Kawasaki ZR-7S da haben die MOTORRAD-Redakteure nicht gerade den Top-Test-Knaller erwartet. Doch je länger das Miteinander dauerte, desto mehr lernten sich Tester und Motorrad schätzen.
Kawasaki ZR-7S da haben die MOTORRAD-Redakteure nicht gerade den Top-Test-Knaller erwartet. Doch je länger das Miteinander dauerte, desto mehr lernten sich Tester und Motorrad schätzen.
Sattgrün finden Motorradfahrer in diesen Tagen die Schwäbische Alb vor sich hingebreitet. Ihre weiten
Wiesenflächen und Wälder zeigen sich
in frühsommerlicher Fülle; warum diese Landschaft »die raue Alb« genannt wird, mag bei solch einem Anblick niemand verstehen. Erst recht nicht, wenn sich
am Horizont ein paar dunkelblaue Quellwolken zusammenballen, vor denen seitlich einfallendes Sonnenlicht die grüne Üppigkeit fast zum Überlaufen bringt. Ein Anblick, der einen förmlich einsaugt.
Wie bitte, hineinfahren in den Regen, vielleicht sogar in ein Gewitter? Auf
nassen Straßen rollen, die Bitumenfleckenvermeidungslinie suchen und doch nicht finden? Locker bleiben, das geht schon. Wer konzentriert, doch unverkrampft den Lenker führt, merkt schnell: Ein Regenguss vermindert nicht die Lust am Motorradfahren. Es gehört zu den Qualitäten der Kawasaki ZR-7S, diese
Erkenntnis nach Kräften zu fördern. Weil sie gutmütig und gut ausbalanciert dahinzugleiten vermag und ihrem Fahrer vom ersten Moment an Vertrauen einflößt, das bestehen bleibt, auch wenn sich die eine oder andere Schwäche offenbart.
Einen wichtigen Anteil an diesem Grundvertrauen tragen die Serienreifen vom Typ Bridgestone BT 020, die für
rasches »Anspringen«, guten Trocken- und Nassgrip wie auch für angeneh-
me Handlingeigenschaften bekannt sind. Im Zusammenspiel mit der Kawasaki
beweisen sie nachdrücklich, dass sich auch bei preisgünstigen Motorrädern eine hochwertige Erstbereifung lohnt Und bei solchen, die schon lange unverändert
gebaut werden, ein Reifen-Upgrade zur rechten Zeit kleine Fahrwerks-Wunder bewirken kann.
Hauptverantwortlich für gute Fahreigenschaften ist letztlich aber stets das Fahrwerk selbst, das bei der Kawasaki eine eher ungewöhnliche Geometrie besitzt. Sie kombiniert einen relativ flachen Lenkkopf, der Winkel ist 64,5 Grad, mit
einem kurzen Nachlauf von 93 Millimetern. Das ist deshalb bemerkenswert, weil die Konkurrenz der ZR-7S, die Suzuki GSX 750 oder die moderne Yamaha
FZS 600 Fazer, mit Werten operiert, die
eindeutig entweder die Stabilität oder
die Handlichkeit fördern. Also finden sich flacher Lenkkopf und langer Nachlauf
bei der Suzuki, steiler und ultrakurzer bei der Yamaha.
Doch auch die Mischgeometrie der Kawasaki funktioniert prächtig, zumal
die sich nicht nur perfekt ausbalanciert
anfühlt, sondern es tatsächlich ist. Je
117 Kilogramm vorn und hinten bei
einem langen Radstand von 1455 Mill-
metern bringen kein fulminantes Handling,
garantieren aber Neutralität und Stabili-
tät in allen Situationen. So sind selbst
bei Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn nur minimale, rasch abklingende Rührbewegungen am Lenker als Reaktion
auf Bodenwellen zu beobachten. Heftiges Beschleunigen auf welligen Straßen provozierte bei mehreren Versuchen nur ein einziges, kurzes Zucken in der Lenkung, und noch bei voller Verzögerung blieb
die Kawa sauber in der Spur. Shimmy? Kein Befund. Mit Sozius hintendrauf
absolvierte die ZR-7S das Programm mit der gleichen Verlässlichkeit.
