Autobahn-Shootout mit Ducati 1199 Panigale, KTM 1290 Super Adventure, Suzuki Hayabusa und Yamaha YZF-R3
Auf die Plätze, Fertig, Los!

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Ducati 1199 Panigale, KTM 1290 Super Adventure, Suzuki Hayabusa und Yamaha YZF-R3: vier Bikes, vier Fahrer, ein Ziel - wer schafft es am schnellsten von Berchtesgaden nach Flensburg?

Auf die Plätze, Fertig, Los!
Foto: fact

Das eine Bier mehr nach einem langen Testtag war schuld. Kaum war die Schaumkrone auf den Tester-Gläsern abgetrunken, fiel der denkwürdige Satz: „Wir sollten mal wieder so 'ne richtige Gaga-Story zusammen machen!“ Diese achtlos dahingeworfenen Worte waren noch nicht recht verklungen, da sprudelte schon die Ideenquelle. Mit dem Faserfilzer der netten Bedienung und der Rückseite der Tageskarte arbeitete die Truppe sogleich ein Reglement für einen PS-Sprint aus, der von Berchtesgaden ganz im Süden bis Flensburg als nördlichste Stadt der Republik führen sollte. 

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Autobahn-Shootout mit Ducati 1199 Panigale, KTM 1290 Super Adventure, Suzuki Hayabusa und Yamaha YZF-R3
Auf die Plätze, Fertig, Los!
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Spannend für diesen Wettstreit sollte die Wahl der Waffen sein. Freie Auswahl stand nicht zur Debatte. Nicht jedem sollte das Glück eines PS- und hubraumstarken Bikes zuteil werden. Ein Handicap musste her, das zeigen oder widerlegen darf, dass Leistung auf der Hatz über deutsche Autobahnen alles ist. Nur sportlich musste es sein. Und schon war die neue Yamaha R3 im Plan. Dann tauchte die Frage auf, wie hart man als Fahrer sein muss, um die knapp 1200 Kilometer überstehen zu können. Ein 1200er-Supersportler? Damit war klar, dass die Ducati 1199 Panigale einen der Teilnehmer tief bücken und knechten wird.

Tourenkiste Marke Wohnzimmer-Schrankwand kam nicht in die Tüte

Und wie sieht es mit einem echten Autobahn-Burner aus? Klar, die Suzuki Hayabusa hat einen legendären Ruf in dieser Beziehung – und da Kawasaki die Test-H2 leider selbst stürzte, flog der Suzuki-Falke mit in den Norden. Zu guter Letzt sollte es etwas geben, dass richtig Druck hat, rufmäßig nicht gerade als echtes Sportgerät durchgeht, aber trotzdem Gewinner-Gene für die Gaga-Wette besitzt.

Eine Tourenkiste Marke Wohnzimmer-Schrankwand kam natürlich nicht in die Tüte, auch wenn jeder in der Redaktion vom geradezu einzigen Sinn, den solche Eimer haben, nämlich möglichst bequem eine Menge Kilometer zu fressen, überzeugt waren. „Das sind ja gar keine Motorräder“ oder „Ich hab mir geschworen, nie so ein Ding zu fahren“ waren noch die mildesten Ablehnungsgründe für die RTs, Gold Wings oder Fulldresser dieser Welt. So brachten die Jungs die KTM 1290 Super Adventure ins Spiel. Viel Druck, viel Sprit, ein Favorit? Gekauft!

Los entscheidet über die Motorradvergabe

Damit stand der Rahmen, mussten nur noch die anderen strittigen Punkte im Reglement geklärt und abgefasst werden. Am Tag der Abreise nach Bayern sollte dann das Los entscheiden, wer welches Motorrad einmal quer durch Deutschland kutschieren durfte. Der Chef erwischte einen rabenschwarzen Tag und zog gleich als Erster die knapp 42 PS starke Yamaha YZF-R3 mit Reihen-Twin – nicht nur sein Bike, sondern auch seine Stimmung war damit im Keller. PS-Tobi als Vollgas-Fanatiker freute sich gedämpft über die Ducati 1199 Panigale ebenso wie Namensvetter Tobi W. über die Suzuki Hayabusa.

