Schräglage bis die Ohrlappen schleifen, Bestzeiten auf der Hausstrecke und schwarze Striche am Kurvenausgang sind das Spezialgebiet der Sportreifen, die wir in der letzten PS-Ausgabe mikroskopisch untersucht haben. Doch was, wenn man mal flott in den Süden an die Côte d’Azur brennen, ein Wochenende lang Schampus, Sonne und Bikini-Bräute genießen und dann wieder zügig nach Hause ballern will? Coole Idee, doch wer dazu einen Sportreifen auf seinem Brenner hat, kann da schnell in Reichweiten-Probleme laufen. Denn oft segnen die klebrigen Sportreifen zu schnell das Zeitliche.
Wer also auf das letzte Quäntchen Grip verzichten kann oder gerne in etwas mehr Laufleistung investiert, der sollte dringend die neueste Generation der Tourenreifen ins Visier nehmen und sich vor allem auf keinen Fall von der Kategorisierung als Tourenreifen abhalten lassen. Denn dieser Test beweist einmal mehr, dass die aktuellen Tourenpellen für die Landstraße auch auf Sportlern allemal genug Grip offerieren.
Das Testfeld
Dieses Jahr mussten wieder die gängigen Dimensionen 120/70-17 und 180/55-17 zeigen, was sie drauf haben. Mit am Start die brandneuen Gummis von Bridgestone und Pirelli. Während der Bridgestone T 30 den angegrauten BT 023 in Rente schickt, beerbt der Pirelli Angel GT den Vorgänger Angel ST. Von Continental geht der Road Attack 2 ins Rennen, Dunlop steuert den Roadsmart 2, Metzeler den Roadtec Z8 in Sonderspezifikation M/O und Michelin den Pilot Road 3 bei.
Die Testfakten
Wie mit den Sportreifen auch, nutzen wir das Dunlop-Test- und Entwicklungsgelände im südfranzösischen Mireval, nahe der Stadt Sète. Dort standen uns ein großer Trocken-Handlingkurs sowie eine dauerbewässerte Nass-Teststrecke exklusiv zur Verfügung. Gefahren wurde auf einer Suzuki Bandit 1250 mit dem vom Hersteller vorgeschriebenen Luftdruck von 2,5 bar vorne und 2,9 bar hinten – jeweils kalt gemessen.
Nach dem „Anfahren“ der Reifen wurden von jedem Testfahrer fünf Runden auf dem Trockenparcours absolviert und danach für weitere fünf Runden auf den Nassparcours gewechselt. Dort wurden auch zwei Vollbremsungen im ABS-Regelbereich gefahren, deren Bremswege für die Bewertung gemittelt wurden. Um einen „Lerneffekt“ zu vermeiden, wurde der erste Reifen des Testprozederes am Ende nochmals gefahren und die Beurteilung des Gummis erst nach der letzten Fahrt endgültig festgenagelt. Zudem wurde mit jedem Reifenwechsel die Suzuki wieder vollgetankt, um Einflüsse des schwindenden Kraftstoffvorrats auf das Handling des Motorrads zu vermeiden.
Die Testbewertung
PS ist auch bei einem Tourenreifentest sportlich unterwegs und legt naturgemäß ein besonderes Augenmerk auf die Haftfähigkeit eines Reifens. Und das unabhängig von der Witterung, da wir sowohl im Trockenen als auch im Nassen sicher auf dem Moped unterwegs sein wollen. Dennoch macht die Nasswertung nur 100 von 300 möglichen Punkten aus, da sie nicht überrepräsentiert sein soll.
Der Trocken-Handlingkurs in Mireval ähnelt zwar einer Rennstrecke, doch wir ließen uns nicht verlocken. Wir fuhren die Tourenreifen auf der Bandit nicht auf Bestzeit, sondern konzentrierten uns auf eine konstante Testgeschwindigkeit, um die Pellen nicht zu überhitzen und so die Ergebnisse zu verzerren. Die Haftung und das Verhalten im Grenzbereich ermittelten wir vor allem an den Scheitelpunkten der Kurven und beim Herausbeschleunigen.
Handling-Qualitäten, Zielgenauigkeit und Stabilität sowie das Aufstellen beim Hineinbremsen in Kurven und das Feedback des Reifens sind weitere Testkriterien. Einzig das Kaltlaufverhalten kann sich im Einzelfall aufgrund der freundlichen Witterung, die während des Tests in Südfrankreich herrschte (Luft um 20 Grad, Asphalt 18 Grad) etwas vom kühleren Deutschland unterscheiden. Allerdings wird sich die Tendenz, dass der Bridgestone T 30 und der Pirelli Angel GT etwas länger als die anderen Kombatanten brauchen, bis sie auf Temperatur sind, nicht umkehren.
Bridgestone T 30

