BMW R 1200 GS, Kawasaki Z 800, Suzuki GSX-R 1000

BMW R 1200 GS, Kawasaki Z 800 und Suzuki GSX-R 1000 im Test
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Alpentest mit Data-Recording

© Bilski 24 Bilder

Wie viel Zeit fährt ein Superbike im Attacke-Modus auf der Autobahn heraus? Ist die GS in den Bergen tat­sächlich unantastbar? Und wie schlägt sich ein Mittelklasse-Naked auf dieser Exkursion? Das klärt der PS-Test mit BMW R 1200 GS, Kawasaki Z 800 und Suzuki GSX-R 1000.

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Sven lauert schon. Auf dem Beschleunigungsstreifen der Autobahn zieht er die Brause dann voll auf, drängt auf die linke Spur und geht in Rennhaltung. Heute will der Draufgänger mit der Suzuki GSX-R 1000 beweisen, dass maximaler Speed auf der Bahn entgegen der landläufigen Meinung eben doch viel Zeit spart. An seinem Hinterrad kleben die BMW R 1200 GS und die Kawasaki Z 800 . Das unterschiedlich besetzte Trio brennt für einen Zwei-Tages-Trip Richtung Alpen, um einige Dinge zu klären: Wie viel Zeit fährt ein Superbike im Attacke-Modus auf der Autobahn heraus? Ist die GS in den Bergen tat­sächlich unantastbar? Unbestechliches Data-Re­cording soll dort endgültig Klarheit schaffen. Und wie schlägt sich ein Mittelklasse-Naked auf dieser Exkursion?

Wieviel Vorsprung kann die Gixxe rausfahren?

Sven scheint Pech zu haben. Auf der Auto­bahn herrscht Hochbetrieb, dazu überall Baustellen. Nicht gerade beste Voraussetzungen fürs Express-Tempo. Die Route führt von Böblingen bei Stuttgart über Ulm und Kempten nach Füssen. Von dort geht‘s nach Österreich, insgesamt warten rund 230 Autobahnkilometer auf Fahrer und Bikes. Eine fiese Distanz, denn bei moderater Fahrweise sollten die Maschinen die Strecke ohne Tankstopp schaffen. Was ist schneller? Voll ballern und tanken oder Sprit sparen und durchziehen?

Wenige freie Kilometer reichen Sven, um sich mit der Gixxer außer Sichtweite zu katapultieren. Offensichtlich wählt er die erste Variante. Derweil kämpfen Kawasaki Z 800 und BMW R 1200 GS um den Anschluss. „Tacho 236, mehr war auf der Z 800 nicht drin“, wird der PS-Gasttester und bekennende Kawa-Fan Tobias später zu Protokoll geben. „Dieses Tempo hält er auf Dauer eh nicht durch“, griene ich während des Fights in mich hinein.

Auf der Gummikuh verkraftet man den Topspeed von Tacho 230 km/h dagegen ewig. Sie ­bietet hervorragenden Windschutz, die variable Scheibe lässt sich auf fast jede Körpergröße und persönliche Vorliebe – viel, wenig, gar kein Wind – einstellen. Soll absolute Windstille herrschen, beugt der Pilot einfach seinen Kopf leicht nach vorn und unten. Auch die Stabilität bei Höchstgeschwindigkeit überrascht. Trotz statt­licher Höhe, langen Federwegen und breitem Lenker, über dessen Hebel der Fahrer normalerweise immer etwas Unruhe in die Fuhre leitet, zieht die BMW R 1200 GS äußerst gelassen ihre Bahn.

9,5 Liter/100 km gegen 6,2 und 7,3 Liter

Erst nach über der Hälfte der Distanz nimmt der Verkehr etwas ab. So oft wie möglich bekommt die BMW R 1200 GS die Sporen. Der Sprit müsste genügen, die Restreichweite im Cockpit arbeitet sehr zuverlässig. Nach einer Stunde und 45 Minuten erreiche ich das vereinbarte Ziel. Sven und die Suzuki GSX-R 1000 warten schon. „Ich bin seit fünf Minuten hier, musste unterwegs allerdings noch tanken“. Unglaublich: Trotz starken Verkehrs und eines Tankstopps fährt der Kerl einen deutlichen Vorsprung heraus. „Harakiri-Aktionen habe ich keine geritten, doch du musst den Autofahrern deine Über­holabsichten schon deutlich signalisieren und zum Beispiel den Blinker setzten.“

Nach weiteren sechs Minuten trudelt Tobi ein: „Zum Schluss bin ich höchstens noch 150 Sachen gefahren. Dauerhaft hältst du einen höheren Speed nicht aus.“ Auf dieser Etappe flossen bei der Suzuki GSX-R 1000 durchschnittlich 9,5 Liter auf 100 Kilometer durch die Einspritzdüsen, die Kawasaki Z 800 genehmigte sich 6,2 und die BMW R 1200 GS 7,3 Liter. Das ist weniger als vermutet. Doch bei freier Bahn lägen die Verbräuche von Suzi und GS garantiert einiges höher.