Dafür machte PS-Zyniker Volkmar „Jacko“ Jacob ob seines Loses mit der KTM 1290 Super Adventure ein Geschrei, als hätte er im Lotto gewonnen – was unseren Chef noch mehr erzürnte und ärgerlich nach dem Idioten fragen ließ, dem dieser Mist eingefallen war. Sämtliche Testerfinger, die nun auf ihn zeigten, ließen ihn augenblicklich verstummen. Kollege Seitz speckte angesichts der ­mauen 42 PS still sein Gepäck um etliche Kilo ab und führte die Truppe schließlich unter wildem In-den-Helm-fluchen gen Bayern. Ab null Uhr durfte jeder loslegen, wann er wollte. Die erste Tankung in Berchtesgaden war der Startschuss, die letzte in Flensburg nach fast 1200 Kilometern die Ziel­linie – für die Gaga-Story des Jahres.

Ducati 1199 Panigale

fact
Tobi Münchinger auf der Ducati 1199 Panigale.

Morgens um 3.30 Uhr klingelt der Wecker. Wo bin ich, und was mache ich hier eigentlich? Ach ja. Berchtesgaden. Muss schnell nach Flensburg. Hatte ganz komisch von einem Mädel geträumt, das ich mal toll fand. Alte Geschichte, eigentlich schon längst vergessen. Bin ganz benebelt in der Birne. Egal. Zahnbürste in den Hals und dann ab nach Bad Reichenhall zum ersten Tankstopp. 

In meinem Rucksack befinden sich neben der Zahnbürste ein Handy-Ladegerät, ein Satz leichte Zivilklamotten, eine Wasserflasche und einige Energieriegel. Auf einen Tankrucksack verzichte ich genauso wie auf eine Gepäckrolle – alles unnötiger Ballast. Ich will noch vor der morgendlichen Rushhour möglichst viele Kilometer machen und die Ducati 1199 Panigale laufen lassen. Der Zufall spielte mir das italienische Ross aus dem Dauertest-Fuhrpark in die Hände, und ich bin damit gar nicht unglücklich. Mir gefällt das rote Biest. Sie ist schnell und sexy, auf der Langstrecke allerdings wahnsinnig unbequem und säuft obendrein ordentlich. Nix für Mumus.

Yamaha YZF-R3 keine Konkurrenz?

Uwe sollte auf der Yamaha YZF-R3 keine Konkurrenz sein, und Tobi Wassermann muss alle 200 Kilometer für eine Schachtel Zigaretten anhalten. Bleibt als großer Widersacher nur Jacko. Und wenn ich den auf der KTM 1290 Super Adventure mit ihrem irrwitzigen Spritbunker von 30 Litern schlagen will, muss ich auf jeden Fall die Endurance-Nummer abziehen. Blinker links, Hahn spannen und nur zum Tanken raus. Unterwegs keine längere Verschnaufpause, sonst kann ich meinen Speedvorteil nicht in Zeitgewinn ummünzen. Solange die Ducati 1199 Panigale unterwegs keinen kapitalen technischen Defekt erleidet, ist alles gut.

Vollgas. Bis auf wenige Lkw und Schwertransporte habe ich freie Bahn. Einige scheinen noch zu pennen und benutzen zwei Spuren gleichzeitig, was für mich bei 250 km/h plus Dunkelheit manchmal ziemlich spät offenbar wird. Komme gerade so noch links vorbei und halte die Zügel weiter straff. Hinter München geht‘s auf die A7 gen Norden, dann bei Nürnberg auf die A9. Kurz vor Hof will die Ducati 1199 Panigale bereits zum vierten Mal Sprit. Jetzt sehr dringend, nach 37 Kilometern auf Reserve. Das nagt an den Nerven.

Bordcomputer zeigt seit Berchtesgaden nie über 14 Grad

Dann kommt die richtige Schrecksekunde: Bei Halle nehme ich die falsche Abzweigung und fahre Richtung Berlin. Umkehren? Ist sicher ein Umweg, aber vielleicht geht es hier zügiger als der Haken über Hannover zurück zur viel befahreneren A7. Könnte funktionieren, könnte allerdings auch danebengehen. Also weiter Vollgas geradeaus, irgendwo wird schon „Hamburg“ angeschrieben sein.