Trockentest | max. Punkte | Punkte |
Kaltlaufverhalten | 10 | 8 |
Handling | 30 | 26 |
Zielgenauigkeit | 30 | 26 |
Stabilität | 30 | 26 |
Grip | 50 | 35 |
Verh. im Grenzbereich | 30 | 18 |
Aufstellmoment Bremsen | 20 | 8 |
Feedback | 0
27 | |
Ergebnis Trockentest | 200 | 174 |
Nässetest | ||
Handling | 10 | 8 |
Zielgenauigkeit | 10 | 8 |
Grip | 30 | 26 |
Verh. im Grenzbereich | 20 | 18 |
Feedback | 20 | 18 |
Bremsweg*: 45,0 m | 10 | 9 |
Ergebnis Nässetest | 100 | 87 |
Gesamtpunkte | 300 | 261 |
Fazit
Der Vorgänger BT 023 ist mit der Neuentwicklung des T 30 deutlich abgehängt und der Anschluss zu den Mitbewerbern hergestellt. Der T 30 operiert im Nassen wie im Trockenen auf hohem Niveau. Besonders sein Feedback in allen Lagen gefällt jetzt. Im Nassen fehlt dem Japaner noch etwas der Grip, um mit Metzeler, Michelin und Pirelli mitzuhalten, doch der sicherheitsrelevante Bremsweg passt bereits. Insgesamt ein harmonischer Reifen.
PS-Note: 2
Continental Road Attack 2

Trockentest | max. Punkte | Punkte |
Kaltlaufverhalten | 10 | 9 |
Handling | 30 | 28 |
Zielgenauigkeit | 30 | 27 |
Stabilität | 30 | 27 |
Grip | 50 | 36 |
Verh. im Grenzbereich | 30 | 18 |
Aufstellmoment Bremsen | 20 | 8 |
Feedback | 0
27 | |
Ergebnis Trockentest | 200 | 180 |
Nässetest | ||
Handling | 10 | 10 |
Zielgenauigkeit | 10 | 9 |
Grip | 30 | 22 |
Verh. im Grenzbereich | 20 | 14 |
Feedback | 20 | 17 |
Bremsweg*: 45,0 m | 10 | 8 |
Ergebnis Nässetest | 100 | 80 |
Gesamtpunkte | 300 | 260 |
Fazit
Heureka! Der Conti ist nach wie vor ein gnadenlos spaßiger Trocken-Performer. Vor allem das messerscharfe Handling und seine Zielgenauigkeit gefallen unheimlich. Im Nassen dagegen fällt der Conti nach wie vor deutlich ab. Problematisch ist vor allem die Kombination aus niedrigstem Grip-Niveau und schmalem Grenzbereich. Eine unangenehme Sache, wenn es bei Regen auf die Piste geht. Wer nur im Trockenen unterwegs sein will – bitte sehr!
PS-Note: 2
Dunlop Roadsmart 2

