Sie glänzen nicht im Rampenlicht und protzen nicht mit Superlativen. Und doch fehlt nicht viel. Sie belegen hinter der BMW R 1200 GS Platz zwei und drei in der Zulassungsstatistik: die Honda CBF 600- und die Kawasaki ER-6-Modelle.
Sie glänzen nicht im Rampenlicht und protzen nicht mit Superlativen. Und doch fehlt nicht viel. Sie belegen hinter der BMW R 1200 GS Platz zwei und drei in der Zulassungsstatistik: die Honda CBF 600- und die Kawasaki ER-6-Modelle.
Erfolg macht selbstbewusst. Und davon hatten die Honda CBF 600 und die Kawasaki ER-6 in diesem Jahr reichlich. Mit knapp 2500 respektive 2400 (Stand Ende Oktober) zugelassenen Maschinen holten sie Platz zwei und drei in der Verkaufshitliste. Nur dem Dauer-Kassenschlager, der BMW R 1200 GS (4000 verkaufte Einheiten) mussten sie sich geschlagen geben.
Das Zauberwort des Erfolgs: Preis-Leistungs-Verhältnis - so sperrig und nüchtern es auch klingen mag. Für etwas mehr als 7000 Euro gibt es schließlich viel Motorrad. Das bestätigt sich schon beim ersten Probesitzen. Vor allem die Honda wirkt ausgewachsen, im Vergleich zur Kawasaki fast schon ein wenig massig.
Knapp 20 Kilogramm trennen die beiden. Und ein völlig unterschiedliches Raumgefühl. Großzügig bringt die CBF Fahrer und Beifahrer unter. Offener Kniewinkel, ausreichend Distanz zum Lenker und eine breite, für den Fahrer sogar höhenverstellbare Sitzbank vermitteln Tourencharakter. Gedrungener präsentiert sich das Platzangebot auf der ER-6f. Die schmale Sitzbank, der näher an den Fahrer reichende Lenker und der enge Kniewinkel schlagen ab dem ersten Moment vor: Ich könnte auch ein Funbike sein.
Diese Positionierung kommt auch bei den Kunden an. „Die CBF 600 interessiert vor allem Wiedereinsteiger und Frauen, erläutert Wolfgang Harbusch, Geschäftsführer beim Honda-Händler Wellbrock in Lilienthal. "Die 600er nimmt ihnen die Angst, die sie zu diesem Zeitpunkt noch vor einer großen Maschine haben. Meist kommen diese Leute nach ein oder zwei Jahren und steigen auf die CBF 1000 um", spricht das Nordlicht aus Erfahrung.
Die weicht von den Erkenntnissen von Kawasaki-Händler Günter Hohengassner aus Traunstein deutlich ab. „Den typischen ER-6-Käufer gibt es nicht. Die Spanne reicht vom Neuling direkt aus der Fahrschule bis hin zum Rentner, weiß der Bayer. Was direkte Konsequenzen hat. Während gut drei Viertel aller CBF-Sympathisanten die kleine Honda als S-Modell, also mit Halbverkleidung ordern, wollen sich bei der Kawa mehr als die Hälfte der Besitzer auf der unverkleideten "n"-Version den Wind um die Nase wehen lassen. Vor allem jüngere Kunden wählen die nackte ER-6-Ausgabe. Der unter diesem Aspekt eigentlich logische Schritt zum Funbike bleibt aber meist aus. Von 1200 verkauften Versys im Premierenjahr 2007 stürzte der Verkauf auf weniger als 300 Stück im Jahr 2009 regelrecht ab. Die Hauptschuld dürfte an der gewöhnungsbedürftigen Optik des technisch auf der ER-6 basierenden und gerade mal 300 Euro teureren Funbikes zu suchen sein.
