Nachdem Curtiss 2018 entschied nur noch elektrische Motorräder zu bauen, haben uns viele verrückte Studien erfreut. Mit der One werden die Studien endlich Serie.
Nachdem Curtiss 2018 entschied nur noch elektrische Motorräder zu bauen, haben uns viele verrückte Studien erfreut. Mit der One werden die Studien endlich Serie.
Im Video zur One von Curtiss Motorcycles sagt Designer JT Nesbitt etwas hochinteressantes: "Der Teil des Geistes oder des Gehirns, bisher vorgesehen, den Verbrennungsmotor am Leben, am Fahren zu halten, ist nun frei." Also das Spiel mit Gas und Kupplung, der Gedanke an den richtigen Schaltpunkt. Im Grunde alles was das Motorrad fahren als Puzzleteile bisher komplettiert hat. All das fällt bei einem Elektromotorrad mit Direktantrieb weg. All das schafft Zeit, über die wichtigen Dinge bei einer Fahrt auf der Curtiss One nachzudenken. Zum Beispiel wie dieses außergewöhnliche Krad tatsächlich fährt oder woher zum Teufel ich die 90.000 Dollar bekomme, um dieses Meisterwerk der Fräskunst mein Eigen nennen zu können.
Seit 2018 gab es immer wieder Studien von Curtiss, von Hera und Zeus, Psyche über Hades, zur Hades Pure. Nach den immer neuen, wilden, jenseits mechanischen Grenzen designten Studien ist seit der Hades eine gewisse Kontinuität im Design von Curtiss eingekehrt. Tragendes Element ist dabei das an eine Turbine oder einen Reaktor erinnernde Gehäuse des Batteriepacks als tiefster Punkt des Motorrads. Tragend im wahrsten Sinn, denn das Alugehäuse ist mittragend zwischen den beiden großen Alu-Flanken der Rahmenkonstruktion verschraubt. Diese nimmt den Motor mit seinen 64 Kilowatt oder 87 PS Dauerleistung auf. Spitzenleistung sind 120 PS, möglich sind aber bis zu 217 PS oder absurde 367 Nm Drehmoment. Im Serientrimm liegen mehr als ausreichende 160 bis 200 Nm an. Gespeist wird der Motor von einer Batterie, die auf zylindrischen Zellen im Format 18650, also 18 Millimeter im Durchmesser und 65 Millimeter lang, aufbaut. Die Zellen sind tauchgekühlt, sprich werden von einer nicht-leitenden Flüssigkeit gekühlt. Ob direkt oder indirekt ist nicht verbrieft. Zum Vergleich: Ein AA-Batterie wäre ungefähr 14500. Frühere Berichte über die Hades Pure sprachen von einer Kapazität von 16,6 kWh für diese Konstruktion. Dazu noch ein Vergleich: Zero Motorräder haben maximal 14,4 kWh, Weltmeister Energica 21,5 kWh und die LiveWire 15,5 kWh.
Curtiss definiert mit der One den Begriff volleinstellbares Fahrwerk neu. Normalerweise bezieht sich das eigentlich nur auf die Einstellung der Federelemente. Bei der One ist auch die Geometrie frei einstellbar. Der Lenkkopf der Hossack-Gabel kann auf 63 oder 59 Grad eingestellt werden, damit korrelierend auch der Radstand. Über eine exzentrische Schwingenlagerung kann gleichzeitig die Bodenfreiheit und die Sitzhöhe variiert werden. Noch individueller wird die Ergonomie durch die vielen Möglichkeiten der Fußrastenverstellung über ein großes Lochraster. Heute Cruiser, morgen Streetbike – alles möglich. Und es kommt einem wieder JT Nesbitt in den Sinn, der im Video den fehlenden Lärm, Hitze und andere konstruktive Merkmale eines Verbrenners als Einschränkung nominiert. Nachvollziehbar: Mit einer Fußschaltung und Fußbremse wären solche Kunststücke nur in einem sehr geringen Maße vorführbar. Die beiden zum Einsatz kommenden Dämpfer von RaceTech sind voll einstellbar. Heile Welt. Übrigens: Durch den exzessiven Einsatz von Alu und Karbon wiegt die Curtiss One nur 205 Kilo. Womit wir beim Preis wären.
Alu, Karbon, nur Edelparts als Anbauteile. Das kostet. 90.000 Dollar, 9.000 davon sofort bei Bestellung fällig und nicht erstattbar. Schwarz eloxiert kommen 3.000 Dollar dazu. Dafür ist die Stückzahl auf 90 Stück limitiert. Auslieferung in den USA ab Mitte 2022. Wer so lange nicht warten kann, der kann 30.000 Dollar anzahlen, sich eine farblich frei konfigurierbare One zusammenstellen und bei der Lieferung Ende 2021 nochmal 85.000 Dollar drauflegen. Macht: 115.000 Dollar für die auf 15 Exemplare limitierten Work of Art-Varianten der One. Schnelle Rechner wissen jetzt: 90.000 Dollar sind gut 75.000 Euro. Doch keine Sorge. Bisher ist die Curtiss One in Europa nicht erhältlich, Verhandlungen laufen aber, die Lebensversicherung muss noch nicht direkt aufgelöst werden.
Großartiges aus Absurdistan. Das liegt derzeit im Süden der USA in Leeds, Alabama und Curtiss steht an der Tür. Die One ist ein wahrgewordener Steam-Punk-Traum, ein Meisterwerk der Fräskunst und elektrisch angetrieben. Anspruch: Hoch. Preis: Auch. Das Verhältnis stimmt schon mal.