Trockentest | max. Punkte | Punkte |
Kaltlaufverhalten | 10 | 9 |
Handling | 30 | 25 |
Zielgenauigkeit | 30 | 25 |
Stabilität | 30 | 26 |
Grip | 50 | 36 |
Verh. im Grenzbereich | 30 | 17 |
Aufstellmoment Bremsen | 20 | 7 |
Feedback | 0
25 | |
Ergebnis Trockentest | 200 | 170 |
Nässetest | ||
Handling | 10 | 8 |
Zielgenauigkeit | 10 | 8 |
Grip | 30 | 26 |
Verh. im Grenzbereich | 20 | 17 |
Feedback | 20 | 17 |
Bremsweg*: 45,0 m | 10 | 9 |
Ergebnis Nässetest | 100 | 85 |
Gesamtpunkte | 300 | 255 |
Fazit
Bei Trockenheit ist der Roadsmart ein verlässlicher Partner bis in den hohen Geschwindigkeitsbereich hinein. Allerdings fährt er sich ein wenig „steif“, will also mit Nachdruck in Schräglage gebracht werden, worunter die Zielgenauigkeit und die Handlichkeit etwas leiden. Im Nassen setzen andere die Messlatte (Metzeler, Michelin und Pirelli), dennoch ist der Dunlop ein verlässlicher Begleiter bei Regen. Allerdings könnte sein Feedback transparenter ausfallen.
PS-Note: 2
Metzeler Roadtec Z8 Interact M/O

Trockentest | max. Punkte | Punkte |
Kaltlaufverhalten | 10 | 9 |
Handling | 30 | 25 |
Zielgenauigkeit | 30 | 25 |
Stabilität | 30 | 26 |
Grip | 50 | 35 |
Verh. im Grenzbereich | 30 | 18 |
Aufstellmoment Bremsen | 20 | 7 |
Feedback | 0
26 | |
Ergebnis Trockentest | 200 | 171 |
Nässetest | ||
Handling | 10 | 8 |
Zielgenauigkeit | 10 | 8 |
Grip | 30 | 28 |
Verh. im Grenzbereich | 20 | 18 |
Feedback | 20 | 19 |
Bremsweg*: 45,0 m | 10 | 9 |
Ergebnis Nässetest | 100 | 90 |
Gesamtpunkte | 300 | 261 |
Fazit
Dank seiner Qualitäten bei Nässe schwimmt der Metzeler Roadtec Z8 in M/O-Ausführung ganz vorne mit. Kann er auf nasser Piste voll überzeugen, fällt seine Performance im Trockenen allerdings etwas ab. Sein spürbares, aber noch tolerierbares Aufstellmoment beim Bremsen und die für das Testfeld „mittelmäßigen“ Handlings-Eigenschaften sorgen für keinen Spitzenplatz bei Sonnenschein. In der Summe ist der Metzeler-Reifen sehr harmonisch.
PS-Note: 2
Michelin Pilot Road 3

Trockentest | max. Punkte | Punkte |
Kaltlaufverhalten | 10 | 9 |
Handling | 30 | 27 |
Zielgenauigkeit | 30 | 23 |
Stabilität | 30 | 25 |
Grip | 50 | 36 |
Verh. im Grenzbereich | 30 | 14 |
Aufstellmoment Bremsen | 20 | 7 |
Feedback | 0
26 | |
Ergebnis Trockentest | 200 | 167 |
Nässetest | ||
Handling | 10 | 9 |
Zielgenauigkeit | 10 | 10 |
Grip | 30 | 29 |
Verh. im Grenzbereich | 20 | 18 |
Feedback | 20 | 17 |
Bremsweg*: 45,0 m | 10 | 8 |
Ergebnis Nässetest | 100 | 91 |
Gesamtpunkte | 300 | 258 |
Fazit
Der Pilot Road 3 fördert das Handling schwerer Motorräder wie der Bandit 1250. Er lässt sie aus der Nulllage leicht einlenken, beginnt aber in tiefer Schräglage weiter abzukippen. Darunter leidet die Zielgenauigkeit und es macht Korrekturen erforderlich. Bei Nässe, wo diese Schräglagengrenze nicht überschritten wird, glänzt der Franzose mit spielerischem Handling, einer sehr hohen Lenkpräzision und vor allem sehr viel Grip. Er ist eine klare Nässe-Empfehlung.
PS-Note: 2
Pirelli Angel GT