Am Motor liegt es auf alle Fälle nicht. Sauber spricht der Zweizylinder schon ab 3000 Umdrehungen an, schiebt ab dieser Marke fordernd voran, um sein überlegenes Drehmoment (siehe Diagramm Seite 30) bei 7000 Touren auszuspielen. Das ist der Bereich, in dem sich der Twin wohl fühlt, sich für ein flüchtiges Überholmanöver mal kurz bis über 10000 Touren hochdrehen und es kurz danach denn auch gut sein lässt. Drehmoment, das ist die Stärke des Zweizylinder-Konzepts. Die Honda ist in dieser Beziehung anders gepolt. Auch wenn - wie bei der Kawa - bereits ab 3000 Touren verwertbare Leistung anliegt, mag sie gedreht werden. Wie eine kleine Turbine schnurrt der Vierzylinder. Je höher die Drehzahl, desto wohler fühlt sich das Aggregat und zieht bei 8500/min am Kawa-Antrieb vorbei. Die sechs zusätzlichen Pferde, die nach dieser Marke noch vorgespannt werden, sind mehr als nur Leistungsreserve. Erstaunlich oft ertappt man sich dabei, die knapp 80 PS Spitzenleistung auch wirklich abzurufen.
Eine Tendenz, die sich auch in der Fahrwerksauslegung widerspiegelt. Abgesehen von besagtem großzügigerem Raumangebot gibt sich die Honda auch in der Abstimmung erwachsen. Straffe Federung, satte Dämpfung und vor allem ein neutrales Lenkverhalten sind die Zutaten für ein Vertrauen erweckendes Ensemble. Dass wie in dieser Klasse üblich sowohl Gabel als auch Monoshock nur in der Federvorspannung justiert werden können, fällt kaum ins Gewicht. Selbst im Zwei-Personen-Betrieb taugt das Setup. Zumal das Platzangebot für den Sozius weit über dem für diese Klasse erwarteten Standard liegt. Ein Niveau, an das die Kawasaki fast heranreicht, aber eben nur fast.
Die nicht einstellbare Gabel und das nur in der Federbasis justierbare Federbein machen nach der Überarbeitung für das 2009er-Modell auch mit Begleitung einen guten Job - selbst wenn sich der Sozius auf der einteiligen Sitzbank etwas dünne machen muss. Nur das indifferente Gefühl in Kurven überrascht. Dieses unpräzise Lenkverhalten kennt man von ER-6-Modellen nicht, die beispielsweise auf Dunlop Roadsmart statt dem Bridgestone BT 021 rollen.
Erbsenzählerei? Unerheblich bei Einsteiger-Bikes? Falsch. Wie tief Mittelklasse-Kunden in der Materie stecken, beweist die Statistik auf dieser Seite. Die Kundschaft reagiert auch in der 600er-Liga auf jede Modelländerung. Der Wechsel auf Alu-Rahmen, Benzineinspritzung und Combined-ABS zum Modelljahr 2008 verdoppelte mal eben die Verkaufszahlen der Honda CBF 600. Selbst die moderate Modellpflege der ER-6 schlug sich nieder. Straffere Federung, wertigere Verarbeitung und bessere Bremsen bescherten den Zulassungszahlen der Kawa in diesem Jahr ein fast 25-prozentiges Plus.
Vor diesem Hintergrund erhalten Aspekte wie Hauptständer (nur bei Honda erhältlich), Gepäcksystem (als Originalzubehör ebenfalls nur bei Honda im Programm) und natürlich ABS (bei beiden Herstellern Serienausstattung) eine ungeahnte Wichtigkeit. Genauso wie der Spritverbrauch. Mit 4,2 Litern bei moderatem Landstraßentempo unterstreichen beide Maschinen, dass das Thema Haushalten mit dem Kaufpreis noch nicht abgehakt ist. Zumal die Reichweite dadurch auf langstreckentaugliche Dimensionen ansteigt.
Je nach Fahrweise zwingt der 20-Liter-Benzinvorrat die Honda erst nach über 400 Kilometern zur Tankstelle. 100 Kilometer früher muss die Kawasaki ihren 15,5 Liter großen Tank auffüllen. Zum Thema Bremsen. Dieser Punkt geht - trotz gröber regelndem ABS - an die ER-6f. Diesseits der Vollbremsung liefert die Anlage von Zulieferer Tokico den kraftvolleren Biss und sensiblere Dosierbarkeit. Was letztlich wieder zum Charakter des Spaßmobils passt.
