurent Cochet, konnte eines dieser Modelle testen. Aus Aktualitätsgründen haben wir den Test übernommen. Und zwar guten Gewissens, denn die Kollegen in Frankreich arbeiten nach den gleichen Methoden wie MOTORRAD: mit Tellert-Meßapparaturen, Rollenprüfstand, Netz und doppeltem Boden.
»Für ein Motorrad, das 25000 Mark kostet, ist die Roadster zu schlecht«, schreibt Laurent Cochet in seinem Test. Trotzdem mag er die V 1000. Weil sie anders ist. Kein Abziehbild, sondern ein Original. Der Motor macht mächtig Dampf, im unteren Drehzahlbereich allerdings auch Mucken. Zudem vibriert der Vierventiler grauenhaft. Kupplung und Getriebe sind okay. Das Fahrwerk ebenfalls, von der überdämpften Gabel mal abgesehen. Woran Voxan dringend arbeiten muß, sind fragwürdige Detaillösungen.