Mittlerweile schmerzt mein ganzer Körper, von den Knien über den Arsch bis zum Rücken und den Handgelenken. Außerdem ist es richtig kalt, der Bordcomputer zeigt seit Berchtesgaden nie über 14 Grad. Und zu allem Überfluss fängt es auch noch an zu regnen. Nach Tankung Nummer fünf taumele ich starr vor Kälte wie ein Besoffener Richtung Truckerbude und schaffe es kaum sauber um die Ecke. Mit der Schulter ramme ich die Kante der Eingangspforte und knalle halblebig einen Zwanni für 14 Liter Super auf den Kassentresen. Schau mich nicht so an, Tankwart. Ich befinde mich auf einer Mission, und die heißt Sieg! Es riecht nach Espresso und ich würde sterben für einen heißen Kaffee, aber ich muss weiter. Nichts wäre schlimmer, als den klappbehelmten Jacko gewinnen zu lassen – wegen eines Kaffees!

Handgelenke kurz vorm Ermüdungsbruch

Zurück auf der Bahn wünsche ich mir, die Ducati 1199 Panigale würde so viel Wärme wie im Stand oder Stadtverkehr abstrahlen. Auf der A24 hinter Berlin in Richtung Hamburg gilt etliche Kilometer lang Tempo 120 oder weniger – ich hab voll verwachst. Gas, Junge, gib Gas! Überall sehe ich plötzlich mobile Blitzer, wo gar keine stehen. Kurz vor der Hansestadt wird Tankung Nummer sieben fällig. Meine Handgelenke fühlen sich jetzt an, als müssten sie jeden Moment einen Ermüdungsbruch erleiden.

In meinem Kopf läuft der Refrain von Disclosures „White Noise“ hoch und runter: „If you wanna get tough, then let´s play rough.“ In Hamburg stecke ich dann auch noch ewig im Stau. Auf der A7 in Richtung Flensburg kommt man wegen der endlosen Baustellen ebenfalls kaum vorwärts. Mittlerweile hänge ich auf der Ducati 1199 Panigale wie ein angeschossener Cowboy. Endlich in Deutschlands nördlichster Stadt angekommen, bestelle ich im Tankstellen-Saloon ein Flens. Zur Sicherheit ein bleifreies. Trotzdem bin ich wieder benebelt wie nach dem Aufstehen in dieser weit entfernten bayrischen Bergwelt. Mädel, sollten wir uns doch noch mal treffen...

Ducati 1199 Panigale - das Endergebnis

Fahrer: Tobias Münchinger 

Taktik: Ganz einfach – Knallgas!

Tankungen: 9

Fahrzeit: 9 Stunden 22 Minuten

KTM 1290 Super Adventure

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Volkmar Jacob auf der KTM 1290 Super Adventure.

Schon von Weitem erhellt ein Meer von hektisch blinkendem Blaulicht die dunkle Nacht. Dabei rolle ich gerade erst auf die Autobahn. Verkehrskontrolle? Schwertransport? Vollsperrung? Bloß nicht! Doch Entwarnung: Die Ordnungsmacht sucht nahe der österreichischen Grenze in Bussen und Lkw nach Schlepperbanden, die Flüchtlinge illegal ins Land schleusen. Für den normalen Verkehr bedeutet das freie Fahrt. Glück gehabt! Auf einen Schlag hellwach, mache ich mich auf der KTM 1290 Super Adventure auf den Weg zu über 1100 Kilometern Ungewissheit. Was werde ich auf dem langen Trip quer durch unsere ­Republik alles erleben müssen? 

