- Eleganter Elefant
- Für den Dreck aus dem Dreck
- Bewährter Twin für alle Strecken
- Die Ducati kann Offroad
- Für Offroad-Cracks
- Desert X: Keine Hard-Enduro
- Straßensport mit 21-Zoll
- Fazit
Diese Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 21/18. Erstmals seit den 1960er Jahren gibt es wieder eine Ducati mit diesen Radgrößen, und nichts unterstreicht den Willen zu echtem Geländeeinsatz heute mehr als ein 21-Zoll-Vorderrad mit grob profiliertem Reifen.
Das schürt Zweifel an der echten Straßentauglichkeit, denn ein schmaler Reifen mit solch großem Durchmesser neigt auf Asphalt gern zum Aufstellen auf der Bremse und bietet dazu wenig Grip und Gefühl fürs Vorderrad. Und dann gibt es diese Ducati noch nicht mal in Rot! Was steht da also vor uns?
Eleganter Elefant
Die DesertX zitiert mit ihrem weißen Kleid, den schwarzen Sprenkeln am Windschild und den markanten Doppelscheinwerfern eine Ducati-Vergangenheit, die wie die Bestimmung der DesertX selbst sehr ambivalent ist. Die älteren unter uns erinnern sich an die Cagiva Elefant. Versehen mit einem 900er-Ducati-V2 Motor gewann die Elefant zwar ein Rennen – und nichts lieben sie in Borgo Panigale mehr als sportliche Triumphe. Aber der Dakar-Champion von 1990 wurde eben nicht in Bologna, sondern in Varese gebaut. Und kann damit im strengen Sinne keine echte Ducati sein. Droht dieses Schicksal nun gar auf ganzer Linie auch der DesertX?
Für den Dreck aus dem Dreck
Die Entwicklung der DesertX begann im Dreck. Die ganze Konstruktion des Chassis, die Front mit Lenkkopfwinkel, Nachlauf, die Federwege vorn und hinten, die Ergonomie – alles wurde auf den Offroad-Einsatz hin konzipiert und dann in den Prototypen umgesetzt. Als die Ingenieure das als gelungen einstuften, wurde dieses Konzept für die Straße quasi "ducatisiert". Erster Beleg dafür mögen für den Betrachter die sportlichen Brembo-Stylema-Bremszangen sein.
Bewährter Twin für alle Strecken
Als Antrieb dient der 937 cm³ große, 110 PS starke V-Zweizylinder, den Ducati-Fans aus der jüngsten Monster, der Hypermotard, der SuperSport 950 und auch der Multistrada V2 kennen. Und das spricht eindeutig für die Straßentauglichkeit, denn dieser bekannt hochkultiviert laufende Twin hat von unten heraus genug Schmackes, dreht freudig und schön linear durchs Drehzahlband. Serviert dabei ein maximales Drehmoment von 92 Nm bei 6.500/min und nimmt sehr smooth das Gas an. Auf den ersten Asphalt-Kilometern im Touring-Modus unterstreicht der Motor genau das und das gesamte Motorrad macht auf den nahezu bolzengeraden Verbindungsstraßen und der anschließenden Schnellstraßen-Etappe den Eindruck eines sehr guten Langstrecken-Bikes. Die Sitzhaltung ist bequem, es geht flott vorwärts, der Schaltautomat mit Blipper flutscht. So kann man die beeindruckende Naturkulisse Sardiniens genießen.
Die Ducati kann Offroad
Doch bevor es allzu gemütlich wird, setzt der Tourguide den Blinker und wir halten an der Einfahrt zu einer feinsandigen Piste, die den Berg hinauf führt. Zeit für den Enduro-Mode, der die Leistung des Twins auf etwa 75 PS kappt und in dem das ABS speziell für den Offroad-Betrieb abgestimmt wurde. Nun geht es im Stehen weiter. Die Traktionskontrolle erlaubt gerade genug Rutscher am Hinterrad, dass auch Offroad-Anfänger nicht erschrecken und diese Slides sehr bald sogar genießen.
Die gegenüber den schon erwähnten anderen Modellen kürzere Übersetzung im ersten und zweiten Gang steigert diese Freude aus jeder engen Ecke der Sandpiste noch, dass der Staub nur so spritzt. Bei der Anfahrt auf engere Kurven verhindert das ABS fiese Rutscher des Vorderrades perfekt. Für Ungeübte und Grobmotoriker mit den rechten Fingern eine frohe Botschaft, denn die Brembo-Zangen packen wirklich gut zu.