Trockentest | max. Punkte | Punkte |
Kaltlaufverhalten | 10 | 8 |
Handling | 30 | 26 |
Zielgenauigkeit | 30 | 26 |
Stabilität | 30 | 26 |
Grip | 50 | 37 |
Verh. im Grenzbereich | 30 | 18 |
Aufstellmoment Bremsen | 20 | 8 |
Feedback | 0
29 | |
Ergebnis Trockentest | 200 | 178 |
Nässetest | ||
Handling | 10 | 9 |
Zielgenauigkeit | 10 | 8 |
Grip | 30 | 29 |
Verh. im Grenzbereich | 20 | 18 |
Feedback | 20 | 19 |
Bremsweg*: 45,0 m | 10 | 9 |
Ergebnis Nässetest | 100 | 92 |
Gesamtpunkte | 300 | 270 |
Fazit
Pirellis Angel GT ist ein wahrer Engel bei allen Bedingungen. Er dreht nicht nur seinem Vorgänger, dem Angel ST, sondern der versammelten Konkurrenz eine lange Nase. Bei Trockenheit muss er sich nur dem brillanten Conti knapp geschlagen geben, bei Nässe ist er der Chef im Ring. Beim Angel GT wird die Grenze zum Sportreifen schon recht unscharf. Wer unter allen Wetterbedingungen auf der Landstraße unterwegs ist, sollte beim Pirelli zuschlagen.
PS-Note: 1-2
Testergebnis

Wer moderne Tourenreifen immer noch milde belächelt, liegt absolut falsch. Natürlich gehen diesen Reifen bei Hitze und auf geschlossenen Strecken deutlich schneller die Luft aus als ihren Sportreifen-Kollegen, dafür hängen sie diese aber in puncto Laufleistung um einiges ab. Wer also nicht nur nach maximalem Grip und sportlichem Image verlangt, der kann getrost einmal einen Tourenreifen montieren. Eine absolute Allwetter-Empfehlung stellt dabei der Pirelli Angel GT dar, der einen sehr ausgewogenen, sportlichen Eindruck hinterlässt. Er hat im Nassen die Nase vorne und ist bei Trockenheit dem „Trocken-Champ“ Continental Road Attack 2 ganz dicht auf den Fersen. Bei den punktgleich einlaufenden Bridgestone T 30 und Metzeler Roadtec Z8 in der Spezifikation M/O kann sich der Käufer zwischen einem etwas besseren Trocken- und einem etwas besseren Nässe-Reifen entscheiden. In der Summe stehen sich die beiden Gummis auf Augenhöhe gegenüber.
Conti ist Maß der Dinge bei trockener Straße
Wer eher wasserscheu ist und maximalen Fahrspaß im Trockenen erleben will, der muss zum Conti greifen. Der Hannoveraner ist nach wir vor das Maß der Dinge bei trockener Straße. Vor allem seine Kurvenwilligkeit und die Zielgenauigkeit machen echt an. Genau anders herum verhält es sich mit dem Michelin Pilot Road 3. Der Franzose fährt sich bei Nässe glänzend, gript heftig und steuert präzise. Allerdings lenkt er bei Trockenheit nicht neutral. Beflügelt er in geringer Schräglage noch das Handling schwerer Motorräder, kippt er ab mittlerer Schräglage weiter ab, was a) einen Piloten erschrecken kann und b) Lenkkorrekturen erforderlich macht. Abhängig vom Grad der Schräglage leidet auch die Kurvenstabilität unter diesem gewöhnungsbedürftigen Verhalten. In der Summe verliert der Pilot Road 3 also mehr Punkte durch seine Eigenart, wie er damit gewinnt.
Etwas farblos kommt der Dunlop Roadsmart 2 daher. Weit entfernt davon ein schlechter Reifen zu sein – schließlich kann man ihm keine großen Schwächen vorwerfen –, muss er sich dennoch von der Konkurrenz abhängen lassen. Ein hartes Los, was wieder mal deutlich zeigt, wie schnell sich die Dinge heutzutage in der Reifenentwicklung drehen.