Kurz vorher hat mir die Kassiererin an der vereinbarten 24-Stunden-Tanke gesteckt, dass ein Kollege schon eine Stunde vorher losgedüst ist und ein zweiter erst vor zirka zehn Minuten getankt hat. Da ist es exakt 4.27 Uhr. Bei dem frühen Vogel handelt es sich wahrscheinlich um Nachwuchsdrifter und PS-Neuzugang Tobias Münchinger („Tobi 1“) auf der Ducati 1199 Panigale. Schon im Vorfeld hatte er angekündigt, möglichst oft volle Lotte zu fahren und dafür den einen oder anderen Tankstopp mehr in Kauf zu nehmen. Knallgas nennt er das. Keine schlechte Taktik. Denn die Erfahrung eines früheren Crossover-Vergleichs hat gezeigt, dass Ballern und häufige Stopps eben doch schneller sein können als herumzugurken, um seltener tanken zu müssen (PS 10/2013). Aber so eine Autobahn bietet Unwägbarkeiten wie Baustellen, Staus oder Trödler auf allen Spuren, sodass man sich fragen muss, wie viel Vollgas denn am Ende dabei herauskommt.

30-Liter-Tank, reichlich Dampf im Kessel und bequeme Sitzposition

PS-Capo Uwe Seitz („Super-U“) ist der andere, der vor mir startete – mit der Yamaha YZF-R3. Har, har, har, so ein Pech aber auch. Dabei wollte er unbedingt die KTM 1290 Super Adventure. Doch die fahre nun ich! Fetter 30-Liter-Tank, reichlich Dampf im Kessel, bequeme Sitzposition: Wer oder was sollte mich aufhalten? Den armen Super-U schnappe ich garantiert noch vor München. 

Fatal für die Psyche sind die Geschwindigkeitsbegrenzungen. Verflixtes Tempo 100 bei freier Bahn. Im Kopf melden sich Engelchen und Teufelchen. „Mach langsam, du weißt, was im Reglement steht: fahren nach StVO. Und wenn sie dich in den nächsten acht Monaten noch mal mit zu viel Tempo erwischen, ist dein Lappen weg“, mahnt Engelchen. Der kleine Satansbraten erwidert: „Gib Stoff! Es wird schon schiefgehen. Sinnfreie Speedlimits sind etwas für willenlose Weicheier. Du siehst doch selbst, nichts los hier – oder willst du gar nicht gewinnen?“ Die besseren Argumente hat mal wieder der Teufel.

Wo zur Hölle ist Super-U?

Noch etwas freier interpretiert PS-Aushilfsheizer Tobias Wassermann („Tobi 2“) die Regeln und rauscht zwischen München und Nürnberg vorbei. Mist, er ist doch nach mir gestartet! Dazu stellt er auf der Suzuki Hayabusa einen ernst zu nehmenden Gegner dar: großer Tank, Mörderleistung, ein absolutes Speedbike. Angedeutet hatte sich seine Vollgas-Strategie schon gestern bei der Anfahrt von Stuttgart nach Berchtesgaden, dem inoffiziellen Qualifying. Bei der geringsten ­Lücke verschwand er auf Nimmerwiedersehen. Allmählich zweifle ich am sicher geglaubten Sieg. Und wo zur Hölle ist Super-U? 

Erst nach 460 Kilometern hole ich ihn auf seinem Schleiferchen ein. Wie hat er das nur angestellt? Später wird er behaupten, er hätte sich weitgehend an die Tempolimits gehalten. Ja, nee, is klar. Ich brettere mit Mach 2 vorbei und deute frech auf mein Heck, er solle mir doch folgen. He, he, das tut gut.

Zwei Tankstopps unterwegs und ein weiterer am Ziel genügen

Bis auf die üblichen dauerlinksfahrenden Oberlehrer, zweieinhalb Stunden Dauerregen und eine 50-Kilometer-Baustelle nach Hamburg verlaufen die restlichen Kilometer total ereignislos. Auf der KTM 1290 Super Adventure genügen zwei Tankstopps unterwegs und ein weiterer am Ziel, der die Ankunftszeit belegt. Als Reisegeschwindigkeit dienen 180 km/h. Der Verbrauch hält sich dabei in Grenzen, und außerdem beginnt die Österreicherin bei höheren Geschwindigkeiten deutlich zu pendeln. Dazu könnten Wind- und Lärmschutz für eine Reiseenduro besser ausfallen. Doch sonst ist das Bike ein herrlicher Kilometerfresser mit allem Pipapo.