Für Offroad-Cracks
Offroad-Cracks deaktivieren auf solchem Geläuf mindestens hinten das ABS und stellen das Bike so richtig in die Kurve, was auch dank des schön breiten Lenkers und der wirklich guten Balance der DesertX spielerisch gelingt. Über die griffigen Rasten lässt sich die Ducati auch bei höherem Tempo gezielt um Schlaglöcher manövrieren und mit Zupfern am Gashahn und gleichzeitigem Ziehen am Lenker lustvoll über Querrillen oder gröbere Steine heben. Diesen guten Offroad-Eindruck unterstreicht die DesertX auch auf technisch anspruchsvollerem Untergrund, wenn es beispielsweise auf lockerem Geröll eng ums Eck geht oder weit nach vorn gebeugt stehend ein Steilstück hinauf gehechtet wird. Selbst um eng stehende Bäume mit einem Finger an der Kupplung in Schrittgeschwindigkeit zeigt die DesertX, dass sie tatsächlich im Gelände gereift ist.
Desert X: Keine Hard-Enduro
Natürlich ist sie keine Hard-Enduro. Wie auch mit 223 kg? Aber sie macht einfach überall eine gute Figur und setzt schließlich im Rally-Modus dem Ganzen die Krone auf. Hier hat sie volle Leistung, lässt sich wie ein Dakar-Racer in hohem Tempo über Schotter und Sand jagen und tänzelt dabei so cool mit dem Heck, dass man selbst in diesem Enduro-Paradies Sardinien gern direkt in die Wüsten Afrikas durchstarten möchte. Zeigt sich das Fahrwerk mit schön ansprechender Dämpfung schon von seiner sehr guten Seite, ist die Elektronik der DesertX insgesamt einfach der Hammer. Standard der achtstufigen Traktionskontrolle im Rally-Mode ist Stufe 3. Selbst im Eiltempo den Berg hoch wedelt es sich damit so sicher – einfach begeisternd. Wer verwegen ist, geht bei Tempo 80 und mehr gar auf Stufe 2 runter. Den Unterschied spürt man sofort.
Straßensport mit 21-Zoll
Doch irgendwann muss der Spaß doch mal vorbei sein, oder? Schließlich hat Sardinien auch wunderbar asphaltierte und in allen erdenklichen Radien geschwungene Straßen. Schluss mit Staubschlucken! Es wird Zeit für den Sport-Modus der Steuerelektronik. Schön direkt nimmt der Twin jetzt das Gas an, die Leistung von 110 PS, dieser spritzige Motor im leicht wirkenden Motorrad passt perfekt, die Stylema-Bremse glänzt mit kolossaler Dosierbarkeit und knackiger Verzögerung. Und das 21-Zoll-Vorderrad? Verdammt, es fühlt sich an wie ein 19-Zöller. Selbst tiefes Hineinbremsen in die Kurve bringt die DesertX nicht zum Aufstellen. Stabilität auf der Bremse, Linientreue im Kurvenverlauf. Das Gefühl fürs Vorderrad ist gut und verrät, dass der Pirelli Scorpion Rallye STR erstaunlichen Grip bietet. Dadurch kann man mit der DesertX tatsächlich Kurven räubern gehen, sie von einer Seite auf die andere werfen, zielgenau durch die Bögen wuseln – kein Witz! Dem Spaß ein Ende setzt schließlich nur der heranrückende Abend, der zur Rückfahrt mahnt. Davor geht es allerdings noch mehrfach von der Straße wieder ins Gelände, bis ganz weit hoch in die sardischen Berge, wo man mit Straßenmotorrädern niemals hinkäme. All das ist Ducatisti bisher verwehrt geblieben. Aber mit der DesertX hat es Bologna geschafft, Neuland zu erschließen – und das auf wirklich beeindruckende Weise!
Fazit
Einen besseren Kompromiss aus Straßenmotorrad und wirklich ambitioniertem Offroad-Adventure-Bike kenne ich aktuell nicht. Besonders beeindruckend: Die DesertX lässt eigentlich gar nie das Gefühl aufkommen, ein Kompromiss zu sein. Die Ducati DesertX ist kein Grenzgänger, sie ist ein Grenzsprenger – leider dabei aber kein Preisknüller.