Und wie heißt es doch so schön? Alles eine Frage der Relationen. Worauf diese Mittelklasse-Erfolgsmodelle offensichtlich in den meisten Bereichen eine gute Antwort wussten. Denn die CBF und die ER-6f überzeugen auch abseits jeder relativierenden Preisdiskussion. Dass beide letztlich solide Technik und attraktive Fahrleistungen zu moderaten Tarifen anbieten, macht sie zu dem, was sie sind: zu den Kronprinzen des Motorradmarkts 2009.
Motor
Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 32 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 333 W, Batterie 12 V/9 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 42:16.
Bohrung x Hub 67,0 x 42,5 mm
Hubraum 599 cm3
Verdichtungsverhältnis 11,6:1
Nennleistung 57,0 kW (78 PS) bei 10500/min
Max. Drehmoment 59 Nm bei 8250/min
Fahrwerk
Zentralrohrrahmen aus Aluminium, Telegabel, Ø 41 mm, verstellbare Federbasis, Zweiarmschwinge aus Stahl, Zentralfederbein, direkt angelenkt, verstellbare Federbasis, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 296 mm, Doppelkolben-Schwimmsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 240 mm, Einkolben-Schwimmsattel, ABS.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 5.00 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 160/60 ZR 17
Bereifung im Test Michelin Pilot Road vorne "B"
Maße und Gewichte
Radstand 1490 mm, Lenkkopfwinkel 65,0 Grad, Nachlauf 110 mm, Federweg v/h 120/128 mm, Sitzhöhe* 770-790 mm, Gewicht vollgetankt* 226 kg, Zuladung* 191 kg, Tankinhalt/Reserve 20,0/4,0 Liter.
Garantie zwei Jahre
Service-Intervalle 6000 km
Farben Blau, Schwarz, Silber, Rot
Preis 6440 Euro
Preis Testmotorrad** 7340 Euro
Nebenkosten zirka 170 Euro
* MOTORRAD-Messungen
** ABS 600 Euro inkl. Hauptständer, Verkleidung 300 Euro.
Motor
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei obenliegende, zahnradgetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Gabelschlepphebel, Semi-Trockensumpfschmierung, Einspritzung, Ø 38 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 336 W, Batterie 12 V/14 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 46:15.
Bohrung x Hub 83,0 x 60,0 mm
Hubraum 649 cm3
Verdichtungsverhältnis 11,2:1
Nennleistung 53,0 kW (72 PS) bei 8500/min
Max. Drehmoment 66 Nm bei 7000/min
Fahrwerk
Gitterrohrrahmen aus Stahl, Motor mittragend, Telegabel, Ø 41 mm, Zweiarmschwinge aus Stahl, Federbein, direkt angelenkt, verstellbare Federbasis, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 300 mm, Doppelkolben-Schwimmsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 220 mm, Einkolben-Schwimmsattel, ABS.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 4.50 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 160/60 ZR 17
Bereifung im Test Bridgestone BT 021 "J"
Maße und Gewichte
Radstand 1410 mm, Lenkkopfwinkel 65,0 Grad, Nachlauf 106 mm, Federweg v/h 120/125 mm, Sitzhöhe* 800 mm, Gewicht vollgetankt* 208 kg, Zuladung* 176 kg, Tankinhalt 15,5 Liter.
Garantie zwei Jahre
Service-Intervalle 6000 km
Farben Schwarz, Grün, Blau
Preis 7095 Euro
Nebenkosten zirka 180 Euro
* MOTORRAD-Messungen
Kampf der Konzepte: Was die Vierzylinder-Honda gegenüber der Zweizylinder-Kawa unten verliert, packt sie oben wieder drauf. Eigentlich nichts Neues. Nur: Bei den drehfreudigen 600er-Bikes wirkt sich das Plus an Spitzenleistung auch im Alltagsbetrieb positiv aus. Was sich in den absoluten Fahrleistungen (Beschleunigung aus dem Stand) ohnehin widerspiegelt.