Überraschend effizient funktionierten dabei die Federelemente, die objektiv unterdämpft sind, was jedoch subjektiv kaum stört. Erst der direkte Vergleich
mit der Referenzmaschine brachte es
den Testern ins Bewusstsein, dass trotz ganz geschlossener Zugstufendämpfung am Federbein die Hinterhand beim
Beschleunigen in Schräglage leichte Pumpbewegungen vollführt. Die Gabel könnte ebenfalls straffer arbeiten, wie sich besonders im schnellen Slalom des Top-Test-Parcours gezeigt hat. Immerhin scheint sie zu wissen, wann es drauf
ankommt. Denn beim harten Bremsen verstärkt sich ihr Widerstand gegen das Einfedern. Man kann am Lenkkopf vorbei gut sehen, wie ausgeprägte Bodenwellen noch sauber abgearbeitet werden, während der Vorderreifen unter der Verzögerung schon quiekt wie ein Ferkelchen. Resultat eines optimal bemessenen
Luftpolsters in der Gabel, das für die
nötige Progression zur Unterstützung der Federn sorgt. Apropos Bremsen. Weil
die vordere Anlage mit den beiden Doppelkolben-Schwimmsätteln deutlich unter dem sonst von Kawasaki gewohnten
Niveau bleibt, auch unter dem, das
andere Motorräder mit solchen Konstruktionen erreichen, empfiehlt es sich, mit der gut dosierbaren hinteren Bremse
kräftig mitzuverzögern. Ist zwar nicht mehr modern, aber hilfreich.
Ein Manko hat die ZR-7S, das die Freude am Kurvenfahren etwas trübt.
Die Ursache dafür ist jedoch nicht beim Fahrwerk, sondern beim Motor zu suchen.
Genauer in der Abstimmung der Vergaser. Offenbar wurde die Viererbatterie von Keihin für den mittleren Drehzahlbereich sehr mager abgestimmt. Und
das gleich noch mit Düsennadeln ohne Kerben, die nicht zum Anfetten mal
eben eine Stufe höher gehängt werden können. Die Folge ist ein verzögertes Ansprechen des Motors beim Gasanlegen
in der Kurve, besonders wenn die Drosselklappen vorher für mehrere Sekunden geschlossen blieben. Zum Beispiel bei der Einfahrt in eine weit gezogene Bergabkurve. Da bleibt dem braven luftgekühlten Zweiventil-750er bisweilen so lange die Spucke weg, dass der Fahrer am Lenker energisch korrigieren muss, um nicht nach innen zu kippen. Dieses Verhalten ist keine Eigenart der Testmaschine, weil es auch die 34-PS-Variante zeigt, welche gleich abgestimmt ist und nur über Druckausgleichsbohrungen in den Schiebern gedrosselt wurde (siehe Seite 35).
In allen weiteren Belangen setzt der Vierzylinder-Motor fort, was das Fahrwerk als wichtigstes Thema aufgebracht hat. Er agiert gleichmäßig, dank Gummilagerung relativ laufruhig und willig, schreibt fast linear verlaufende Leistungs- und Drehmomentkurven ins Diagramm. Wer eine sportlich-explosive Charakteristik oder die alles dahinreißende Drehmomentflut bei niedrigen Drehzahlen wünscht, wird die Leistungsabgabe eher lau finden. Spott darüber ist dennoch nicht angebracht; eine beherzt bewegte ZR-7S will auf der Landstraße erst einmal eingefangen sein. Voraussetzung für den flinken Sprint von Kurve zu Kurve ist
freilich fleißiges Schalten im Durchzug wird die 750er-Kawa von jeder modernen 600er versenkt. Und die Arbeit im altehrwürdigen Fünfganggetriebe wird wie nannte es Redakteurskollege Mathias Schröter beim Top-Test der Kawasaki Z 1000? »harzig«. Weil sich Gangwechsel anfühlen, als sei die Getriebeölfüllung
tatsächlich von harzzäher Konsistenz, der Fuß stets mit Kraft die Gänge einziehen oder -treten muss.
Nicht nur deshalb empfindet man gelegentliche, schaltfaule Autobahnetappen als durchaus angenehm. Einerseits, weil es sich bequem sitzt auf der ZR-7S und die rahmenfeste Halbschale ordentlich vor dem Fahrtwind beschirmt, indem
sie den Oberkörper bis zum Kragen vom Winddruck entlastet, den Kopfbereich
wenigstens von Turbulenzen verschont. Andererseits erfreut sich der Kawa-Pilot dank des 22-Liter-Tanks einer beträchtlichen Reichweite. Satte 440 Kilometer bei Landstraßentempo, bei konstant 130 km/h immer noch 360. Genug, um Hase und Igel zu spielen mit schnelleren Bikes, die öfter tanken müssen. Wer mit Sozius fährt, wird die Reichweite jedoch kaum in einem Rutsch ausschöpfen. Dafür liegen die hinteren Fußrasten etwas zu hoch, was den Komfort auf Dauer schmälert.
