Triumph Rocket III Roadster und Yamaha Vmax im Test

Triumph Rocket III Roadster und Yamaha Vmax im Test
Motorräder mit viel Hubraum im Vergleichstest

Zuletzt aktualisiert am 06.06.2013

Es gibt Menschen, die können mit diesen Themen überhaupt nichts anfangen. Die machen um so große, starke und schwere Motorräder wie eine Triumph Rocket III Roadster oder eine Yamaha Vmax einen weiten Bogen.

Diese Menschen haben sicher Gründe für ihre Ablehnung, aber diese Menschen haben leider in der Regel auch keine Ahnung. Allein deshalb nicht, weil sie sich noch nie auf die Herausforderung dieser Wuchtbrummen eingelassen haben.

Gemeint sind die zahlreichen Experten, denen in der Regel schon ein Blick aufs Datenblatt und eine Sitzprobe beim Händler reichen, um abzuwinken. 315 Kilogramm vollgetankt bei der Vmax, 370 Kilogramm gar bei der Rocket. Dazu gefühlte zwei Meter Radstand und eine Sitzbank wie ein Plüschsessel. „Aha, alles klar, das müssen fette, träge Öfen sein“, denken diese Menschen. „Deine Rocket hat ja so viel Gewicht auf dem Hinterrad, wie meine 1000er-Supersportlerin insgesamt wiegt“, lästern sie. „Und dazu auch noch weniger Leistung. Da geht doch nichts.“

Erst einmal losfahren, dann zuschlagen

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„Freunde“, möchte man diesen Zeitgenossen zurufen, „seid ihr noch bei Trost! Könnt ihr euch denn nicht vorstellen, was diese Verbrennungsmaschinen ersten Ranges mit euren fitzeligen Leichtbaugeräten anstellen würden? Glaubt ihr, es gäbe keinen Grund für armdicke Kardanwellen und Radstände, zwischen denen ein Einfamilienhaus Platz hat? Leute, was bei diesen Metall gewordenen Gewaltorgien zwischen Vorder- und Hinterrad Dienst schiebt, hat mit euren hyperventilierenden Drehorgeln nichts zu tun, sondern sprengt alle gängigen Motorraddimensionen. Nehmt doch nur einmal die Triumph: 2,3 Liter Hubraum, verteilt auf drei Zylinder, über 200 Newtonmeter bei 2200/min - habt ihr nur eine ungefähre Vorstellung, was das bedeutet?

Vermutlich reicht ein einmaliges Atemholen dieses Motor-Monuments, um eure fünfdreißiger O-Ring-Ketten praktisch aus dem Stand in 1000 Stücke zu zerreißen und jeden Nullachtfuffzehn-Kardan zu einem Korkenzieher zu verdrehen. Oder nehmt den V4 der Vmax: knapp 1700 Kubikzentimeter, die nicht nur unten mordsmäßig anschieben, sondern oben auch noch richtig reißen. Nominell 200 PS! Aber nicht bei 14 000/min, kurz bevor Ventile und Kolben zur finalen Kernschmelze übergehen, sondern schon 5000/min früher, bei bekömmlichen 9000/min. Noch Fragen? So ein Ungetüm würde eure Renner, wenn es bei 4000/min so richtig loslegt, umgehend in die Senkrechte stellen. Oder die Wheelie-Kontrolle eures Hightech-Renners beim Sprintversuch bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag beschäftigen, ohne dass ihr euch vom Fleck bewegt. Da zuckt dann so ein leichtgewichtiges Superbike nur noch wie im Rinderwahn, während die fette Vmax unter Rauch und Qualm und dem Geruch von verbranntem Gummi richtig losmarschiert.“

Von diesen beiden Wuchtbrummen ist die Vmax der Brandstifter

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So viel zur Polemik. Jetzt zu den Fakten. Es war richtig, was Triumph getan hat. Raus mit dieser Geißel namens Leistungsbegrenzung, hinein ins pralle Leben. Ab sofort ergießt sich auch in den ersten drei Gängen der volle Drehmomentschwall über die mächtige Kurbelwelle, und zwar praktisch ab Standgas. Mit einem kleinen Schönheitsfehler, denn so ganz genau lässt sich auf dem MOTORRAD-Prüfstand  nicht nachweisen, was sich nun tief im Kurbelgehäuse oder am Hinterrad der Rocket wirklich versammelt, weil dieses Drehmomentmonster selbst im dritten Gang auf der Prüfstandsrolle derart viel Schlupf erzeugt, dass die Werte deutlich nach unten abweichen, während in den Gängen vier und fünf nach wie vor der Speedcutter greift und bei höheren Drehzahlen mäßigend regelt. Bei 193 km/h ist nämlich Schluss.