Höchstgeschwindigkeit
Herstellerangabe | km/h |
Honda | 210 |
Kawasaki | 210 |
Beschleunigung
Hersteller | 0-100 km/h | 0-140 km/h | 0-200 km/h |
Honda | 4,0 s | 7,1 s | 21,1 s |
Kawasaki | 3,9 s | 7,4 s | 23,9 s |
Durchzug
Hersteller | 60-100 km/h | 100-140 km/h | 140-180 km/h | gesamt |
Honda | 5,6 s | 5,7 s | 7,9 s | 19,2 |
Kawasaki | 4,6 s | 5,1 s | 6,4 s | 17,0 |
Kraftstoffverbrauch
Hersteller | Liter/100 km (auf der Landstraße) |
Honda | 4,2 |
Kawasaki | 4,2 |
Theoretische Reichweite
Hersteller | km (auf der Landstraße) |
Honda | 476 |
Kawasaki | 369 |
Obwohl die Honda in Sachen Spitzenleistung die Nase vorn hat, geht die Motorenwertung an die Kawa. Ihren Punktevorsprung erarbeitet sich die ER-6 vor allem mit dem - durch die kürzere Übersetzung bedingten - viel besseren Durchzug und einem quirligeren Ansprechen. In allen anderen Kriterien begegnen sich die beiden Maschinen auf gleicher Augenhöhe. Nur das präziser zu schaltende Getriebe der Honda zeigt sich dem Kawa-Pendant überlegen.
Sieger Motor: Kawasaki
In der Fahrwerkswertung dreht die Honda den Spieß um. Das Kopf-an-Kopf-Rennen in dieser Disziplin entscheidet letztlich die Differenz im Lenkverhalten. Bleibt die CBF zielgenau auf Kurs, vermittelt die ER-6 ein indifferentes Fahrgefühl. Immerhin: Ob Komfort, Rückmeldung oder Fahrwerksabstimmung - die beiden Mittelklässler halten mit manch teurerer Maschine mit. Einziges Zugeständnis an den Sparzwang bleiben die nicht einstellbaren Federelemente.
Sieger Fahrwerk: Honda
Das war nicht anders zu erwarten. Geräumige Aufenthaltsorte für Fahrer und Beifahrer und ein großer 20-Liter-Tank lassen das Pendel zu Gunsten der Honda ausschlagen. Auf der Kawa sitzen Fahrer und Sozius deutlich beengter, der Auspuff bietet keinen Raum für einen Hauptständer und die Zuladung fällt geringer aus. Dennoch: Wenn eine Motorradgattung für den Alltagseinsatz prädestiniert ist, dann die 600er-Klasse. Der Auftritt überzeugt.
Sieger Alltag: Honda
Auch in der Mittelklasse ist ABS längst angekommen. Gut so. Auch wenn die Honda-Anlage im Grenzfall feinfühliger regeln mag, bei normalem Einsatz zeigt sich die Bremse der Kawa gefühlvoller dosierbar und kraftvoller.
Sieger Sicherheit: Kawasaki
Keine leichte Aufgabe, Gleiches mit Gleichem zu vergleichen. Letztlich entscheiden etwas günstigere Inspektionskosten zugunsten der Kawa.
Sieger Sicherheit: Kawasaki
Platz 1: Honda CBF 600 S
Allein oder zu zweit, reisen oder rasen - die kleine CBF gibt sich als ausgewachsenes Universaltalent. Und das zum Wohlfühltarif. Was will man mehr?
Platz 2 (Sieger Preis-Leistung): Kawasaki ER-6f
Sie bleibt die Unvernünftige unter den Thronfolgerinnen. Weniger Ratio, dafür mehr Emotionen und mehr ursprünglicher Fahrspaß - die Kawa ist die Ergänzung zur Honda, nicht deren Konkurrenz.