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Drei Kampfhähne in den österreichischen Alpen

Nach der Bolzerei auf der Autobahn warten die österreichischen Alpen auf die drei Kampfhähne. Kurven ohne Ende, die reinste Achterbahn, yes! Hier wird sich herausstellen, ob die vermeintlich übermächtige Gummikuh vollstreckt. Der sportliche Ehrgeiz von Suzuki GSX-R 1000 und Kawasaki Z 800 erlaubt der BMW R 1200 GS den Shootout auf ihrem ureigensten Terrain: enge Kehren, kurze Geraden, wenig offene Fläche. Wer sie hier schlägt, schlägt sie überall.

Die Strecke wählten wir schon am Vortag, und der Zeitenfahrer schoss sich auf sie ein. Heute reicht eine kurze Besichtigungsrunde um zu checken, ob die uniformierte Race-Control patroulliert. Niemand in Sicht, es kann losgehen. Jetzt kommt das Data-Recording zum Einsatz. Das System zeichnet GPS-unterstützt jeden Millimeter der Teststrecke auf und veranschaulicht bei der Auswertung, wo welches Bike wie schnell war und wie viel Gesamtzeit es benötigte.

Suzuki GSX-R 1000

Als aussichtsreiche Herausforderin macht die Kilo-Gixxe den Anfang. Die erste Kehre lauert. Voll in die Eisen steigen, Blick auf den weiteren Verlauf richten, Kurve schneiden und durch! Geht doch. Allerdings möchte die Suzuki bei dieser Übung aktiv gefahren werden, Gewichtsverlagerung und etwas Krafteinsatz sind Pflicht. Beim Herausbeschleunigen dann der erste Rutscher. Mist, ganz schön glatt hier! Blank polierten Asphalt trifft man auf Pässen häufiger an, ein geschultes Auge und vorsichtiges Herantasten helfen, Ab­flüge zu vermeiden. ABS und Traktionskontrolle tun das ebenfalls. Leider verfügt die Suzuki GSX-R 1000 nicht über solche Features, also muss es das Popometer richten.

Nach weiteren Kehren, einigen Mini-Slides und knappen Verbindungsstücken wird die Straße offener. Endlich mal voll beschleunigen! Yeah, now you’re talking, Baby! Durch die etwas schnelleren Ecken pfeilt die GSX-R 1000 sehr zielgenau und stabil, hier ist sie in ihrem Element. Kurz vor Schluss noch durch den langen Linksbogen preschen, er markiert mit 126 km/h den schnellsten Streckenabschnitt. Dann ankern, denn die rund 1,7 Kilometer lange Teststrecke ist schon zu Ende. Auf der Uhr stehen 1.41,8 Minuten. Doch was ist diese Zeit wert?

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Kawasaki Z 800

Nun rollt die Kawasaki Z 800 an den Start. Mit ihren rund 800 Kubikzentimetern Hubraum wirkt die Nackte etwas zahnlos gegenüber der bärenstarken Suzuki. Ein wehrloses Opfer? Mitnichten! Wie sie gleich beweisen wird, hat es die Kleine faustdick hinter den Zylindern. Doch erst muss sich ihr Pilot auf die Gasannahme einstellen. Denn beim sanften Gasanlegen reagiert die Kawa kurz mit einem unwilligen Brrrrrb, um gleich darauf abrupt loszulegen. Das verzögerte Ansprechverhalten mit dem darauf folgenden, etwas harten Leistungseinsatz hatten auch schon andere Testbikes, doch bei dieser Zett ist die Eigenart recht ausgeprägt.

Eine weitere Besonderheit betrifft die Sitzposition. Auf der Kawa kauert der Pilot sehr Vorderrad-orientiert, wodurch viel Gewicht auf der breiten, flachen Lenk­stange lastet. Bequem ist anders, doch schließlich will die Z 800 ja ein richtig fieser Streetfighter sein. Außerdem vermittelt die Haltung viel Gefühl für die Front. Ähnlich wie die Suzuki möchte die Kawasaki Z 800 aktiv in die Kurven geführt werden. Körpereinsatz ist auch aufgrund ihres hohen Gewichts von über 227 Kilo gefragt. Bei entsprechendem Eifer fegt sie aber sehr flott durchs Geläuf und hält sauber die Linie.

