Betrug oder wirklich so gut?: Ducati Multistrada V4 nach 100.000 Kilometern

Ducati Multistrada mit 100.000 Kilometern
Nach 100.000 Kilometern ein neuer Motor

ArtikeldatumVeröffentlicht am 28.09.2025
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Blicken wir dreieinhalb Jahre in die Vergangenheit. Anfang 2022 rollt die frische Multistrada V4 S in die Redaktionsgarage. Gekommen, um zu bleiben, und zwar nicht nur für die üblichen 50.000 Kilometer, sondern für die doppelte Distanz: 100.000 Kilometer. Warum? Nun ja, zum einen ist die Multi nicht irgendein Motorrad, sondern unter den Reiseenduros ein Platzhirsch.

Und zum anderen stellte sich ihre größte Konkurrentin, die BMW R 1250 GS, ebenfalls bereits den 100.000 Kilometern. Was die GS kann, kann die Multi ja wohl auch, oder? Spoiler, ja – die 100.000 sind geschafft. Wir arbeiten zum Abschluss noch mal die Fahrtenbücher durch und schauen, was so los war.

Frühe Kilometer und erste Werkstattaufenthalte

Nach ihrer Ankunft im Dauertest-Fuhrpark war die Multistrada sofort der Liebling aller Tester, die längere Touren (oder Dienstreisen) zu bewältigen hatten. Nach einem Dreivierteljahr standen bereits 25.000 km auf der Uhr, und das erste Viertele war abgespult. Und dies, obwohl die Multi wegen einer Rückrufaktion (Schalldämpfer-Hitzeschutz und Hauptständerbefestigung) und einem kleinen Rutscherle auf Schotter (den Sturzbügel und Koffer souverän abfingen) zwei kurze ungeplante Werkstattaufenthalte benötigte.

Beim Crash-Check-up tauschte Ducati außerdem die vorderen Radlager, die aufgrund von Wassereintritt für Vibrationen beim Bremsen sorgten. Größere technische Probleme gab’s derweil nicht, und die Lobeshymnen in den Fahrtenbüchern über den Fahrkomfort, aber auch die Handlichkeit der optisch wuchtigen Multi häuften sich. Die Kartennavigation, die von der Ducati-App ins Cockpit übertragbar ist, gefiel den reisenden Testern ebenfalls, wenn auch mit Abstrichen. Komplizierte Kopplungsprozedur und zu kleines Smartphone-Fach waren und sind auf Dauer nervig.

Ausflug auf die Rennstrecke und ein Diebstahlversuch

Doch auch abseits des Langstreckentourings überzeugte die Dauertest-Multi. Die Kollegen der Schwesterzeitschrift PS fassten sie zum Beispiel für einen Rennstrecken-Test auf dem Rheinring aus. Ja, wirklich, Rennstrecke. Weil Metzeler den Sportreifen M9 RR 2023 auch in Großenduro-Dimensionen brachte, kam die Multi in den Genuss von ein paar amtlich flotten Runden um den Kringel, auf denen Antrieb und Bremse allen Strapazen klaglos standhielten. Dieser Abstecher war natürlich nur eine Ausnahme, und die Multi raspelte im Redaktionsalltag anschließend wieder fleißig Tourenreifen runter. Sie fühlte sich dem Rennsport aber offensichtlich verbunden und begleitete Sport-Redakteur Peter Mayer zur legendären TT auf der Isle of Man.

Auf dem Weg zur Fähre wurde sie aber Opfer eines dreisten Diebstahlversuchs. Nach einer Übernachtung am Liverpooler Hafen meldete Peter sie morgens als vermisst, glücklicherweise tauchte sie wenige Stunden später hinter einem Container wieder auf. Die Diebe hatten das Lenkschloss aufgebrochen (950 Euro Schaden, plus Montage), das Bike aber nicht starten können – Glück gehabt!

Das Bild zeigt eine zerlegte Ducati Multistrada V4 S nach 100.000 Kilometern
Fact

Halbzeit bei 50.000 Kilometern

Bis zur 50.000er-Marke dauerte es wieder nicht lange, und es blieb alles wie gehabt: viel Lob für die tollen Fahreigenschaften, kleinere Beschwerden über den hohen Verbrauch, der nach einem Update des Motormappings immerhin leicht sank. Und keine größeren Probleme (eine schlappe Batterie und einen im Koffer abgebrochenen Schlüssel klammern wir mal aus), wären da nicht wieder die Radlager.

Nach den vorderen waren auch die hinteren Lager bald mit Wasser geflutet und lösten sich unter Chefredakteur Uwe Seitz auf der Autobahn in ihre Einzelteile auf – Weiterfahrt nicht möglich, im Transporter ab in die Werkstatt. Dort wurde klar, dass leider auch die Hinterradfelge Schaden genommen hatte. Es blieb nur der Tausch, der zum Glück auf Garantie ging.

Überarbeitungen und Verbesserungen

In der zweiten Hälfte des Dauertests sollten die Radlager halten. Ducati tauschte sie am Hinterrad trotzdem im Rahmen der 75.000er-Inspektion nochmals und verbaute dazu überarbeitete Distanzhülsen, die Wassereinbrüche besser verhindern sollen. Außerdem wurden ausgeblichene Kunststoffteile an der Front auf Garantie ersetzt. Begründung: "Vom Hersteller aus Analyse-/Qualitätssicherungsgründen angefordert."

Das Bild zeigt eine zerlegte Ducati Multistrada V4 S nach 100.000 Kilometern
Wassermann

Der finale Service

Der finale Service erfolgte bei 90.000 Kilometern. Hier tauschte Ducati "nach Rissbildung" den Mittelschalldämpfer, wieder auf Garantie. Im Fahrbetrieb war bis dato keine Beeinträchtigung spür- oder hörbar. Kurz vor Schluss (96.947 km) machte die Duc noch einmal über die Motorkontrollleuchte auf sich aufmerksam. Keine Geräusche, kein Leistungsverlust und wie sich beim Check in der Werkstatt herausstellte auch kein Problem – Fehler löschen und weiterfahren.

Wohl nur ein lieb gemeinter Abschiedsgruß der Multi an die Mechaniker des Vertragshändlers Limbächer & Limbächer in Filderstadt, die sich immer gut um sie gekümmert haben. Die Angewohnheit, ab und zu über die Kontrollleuchte zu warnen (zum Beispiel nach Abwürgen des Motors), war zudem schon bekannt. Als Testredakteur René Correra die Multi auf den letzten Kilometer führte, war aber Ruhe, und sie rollte souverän über die imaginäre Ziellinie. Irgendwo in einem Wohngebiet nahe Stuttgart.

Fazit nach 100.000 Kilometern

Bis zuletzt hatte sich übrigens an den positiven Fahrtenbucheinträgen nichts geändert, und dass Motor und Chassis sich nach 100 000 km in einem hervorragenden Zustand befinden, bestätigt das finale Zerlegen und Vermessen. Unter strenger Beobachtung der MOTORRAD-Werkstatt-Crew benötigten zwei Ducati-Mechaniker rund einen Arbeitstag, um den tragend ins Chassis integrierten Motor auszubauen. Äußerlich zeigt er nur an den Magnesiumteilen leichte Korrosionsspuren, im Inneren wirken viele Bauteile fast neuwertig (siehe Vermessungsprotokoll Seite 50). Mehr als kleine Betriebsspuren und deutliche Abnutzungen an den Schaltklauen des Getriebes konnte die lange Distanz der Mechanik nicht anhaben. Bei der Abschlussmessung fand der Prüfstand dann auch noch fast 6 PS mehr in der Multi als zu Dauertestbeginn.