Allerdings springt die etwas launenhafte Restreichweiten-Anzeige der KTM 1290 Super Adventure kurz vor dem Ziel von sechzig Kilometern plötzlich auf null. Mit der Tankfüllung hat die Fuhre schon über 400 Kilometer auf dem Buckel. Jetzt bitte nicht schlappmachen! Zwölf Kilometer Bangen, dann endlich die erlösende Tanke in Flensburg. 26,27 Liter passen ins Spritfass. Zeit: 13.10 Uhr. Nicht schlecht. Doch das Zittern geht weiter. Wo stecken die anderen? Reicht das für den Sieg?

KTM 1290 Super Adventure - das Endergebnis

Fahrer: Volkmar Jacob 

Taktik: Rund 180 km/h, ganz wenig Tanken, Speedlimit nach Gefühl

Tankungen: 3

Fahrzeit: 8 Stunden 43 Minuten

Suzuki Hayabusa

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Aushilfs-PSler Tobi Wassermann auf der Suzuki Hayabusa.

Heinz Rühmanns Lehrer Bömmel in der „Feuerzangenbowle“ hätte gefragt: „Watt iss ene Schnappesidee?“ Und ergänzt: „Do stelle mer ons mal janns domm!“ Nun, eine Schnapsidee wird üblicherweise zu vorgerückter Stunde, gerne auch nach ausgiebigem Genuss mehr oder weniger gehaltvoller Getränke geboren. Auch Rauchwaren oder Filmchen dienen manches Mal als Inspiration für etwas, das man nach Erledigung dieser Eingebungen meist sofort bereut. In unserem Fall könnte eine B-Movie-DVD mit einem Titel vom Schlage „Canonball“ oder „Hart am Limit“ der Auslöser gewesen sein. Zum Wesen einer Schnapsidee gehört auch, dass, je stärker die Gefahr der Verwirklichung droht, der mitunter spärliche sittliche Nährwert kritisch hinterfragt wird. Wie auch immer, jedenfalls war einer der ursprünglich vorgesehenen Kollegen kurzfristig „verhindert“, und ich wurde mit den Worten „Pack dir 'ne Zahnbürste und 'nen warmen Pullover ein und komm her“ in die Redaktion eingeladen.

Dort erfuhr ich vom Plan. Und weil eine Schnapsidee nicht gleichbedeutend mit Anarchie ist, gibt’s auch ein strenges Reglement. Vor allem damit will man mich vom Sinn dieser Nummer überzeugen, was nur mäßig gelingt, ich aber als umgänglicher Typ sicher nicht ohne Vorsatz angerufen wurde und schließlich schon deshalb einwillige, weil ich noch nie in meinem Leben in Flensburg war. Also – ich bin dabei!

Hayabusa nach wie vor ein formidables Langstreckenbike

Das Losglück bringt mich auf die Suzuki Hayabusa. Obwohl mittlerweile schon seit 16 Jahren auf dem Markt und technisch nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit, ist sie nach wie vor ein formidables Langstrecken- und Autobahnbike, das seinen Piloten zwar im Old School-Style über den Tank spannt, aber dennoch durchaus komfortabel ist. Die 400 Kilometer Anreise bis zum Startort nutze ich zum Kennenlernen und Ausloten der realen Reichweite. Ein echtes Qualifying!

Nach einer kurzen Nacht rolle ich um 4.35 Uhr zum Start. Da sind schon alle weg. Verdammt, die meinen es tatsächlich ernst. Meine Taktik ist einfach: volle Rotze, alles was geht. Leider ist dann spätestens nach rund 170 Kilometern Ebbe im Fass. Weil genau dort üblicherweise keine Tankstelle steht, muss ich bereits nach gut einer Stunde und 145 Kilometern das erste Mal stoppen. Schnitt 124 km/h. Gar nicht mal so schlecht, denn freies Fahren war längst nicht überall möglich.