Daher muss es bei der Vermutung bleiben, dass der Dreizylinder des Testmotorrads doch ein Stück weit von dem entfernt liegt, was die Briten uns im Prospekt versprechen. 203 Newtonmeter statt 221, 131 PS statt der avisierten 148 Pferdchen, mehr können wir an objektiven Messwerten nicht attestieren. Aber beruhigen können wir. So unwiderstehlich, wie das 370-Kilogramm-Trumm auch mit 25 Newtonmetern weniger gen Horizont drückt - das ist auch ganz ohne die Garantie jenseitiger Drehmomentberge ein ganz diesseitiges Erlebnis, weil auch die Differenz zu dem bisherigen, in den ersten drei Gängen gedrosselten Motor beträchtlich ausfällt. Rund 25 Newtonmeter mehr greifen nun an. Abstrakt formuliert macht das die ungewohnte Relation zwischen kaum ansteigender Drehzahl und rasant zunehmender Geschwindigkeit noch größer. Volkstümlich gesprochen geht die Rocket jetzt noch mehr wie die Sau. Dafür reicht ein leichter Dreh am dicken Gasgriff. Hohe Drehzahlen - also alles jenseits der 3500/min - oder gar Kupplungsspielereien braucht es dafür nicht.

Ihre Paradedisziplin heißt „Vollgas“

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So gesehen ist die Mit-Volldampf-geradeaus-Strategie der Vmax eindeutig konventioneller, aber bei Weitem nicht weniger gewalttätig gestrickt. Erst einmal losfahren, dann zuschlagen - so lautet das Motto eines der zweifellos faszinierendsten Antriebe der Motorradgeschichte. Wer sich die Kurve rechts anschaut, versteht, warum. Derart linear und zielstrebig hat sich noch kein anderer Motor der 200-PS-Schallmauer genähert. Und derart martialisch war auch noch kein Hochleistungsmotor verpackt. Kompakt, ja geradezu konzentriert steckt der Vierventiler im straffen Rahmenkorsett des piekfein verarbeiteten Alu-Brückenrahmens, wo der mächtige Triumph-Klotz schwer und massig unter dem schnöden Stahlrückgrat der Rocket hängt. Provokant saugt die Vmax kubikmeterweise Luft durch offensichtlich aufgestellte Nüstern aus gebürstetem Aluminium, wo der britische Triple verhalten unter der breiten Tankverkleidung schnorchelt. Und keck schmiegen sich die vier Auspufftüten ums 200er-Hinterrad, wo die konventionellen, ewig langen Triumph-Tüten bieder Respektabstand halten.

Es ist keine Frage: Von diesen beiden Wuchtbrummen ist die Vmax der Brandstifter, und zwar nicht nur optisch. Wer wissen will, was das bedeutet: Einfach mal bei ein wenig Drehzahl die Kupplung schnalzen lassen. Dann pfeift es, wimmert und qualmt - und die Vmax zieht die fettesten schwarzen Striche, die man sich vorstellen kann. Wenn es sein muss, bis zum Horizont, denn der mächtige Schub des V4 reißt einfach nicht ab. Dazu gesellt sich eine Geräuschkulisse, die süchtig macht, weil es diese Mischung aus tiefem Hubraumbass und hoher Drehzahl so nirgendwo auf der Welt zu kaufen gibt.

Was bedeutet das in nackten Zahlen? Beide Boliden beschleunigen von null auf 100 km/h entweder beinahe auf Superbike-Niveau wie die Triumph - oder sogar besser wie die Vmax. Und dennoch ganz anders. Viel einfacher. Hier steigt kein Vorderrad, bäumt sich nichts auf, fällt keine Drehzahl unter einen kritischen Wert und die Leistung in ein Loch. Hier geht es einfach vorwärts, beinahe ohne Kupplungsakrobatik. Limitierender Faktor ist allenfalls das durchdrehende Hinterrad, wobei selbst das bei der Rocket mit ihrem 200-Kilogramm-Heck ein echtes Kunststück ist.

Oben heraus jedoch geht dem fetten Roadster im Vergleich zum Kraftprotz Vmax spürbar die Luft aus, machen sich dann doch fehlende Leistung und das hohe Gewicht bemerkbar, während die Yamaha einfach immer weitermacht. Bis 200 km/h fährt ihr praktisch kein Superbike weg, ehe die schlechtere Aerodynamik, vor allem aber ihr Speedcutter bei 220 Sachen Grenzen setzen. Aber derartige Tempo-Orgien sind trotz ihres Namens beim besten Willen nicht die Bestimmung der Vmax, obgleich sich Derartiges hinter dem schmalen und flachen Lenker weitaus besser aushalten lässt als hinter dem breiten Geweih der Rocket III.

Drehmoment

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Wie viel liegt an - und vor allem wo? Das sind die entscheidenden Fragen, wenn es ums Drehmoment geht. Der Rocket-Dreier darf nun auch im dritten Gang zeigen, was in ihm steckt.