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Bremsen könnten kräftiger zupacken

Die Stopper könnten für sportliche Belange allerdings etwas kräftiger zupacken. Doch wer fleißig am Hebel zieht, den belohnt der Feger mit adäquater Verzögerung. Und das ABS ist bei gestrecktem Galopp auf dem rutschigen Belag Gold wert. Gesamtzeit? 1.41,9 Minuten. Richtig gelesen, die Kawasaki Z 800 verliert nur ein akademisches Zehntel auf die Suzuki GSX-R 1000! Wie ist das möglich? Hauptsächlich wegen ihrer kurzen Übersetzung.

BMW R 1200 GS

Nun schlägt die Stunde der Wahrheit. Pulverisiert die BMW R 1200 GS auf dem Alpen-Testparcours die Zeiten der Japanerinnen? Vor ihrem Auftritt stellen wir erst einmal das Setting ein. Die nahezu voll ausgestattete GS bietet dafür reichlich Möglichkeiten. Verschiedene Fahrmodi beeinflussen die Leistungsabgabe, die Gasannahme, die ABS-Regelung, das „Dynamik-ESA“ (semi-aktives, elektronisch gesteuertes Fahrwerk) und die „Automatische Stabi­litätskontrolle“, kurz ASC. Fast schon ein elektronischer Overkill! BMW bezeichnet das ASC nicht als Traktionskontrolle (DTC), sondern als Anti-Schlupf-Regelung. Der Unterschied: Die DTC kommt nur bei den Superbikes S 1000 RR und HP4 zum Einsatz und regelt feinfühliger. Als Fahrmodus klingt „Dynamic“ vielversprechend, rein damit! Und fürs ESA-Grund-set-up wählen wir natürlich „Sport“, das verspricht viel Dämpfung und eine satte Straßenlage.

Aufsitzen und Gas! Auf sportliche Treiber wirkt die Sitzposition mit dem im Vergleich zur Sitzhöhe weit oben montierten Lenker etwas passiv. Außerdem nimmt der Pilot recht weit weg vom Vorderrad Platz, wodurch das Feedback im direkten Vergleich mit der Kawasaki und der Suzuki klar indifferenter ausfällt. Dennoch prescht die BMW R 1200 GS mit einem Wahnsinns-Speed über die Strecke und lässt sich dabei völlig easy dirigieren. Stress? Fehlanzeige! Der 1200er-Boxer schiebt gnadenlos aus den Kehren und lässt sich auch in den schnellen Streckenabschnitten nicht abhängen. Den Beweis liefert das Data-Recording, das der Bayerin den gleichen Vmax-Wert wie der GSX-R bescheinigt: 126 km/h. Beim Bremsen liegt die GS außerdem wie das sprichwörtliche Brett, sagenhaft! Unterm Strich schenkt sie der Konkurrenz mit 1.40,3 Minuten satte 1,5 respektive 1,6 Sekunden ein – auf dieser kurzen Strecke eine klare Ansage.

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Perfekt ist die Gummikuh nicht

Die Schwächen? Besonders die ersten drei Gänge rasten hör- und fühlbar ein. Außerdem lässt sich der Kupplungshebel zwar kinderleicht ziehen, wegen des recht kurzen Einrückwegs jedoch nicht haarfein dosieren. Dazu rupft die Kupplung beim forschen Beschleunigen mitunter. Und fährt man im Solobetrieb mit maximaler Federvorspannung (ESA: „Sozius und Gepäck“), entstehen aufgrund der steil stehenden Schwinge üble mechanische Geräusche im Antriebsstrang des Kardan-Bikes. Perfekt ist die BMW R 1200 GS also nicht. Doch zumindest in engem Geläuf schwierig zu knacken. Und in weitläufigerem Gefilde? Schwer zu sagen, das käme auf einen Versuch an. Doch das ist eine andere Geschichte.

Fazit

Sportfahrer rümpfen bei der BMW R 1200 GS oft die Nase, was man durchaus verstehen kann. Doch ihre Qualitäten auf der Bahn und in den Bergen hat sie eindrücklich bewiesen, weshalb ihr der Sieg in diesem Spezialtest gebührt.

Auf Platz zwei landet die Suzuki GSX-R 1000. Beim Tempobolzen macht ihr keiner etwas vor, lediglich im Haarnadel-Gedränge hat sie etwas Mühe.

Auf Passstraßen lässt sich die Kawasaki Z 800 von der Gixxe nicht so leicht abhängen, was sie ihrer kurzen Übersetzung verdankt. Autobahn-Ballern? No way!

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