Regen ab Bayreuth zwingt zum Tempodrosseln

So ab 230 km/h neigt die mit einer Gepäckrolle beladene Suzuki Hayabusa in langen Kurven zum Pendeln. Rechtsrum komischerweise mehr als linksrum. Ab 240 fängt der Helm an zu vibrieren und darüber bis zu Tacho 299 verschwimmt deswegen der Blick. Apropos Schwimmen: Der einsetzende Regen ab Bayreuth zwingt zum Tempodrosseln. Dennoch läuft es ausgesprochen gut: Der nächste Stopp erfolgt nach 76 Minuten und 183 Kilometern im fränkischen Pegnitz. Macht einen Schnitt von 150 km/h. Besser wird es, wie sich später herausstellt, auf dieser Tour nicht mehr werden. Zwar konnte ich kurz vor dem zweiten Stopp Jacko überholen und einen formidablen Sonnenaufgang samt Regenbogen erleben, doch dann kam die Ursache des Bogens: Regen. Und mit ihm der Berufsverkehr. Also Taktikwechsel, ab jetzt wird aktiv mitgeschwommen.

Aber nur äußerlich. Die Klamotten – winddichter Unteranzug, Fleecepulli, einteilige Lederkombi, Softshell-Weste und Regenkombi – sind warm und halten dicht. Da die Handschuhe bei langen Regenfahrten immer ein Schwachpunkt sind, hilft ein Trick: einfach Einweg-Dieselhandschuhe drunterziehen. Da werden die Fingerchen zwar trotzdem kalt, bleiben aber trocken.

Kippe weg und los!

Und da ich schon beim dritten Tankstopp in Osterfeld nicht allzu lange brauche, um meinen Ehrgeiz davon zu überzeugen, dass ja nicht ich die Schnapsidee hatte und mir mein Wohl über alles geht, nehme ich mir die Zeit und stecke mir eine Pausenkippe an. Plötzlich taucht Uwe auf der Yamaha YZF-R3 auf. Ja gibt‘s denn das? Kippe weg und los: Von 42 PS lasse ich mich sicher nicht eindampfen, und ich ziehe wieder die Tristesse des nassen Autobahnballerns dem persönlichen Genuss vor. Beim nächsten Stopp taucht Uwe aber wieder auf. Diesmal bleibe ich stehen und zeige mich besonders freundlich. Dem tief gebückten und gebeutelten PSler schenke ich einen Schokoriegel mit der Aufschrift „Speed“. Da er meine warme Geste missdeutet, lege ich halt wieder los.

So ziehen die Kilometer dahin, Königslutter und Hamburg werden die nächsten Tankstopps heißen. Der Schnitt sinkt bis auf 86 km/h um die Hansestadt herum. Zwischendurch bleibt Zeit, sich Gedanken zu machen. Nicht immer sind sie druckreif. Weil: Der Arsch tut weh, der Nacken brennt, oder war es andersherum? Warum fahren alle links? Und vor allem, warum so langsam? Außerdem: eine leere, tempokastrierte Autobahn auf der Suzuki Hayabusa ist wie Pornos gucken mit auf dem Rücken zusammengebundenen Händen. Letztendlich eher unbefriedigend. Aber auch dieses Leiden hat ein Ende. Um 14.13 Uhr laufe ich als Vorletzter in Flensburg ein. Zur Belohnung und – Sie erinnern sich – der Idee wegen gibt es einen Schnaps. Und die Rückfahrt? Bloß nicht dran denken.

Suzuki Hayabusa - das Endergebnis

Fahrer: Tobi Wassermann 

Taktik: Vollgas, bis der Genussmensch in dir erwacht

Tankungen: 7

Fahrzeit: 9 Stunden 38 Minuten

Yamaha YZF-R3

fact
PS-Chef Uwe Seitz und die Yamaha YZF-R3.

Um drei Uhr war meine Nacht schlagartig vorbei. Direkt vor meinem Hotelfenster veranstaltet jemand mit einer Ducati 1199 Panigale ein Höllenspektakel. Tobi legt los! Also auf – bloß nicht auch noch als Letzter vom Hof. Nach einem kurzen Sprung durch die sternenklare Nacht im Berchtesgadener Land und einem Kaffee an der Start-Tanke holt mich das reale Leben in Bad Reichenhall ganz schnell ein. Auch ich werde Zeuge der Grenzkontrollen. Der Gedanke an die abgefangenen Menschen und ihr ungewisses Schicksal dämpft meinen Frust über das R3-Los augenblicklich. Die Yamaha YZF-R3 schnurrt derweil unter mir gen München und signalisiert unmissverständlich, dass bei 175 km/h auf dem Tacho Schluss ist. Bei Topspeed und knapp 10.000/min geht außerdem der große helle Schaltblitz an, den ich nicht eingestellt bekomme und der mich in der Dunkelheit nervt. So pendele ich mich auf knapp 170 km/h ein, wenn es die Verkehrsregeln zulassen. 