Etwas Vergleichbares bietet die gängige Motorradwelt nicht noch einmal, und man steht ehrfürchtig vor dem Drehmomentberg, den der Dreizylinder praktisch ab Standgas auftürmt. In dieser Hinsicht hat der V4 der Vmax in der Tat nichts zu melden. Im Gegenteil: Er legt eher verhalten los, leistet sich zwischen 3000 und 4000/min gar einen kleinen Hänger, bevor er richtig zur Sache kommt. Subjektiv ist diese Leistungscharakteristik auch durchaus erfahrbar, entwickelt der Hubraumriese der Triumph spürbar mehr Druck. Übersetzungsbereinigt jedoch (siehe Durchzugstabelle unten) legt die Vmax sogar kräftiger los als die Rocket III und nimmt ihr, je höher das Tempo wird, immer mehr Meter ab. Dem setzt der englische Drilling seinen Schiffsdiesel-Charakter entgegen - und wummert ganz gelassen los.

 Triumph  Yamaha
50-100 km/h  2,8 sek  2,3 sek
100-150 km/h  3,6 sek  2,3 sek

Klarer Punktsieg für die Vmax. Trotz Drehmomentnachteils zieht sie im dritten Gang deutlich besser durch als die Rocket III Roadster.

Leistung an der Kurbelwelle

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Die Leistung an der Kurbelwelle (gemessen im dritten Gang) gibt wieder, was der Motor zu leisten imstande ist, und zwar im Bezug auf die Drehzahl.

Aha, der Hubraumvorteil, möchte man sagen. Und hat recht, denn logischerweise schöpft der große Rocket-Dreizylinder aus seinem um rund 500 Kubikzentimeter größeren Hubraum bei gleicher Drehzahl auch mehr Leistung. Allerdings fällt dieser Vorsprung nicht sehr groß aus, denn die Literleistung des Triples liegt mit 57 PS doch im überschaubaren Bereich. Zum Vergleich: Die Literleistung des Yamaha-V4 ist mit 110 PS fast doppelt so hoch. Kein Wunder also, dass ab gut 6000/min der Vmax-Motor uneinholbar davonzieht, während der fette Triumph-Brocken am Ende seines Drehvermögens angekommen ist.

Leistung am Hinterrad

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Die entscheidende Größe, wenn es um die Fahrleistungen geht, weil hier auch die Übersetzung (dritter Gang) mit einfließt. Daher verschieben sich hier die Kurven mitunter beträchtlich.

Es ist immer wieder spannend, die „gängigen“ Leistungskurven, welche die Leistung des Motors an der Kurbelwelle darstellen, mit den Leistungskurven am Hinterrad zu vergleichen. Im Fall Rocket III Roadster und Yamaha Vmax bedeutet das: Der beträchtliche Vorsprung, den der britische Triple bis fast 6000/min an der Kurbelwelle hatte, wird von der längeren Übersetzung der Rocket (um bei weitaus geringerer Drehzahl eine entsprechende Endgeschwindigkeit zu erzielen) aufgefressen oder verkehrt sich gar ins Gegenteil.

Im Klartext bedeutet das: Bis knapp 80 km/h kommt immerhin ungefähr ebenso viel Leistung am Hinterrad an, danach zieht die Vmax uneinholbar davon. Addiert man dazu noch das Mehrgewicht der Triumph, erklären sich die besseren Fahrleistungen der Yamaha beinahe von selbst. Tatsache ist aber auch: Die Vmax muss dafür deutlich höher drehen.


 

 Triumph  Yamaha
0-100 km/h  3,5 sek  2,7 sek
0-140 km/h  6,3 sek  4,4 sek
0-200 km/h  -  8,3 sek

Die Domäne der Vmax ist ihre brachiale Beschleunigung. Sie schlägt die Rocket III Roadster in allen Belangen und erreicht locker die 200-km/h-Marke.

Technische Daten

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Triumph Rocket III Yamaha Vmax
Bauart Motor Dreizylinder-Viertakt-Reihenmotor,
zwei obenliegende,
kettengetriebene Nockenwellen,
vier Ventile pro Zylinder,
Tassenstößel, Trockensumpfschmierung
Vierzylinder-Viertakt-65-Grad-V-Motor,
je zwei obenliegende,
zahnrad-/kettengetriebene Nockenwellen,
vier Ventile pro Zylinder,
Tassenstößel, Nasssumpfschmierung
Gemischaufbereitung Einspritzung, Ø 52 mm Einspritzung, Ø 48 mm
Kupplung Mehrscheiben-Ölbadkupplung  Mehrscheiben-Ölbadkupplung (Anti-Hopping)
Getriebe Fünfgang Fünfgang
Sekundärantrieb Kardan Kardan
Bohrung x Hub 101,6 x 94,3 mm 90,0 x 66,0 mm
Hubraum 2294 cm3 1680 cm3
Verdichtung 8,7:1 11,3:1
Leistung 108,8 kW (148 PS) bei 5750/min 147,2 kW (200 PS) bei 9000/min
Drehmoment 221 Nm bei 3250/min 167 Nm bei 6500/min
Gewicht vollgetankt 370 kg 315 kg
Radlastverteilung vorne/hinten 169/201 kg 157/158 kg
Höchstgeschwindigkeit 193 km/h 220 km/h
Verbrauch 7,0 Liter 8,0 Liter
Reichweite 343 188 km
Preis ohne Nebenkosten 17 390 Euro 23 495 Euro