Fahrwerksspezial: Teil 8 - Gabeltuning

Fahrwerksspezial: Gabeltuning
Was bringt Fahrwerkstuning beim Motorrad wirklich?

Zuletzt aktualisiert am 09.10.2012
Was bringt Fahrwerkstuning beim Motorrad wirklich?
Foto: Jahn
Jahn

Der Prüfstand läuft auf vollen Touren. Zuerst erwärmt die 50 000 Euro teure Hightech-Anlage das Öl des eingespannten Gabelholms mittels zügiger Hub-Bewegungen auf Arbeitstemperatur. Erkennt ein Sensor die gewünschten 25 Grad, folgt Phase zwei des ausgeklügelten Programms. In fester Abfolge federt der Holm über mehrere Minuten verschieden schnell ein und aus. Am Ende zeichnet der angeschlossene Computer eine Kurve, die Auskunft über die Qualität der Dämpfungsarbeit gibt: Wie viel Dämpfung baut die Gabel bei welcher Ein- und Ausfedergeschwindigkeit auf? Wie gleich-mäßig verläuft sie? Bleibt sie stabil?

Wir sind zu Besuch bei Alpha Racing. Die Firma im bayerischen Stephanskirchen ist verantwortlich für die Werkseinsätze von BMW in der Superbike-WM sowie der -Internationalen Deutschen Motorradmeisterschaft (IDM). Fahrwerkspezialist Sergio Sickau wiederholt den Vorgang auf dem Prüfstand so lange, bis das Diagramm viele bunte Linien zeigt. Jede einzelne steht für ein unterschied-liches Setup. Dann spannt er einen anderen Gabelholm in die Vorrichtung, die Prozedur beginnt von Neuem. Sinn der Übung ist der Vergleich zwischen einer komplett serienmäßigen und einer überarbeiteten Gabel mit anderen Innereien. Lohnt ein Umbau?

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Eine Frage, auf die es keine generelle Antwort gibt. Das kommt auf die Ansprüche des Piloten und auf die Maschine an. In den meisten Sportlern ab der oberen Mittelklasse werkeln sehr ordentliche Federelemente, deren Einstellbereich vor allem fürs Feilen auf der Landstraße vollauf genügt. Etwas anders sieht es beim Rennstrecken-Bolzen aus - hier geraten viele Gabeln und Federbeine an ihre Grenzen. Außerdem lassen unsensibles Ansprechverhalten und hohe Losbrechkräfte hier wie dort häufig Wünsche offen. Themen, die den Zubehörmarkt auf den Plan rufen. Mit Modifikationen an den Serienteilen oder komplett neuer Hardware versprechen zahlreiche Anbieter für die meisten gängigen Bikes deutliche Verbesserungen. Ein weites Feld also, das sich aufgrund seiner schieren Größe hier nicht komplett beackern lässt. Exemplarisch nehmen wir daher für diesen Test Federelemente von Bitubo näher unter die Lupe. Als Versuchsträger dient eine 2011er- BMW S 1000 RR . An dieser Stelle sei erwähnt, dass solche Tests grundsätzlich eine Momentaufnahme darstellen und nicht zwingend Rückschlüsse auf die Qualitäten weiterer Produkte eines Herstellers zulassen.

Mittlerweile hat Sergio den zweiten Gabelholm aus seiner Verankerung im Prüfstand befreit und präsentiert beide Probanden in ihre Einzelteile zerlegt. -Interessant: Bitubo arbeitet mit einem komplett geschlossenen, Gasdruck- -unterstützten Cartridge-System (Typ: ECH29, rund 1500 Euro). Laut Hersteller liegen die Vorteile hauptsächlich beim vom ersten Millimeter des Federwegs an gleichmäßigen und zuverlässigen Dämpfungsaufbau. Außerdem verspricht Bitubo einen weiteren Einstellbereich. Darüber hinaus verfügt die Cartridge im Gegensatz zum Original über zwei getrennte Ölreservoirs: Eines bestimmt die Größe des Luftpolsters, das andere übernimmt die Dämpfungsarbeit. Vorteil: Im Dämpferöl sammelt sich kein Abrieb, beispielsweise von der Feder. Dadurch bleibt das Öl länger frisch.

Bei so viel Hightech kann die originale Gabel nicht mithalten. Auch hier werkelt ein Cartridge-System. Doch wie bei allen Großseriengabeln ist es weder geschlossen, noch Gasdruck-unterstützt, noch verfügt es über getrennte Ölkreisläufe. Theoretisch hat das Zubehörteil also Vorzüge. Dafür spricht auch das Dämpfungsdiagramm. Was der Prüfstand bei unseren Tests allerdings nicht offenlegt, ist das Ansprechverhalten. Um es zu optimieren, greift Sergio tief in die Trickkiste und modifiziert Dichtringe (Simmerringe), Staubkappen und Gleitbuchsen. Außerdem trägt der Techniker teures Spezialfett auf die Innenrohre der Gabel auf. Ob und was der Umbau im Vergleich zu einer Seriengabel faktisch bringt, wird ein Fahrtest zeigen. Doch zuvor checken wir noch das Serienfederbein der BMW im Vergleich zu einem Zubehörteil: Worin bestehen die Unterschiede beim Aufbau, der Ausstattung, der Dämpfung? Die Antworten gibt’s im nächsten Teil.