Der Stresslevel auf so einem Bike ist auf leerer Autobahn niedrig. Selbst engere Windungen gehen voll. Entsprechend wird es ganz schnell langweilig. Ich spiele Kennzeichenraten, summe mich quer durch mein Plattenregal und versuche dabei, so entspannt es geht hinter die niedrige Verkleidung zu schlüpfen. Ein quer über die Fahrbahn verlaufender Wulst reißt mich aus der Lethargie. Die weiche Gabel der Yamaha YZF-R3 ist diesem plötzlichen Impuls nicht gewachsen und lässt den Lenker für einen Moment gewaltig zappeln.

Tank der Yamaha YZF-R3 fasst 14 Liter

Kurz vor Ingolstadt die erste Tankung. Wenig mehr als 10 Liter gehen nach etwa 210 Kilometern rein, 14 Liter fasst der Tank der Yamaha YZF-R3. Kein übler Schnitt bei fast immer Vollgas. Ich beschließe, diesen Rhythmus beizubehalten, waghalsige Spättank-Aktionen zu lassen und merke an meiner Schultermuskulatur, dass so eine Pause nach knapp 90 Minuten geduckter Fahrt ganz schön erlösend sein kann. 

Kalt ist es noch dazu, auch die zaghaften ersten Sonnenstrahlen vorbei an Nürnberg bringen noch keine Wärme. Der Verkehr ist verhalten, und nur selten muss ich mit dem moderaten Reihentwin einem schnelleren Auto Platz machen. Das ist gut so, denn die Sicht nach hinten in den Spiegeln ist relativ bescheiden. Wenn ich mich nicht zur Seite beuge, sehe ich nur meinen Arm. Jetzt fängt auch mein Hintern richtig an zu brennen. Das Sitzbrötchen der Yamaha YZF-R3 ist verdammt weich und schnell durchgesessen. Noch locker 700 Kilometer! Wenigstens tröstet mich das Schauspiel der Dämmerung am Himmel über die Schmerzen im Sitzfleisch hinweg.

Regen macht die Sache nicht einfacher

Dann setzt Dauerregen ein. An der nächsten Tanke steht dann Tobis Suzuki Hayabusa auf dem Parkplatz. Kurzer Plausch, jeder pfeift sich einen Schokoriegel rein und weiter. Kaum fünf Minuten später schießt die Suzuki an mir vorbei. Bye-bye mein Freund, schießt es mir durch den Kopf, und mit einem Gefühl von Chancenlosigkeit bollere ich einsam Richtung Hof. Tiefes Twin-Brummen reißt mich dort aus meinen Gedanken. Jacko schwingt sich mit der KTM 1290 Super Adventure fies grinsend direkt neben mich und fordert mich hämisch auf, einfach an seinem Heck zu bleiben. Das größte Manko der R3 ist das Fehlen jeglicher Waffensysteme. Eine Boden-Boden-Rakete hätte es nicht mal sein müssen, eine Salve Dartpfeile hätte mir schon gereicht. Noch bevor meine letzten Flüche mein Visier vollends vernebeln, ist die KTM über alle Berge. Apropos Berge: Mit der Yamaha YZF-R3 sollte man, um eben jene gekonnt zu überqueren, vorausschauend fahren und genug Schwung mitnehmen, denn sonst wird es mit 140 km/h maximalem Speed gewaltig zäh. 

Leider ist es jetzt schon heller Tag, und das bundesweite Treffen des „Vereins talentfreier Autofahrer“ hat bereits auf der Mittelspur begonnen. Warum man trotz kilometerlanger LKW-Abstinenz im Schneckentempo immer mittendrin fahren muss, geht mir nie in den Kopf. Diese Unart verursacht bei 42 PS jetzt echten Stress, denn nach hinten heißt es Ausschau halten nach den Speed-Jungs, während vorn der Mittelspur-Besetzer parkt. Da muss die Yamaha YZF-R3 irgendwie durch. Der Regen macht die Sache auch nicht einfacher.