Eine Betrachtung der Kawasaki
ZR-7S wäre nicht komplett ohne einen Hinweis auf zwei weitere ihrer Tugenden: die gute Verarbeitungsqualität und die sympathische Einfachheit ihres Aufbaus. Ersteres klingt vielleicht überraschend, weil sie außer der Edelstahl-Auspuffanlage keine edlen Teile trägt. Doch das, was sich an nicht Besonderem an ihr
findet, ist mit einer Sorgfalt geschweißt, gebürstet, lackiert, die in dieser Preisklasse nicht mehr üblich ist. Zum Zweiten
erweist sich die ZR-7S als ein Motorrad, das eigentlich nur zur Erhaltung der Zwei-Jahres-Garantie in die Werkstatt muss. Denn weit mehr als das, was für die 1000-Punkte-Wertung verlangt wird, kann ein halbwegs geübter Schrauber selber machen. Kerzenwechsel dauert keine fünf Minuten, das Abnehmen von Sitzbank, Tank und Seitenteilen kaum länger, dann liegen schon der Luftfilterkasten,
die Vergaser sowie nach Abnehmen
des Ansaugschnorchels die Batterie frei. Wäre das Bordwerkzeug nicht nur reichhaltig, sondern auch hochwertig, könnte man ohne weiteres und ohne Übertreibung eine mittelgroße Inspektion am Straßenrand erledigen. Natürlich nicht im Mairegen auf der Schwäbischen Alb.
Kawasaki ZR-7S diese Modellbezeichnung steht nicht für faszinationstrunkenes Taumeln von einem fahrerischen oder technischen Höhepunkt zum nächsten. Aber für die stille Freude an einem grundehrlichen, grundsoliden, günstigen und vielseitig begabten Motorrad. Dessen Fahrdynamik, besonders auf kurvenreichen Landstraßen, niemand unterschätzen sollte.
Der kleine Unterschied besteht in 16 ebenso kleinen Bohrungen. GroßeWirkung: 33 PS weniger. Die Bohrungen befinden sich oben in den Gasschiebern der 34-PS-Variante. Sie sorgen dafür, dass der Unterdruck, der über Membranen die Schieber nach oben zieht, ab einer bestimmten Höhe ausgeglichen wird. Die Schieber können also nie den gesamten Ansaugquerschnitt freigeben, der Motor nicht auf 71 PS kommen.Bis zu diesem Punkt des Druckausgleichs jedoch und das ist ein großer Vorteil dieser Drosselmethode arbeitet der 750er-Vierzylinder als wäre er offen. Zügiges Beschleunigen aus niedrigem Tempo ist also garantiert, selbst auf engen, kurvigen Straßen fällt die ge-ringere Leistung kaum auf. Erst wenn es länger geradeaus geht, beginnt man die fehlende Leistung zu vermissen. Weil das maximale Drehmoment mit der Drosselung recht früh erreicht wird, braucht der Motor nicht höher als 7000/min auf dem Drehzahlmesser gedreht zu werden tatsächlich sind das dann immer ein paar Umdrehungen weniger. Dann hat der nächste Gang sauberen Anschluss.Was das Fahrwerk der Kawasaki ZR-7S zu bieten hat, dürfte Einsteigern viel Spaß bringen. Dank der mustergültigen Neutralität über den gesamten nutzbaren Schräglagenbereich fällt es auch bei schwierigen Verhältnissen leicht, Vertrauen zu ihr zu fassen. Zart gebaute Fahrerinnen und Fahrer sollten sich allerdings darüber im Klaren sein, dass sie sich mit einem 234 Kilogramm schweren Brocken und 810 Millimeter Sitzhöhe einlassen. Keine zwingenden Gründe, die Kawa nicht zu wählen, aber besser, man weiß es vorher und kann dann eventuell die als Zubehör erhältliche niedrigere Sitzbank kaufen.
MOTORRAD erklärt die einzelnen Kriterien der 1000-Punkte-Wertung (Teil 17).
Die meisten Fahrer lassen Inspektionen in der Werkstatt erledigen. Bleiben also die kleinen Wartungstätig-keiten zwischendurch, etwa das regelmäßige Fetten der Kette oder die Kontrolle von Öl und Luft. Genau diese drei Service-Punkte fallen unter das Kriterium Wartungsfreundlichkeit. Kardanmaschinen ersparen einem Arbeit und erhalten als Lohn fünf Bonuspunkte. Auch ein Zahnriemen braucht keine Schmierung, was ihm drei Pluspunkte bringt. Motorräder mit Kettenantrieb bekommen einen Punkt, wenn sich die Kette schnell und exakt einstellen lässt. Die Ölkontrolle wird mit maximal drei Punkten belohnt, falls der Ölstand einfach an einem Schauglas abzulesen ist und sich der Schmierstoff ohne Werkzeug und Verkleidungsdemontage durch eine ausreichend große, gut zugängliche Öffnung nachfüllen lässt. Für ein einfaches Prüfen des Reifenluftdrucks werden zwei Punkte vergeben. Sind beide Ventile mit den üblichen Tankstellengeräten schlecht erreichbar, gibt es keinen Punkt. Im optimalen Fall kann eine Kardanmaschine also zehn Punkte sammeln, ein Motorrad mit Zahnriemen acht und ein kettengetriebenes sechs Punkte. Von diesen sechs Punkten ergattert die Kawasaki ZR-7S immerhin fünf. Bei ihr lässt sich die Kette gut justieren, der Ölstand dank Schauglas leicht kontrollieren, nur die Reifenventile könnten etwas besser zugänglich sein.