62,01 Liter auf 1138 Kilometern

Richtig gut für seine Verhältnisse macht der Yamaha-Twin seine Sache zwischen 9000 und 11.000/min. Während drunter fast Roller-Feeling herrscht, legt das Bike in diesen Drehzahlen richtig los. Das ist Supersport-Feeling für Einsteiger. Wer die Yamaha YZF-R3 so bei den Hörnern nimmt, weiß später, wie man eine R6 über die Piste peitscht.

Der Rest ist Geduld, regelmäßiges Tanken und Lockerungsübungen gegen die Schmerzen in Hintern und Oberkörper. Und so erreiche auch ich schließlich Flensburg. Ohne die längere Pause bei Hannover, weil ich meinen Kopf kaum noch drehen konnte, wären sicher 20 Minuten weniger drin gewesen. Aber 62,01 Liter auf 1138 Kilometer ist ein beachtlicher Wert.

Yamaha YZF-R3 - das Endergebnis

Fahrer: Uwe Seitz

Taktik: Losfahren, leiden, leiden, noch mehr leiden, ankommen, Flens trinken

Tankungen: 7

Fahrzeit: 10 Stunden 17 Minuten

Technische Daten

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Unterschiedlicher könnten die Bikes kaum sein. Die Reaktionen der Fahrer auf das Losglück übrigens auch nicht.

Fazit

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Ducati 1199 Panigale, Yamaha YZF-R3, Suzuki Hayabusa und KTM 1290 Super Adventure.

Tobi Münchinger

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Tobi Münchinger.

Sie knechtet dich wie eine Domina und nimmt auch noch gewaltig viel Geld dafür. Damit ist die Ducati 1199 Panigale fester Bestandteil des echten Lebens, in dem man leider auch Niederlagen hinnehmen muss. Hätte ich mich nicht verfahren, hätten sich die Schmerzen voll ausgezahlt und ich hätte gewonnen lieber Jacko, du Klapphelm-Gurke!

Platz 2: Ducati 1199 Panigale - 9 Stunden 22 Minuten

Volkmar Jacob

fact
Volkmar Jacob.

Hätte, hätte, Ducati-Kette! Der Tobi 1 mag sich noch so gute Ausreden einfallen lassen, es kann nur einen Sieger geben und der bin nun mal ich. Außerdem, wie entspannt ich erst in Flensburg von der KTM 1290 Super Adventure gestiegen bin! Mir haben die anderen drei richtig leidgetan, wie sie steif wie Quasimodo noch Stunden später über ihrer Pizza hingen, har har har!

Platz 1: KTM 1290 Super Adventure - 8 Stunden 43 Minuten

Tobi Wassermann

fact
Tobi Wassermann.

Ein japanisches Sprichwort sagt – wahrscheinlich: „Ein Falke fliegt nur schnell, wenn seine Flügel nicht nass sind.“ Im Autobahnirrsinn unter Dauerregen kannst du die Power der Suzuki Hayabusa nicht ohne echte Lebensverachtung einsetzen. Jacko hatte nicht nur Los-, sondern auch noch Wetterglück. Das Wasser soll ihm nächstes Mal in den Klapphelm rinnen!

Platz 3: Suzuki Hayabusa - 9 Stunden 38 Minuten

Uwe Seitz

fact
Uwe Seitz.

Ich bin 1986 mit der MTX 80 vom Schwarzwald nach Schottland gefahren. Damals muss ich leidensfähiger gewesen sein. Trotzdem hat mich die Yamaha YZF-R3 verlässlich durch Deutschland gebeamt und dabei den Geldbeutel geschont. Aber mal ehrlich: Noch mal auf Losglück verlasse ich mich nicht mehr. „Ich Chef, du nix“ ist mein neues Motto, lieber Jacko.

Platz 4: Yamaha YZF-R3 - 10 Stunden 17 Minuten

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PS 10 / 2023

Erscheinungsdatum 13.09.2023