Herbstausfahrt 2013
"Ja, Himmel, Arsch und Zwirn, das kann doch alles nicht mehr wahr sein! Hört die Menschheit jetzt gänzlich auf zu denken? Kriegen die vom Leben überhaupt noch was mit?", posaunt Redakteur Roman sichtlich erregt in die Runde, während er in seiner rechten Hand selbst den vermeintlichen Übeltäter der Moderne hält: ein Smartphone.
Grund seines Unmuts: Die letzte Ausfahrt vor dem Winterschlaf mit den sechs MOTORRAD-Dauertestern verzögert sich an diesem Dienstagmorgen um mindestens eine Stunde. Offenbar gibt es technische Probleme. Nicht an den Motorrädern, sondern an den mobilen Hochleistungsrechnern der Mitstreiter. Ein Fahrer hat verpennt, weil der Akku seines Handys über Nacht den Dienst quittierte, der Fotograf wiederum hat seiner neuen Stau-App mehr vertraut als seinem eigenen Verstand. Ihn überraschte der Berufsverkehr in Richtung Stuttgarter Innenstadt.
Fahrer im Smartphone-Fieber, Schlechtwetterfront im Anmarsch
Die übrigen fünf Fahrer sind pünktlich und hängen lachend vor ihren Mini-Bildschirmen. Früher sprach man vor Beginn so einer Mopedtour immerhin noch über Benzinadditive, Vergasernadelpositionen und das sagenhafte Gripniveau der neuesten Reifengeneration. Heute zeigt man sich offenbar lieber gegenseitig Youtube-Videos von rülpsenden Babys und postet sie auf Facebook. „Nächstes Jahr können wir auch einfach virtuell mit dem Motorrad durch die Botanik brausen. Dann ist’s auch nicht so kalt und nass wie jetzt“, motzt Roman weiter. Eigentlich wollte man in die Sächsische Schweiz fahren, doch die aktuelle Wetterprognose auf dem Handy von Aushilfsfahrer David sagt für diese Region nichts Gutes voraus. Na, dann plant man eben um! Denn wer sich extra vier Tage freigenommen hat, um das letzte Mal in der Saison gepflegt Kurven zu wetzen, düst nicht sehenden Auges in die Schlechtwetterfront.
„Bella Italia – wir kommen!“, krakeelt Online-Redakteurin Dina plötzlich lauthals in die Menge. Na hoppla, was ist denn hier los? Die Nervenbahnen revitalisieren sich offenbar beim Gedanken an leicht bekleidete Italiener und Italienerinnen. „Riva del Garda, so lautet das erste Tagesziel der Herbstausfahrt“, liest man Minuten später auf Twitter. Somit hat es nun auch der letzte Teilnehmer und der Rest der Welt schwarz auf weiß.
Technische Anlaufschwierigkeiten

Mittlerweile ist es zehn Uhr, die Mannschaft komplett und auf den ersten Metern raus aus dem Stuttgarter Kessel. Weit kommt man nicht. Noch vor der Autobahnauffahrt auf die A 8 hupt es energisch aus der Kolonne. Beim prompten Halt am Straßenrand folgt die Diagnose: Koffer bei der Honda NC 700 S nicht korrekt arretiert, wackelt auf und ab wie die Brüste von Barbara Schöneberger beim Polkatanzen. Wer hat denn den Bockmist fabriziert, will MOTORRAD-Tester Georg wissen? Alle senken den Kopf und schauen unschuldig in der Gegend rum. Egal! Nach zwei geübten Handgriffen sitzt alles bombenfest, und es geht weiter. Für satte 20 Kilometer.
Dann zappelt der rechte Koffer der BMW R 1200 GS energisch herum. Es ist zum Haareraufen. Eine der beiden Haltenasen des Seitenkoffers ist abgebrochen. Offenbar eine bisher nicht ermittelte Folgeerscheinung eines Umfallers tags zuvor. Bevor ein Haltegurt besorgt und der Koffer konventionell am Rahmen festgezurrt wird, knipst Aushilfe Sebastian den aufregenden Defekt und lädt ihn direkt ins Netz. „Kaum losgefahren, ist die GS schon Schrott“, lautet der erste Kommentar aus der Community. Eine äußerst differenzierte Betrachtung.
Triumph Trophy SE und BMW C 600 Sport mit Sitzheizung
Noch immer tröpfelt es. Die Fahrer, ausgenommen die der KTM 1190 Adventure und der Ducati 1199 Panigale, nehmen es gelassen. Die (zum Teil optionalen) Griffheizungen an den Dauertestern sorgen für warme Pfoten. Die Triumph Trophy SE und der BMW C 600 Sport verwöhnen den Fahrerhintern gar mit einer Sitzheizung. Und auch Testfahrer Sven auf der Panigale kann nicht über eine zu niedrige Temperatur klagen. Der Krümmer unterhalb der Sitzbank heizt in gewohnter Permanenz nicht nur das Motorrad auf. Das mag im Winter eine feine Angelegenheit sein, im zurückliegenden Sommer war es stets ein Graus. Das Fahrtenbuch gleicht in dieser Hinsicht einer Klagemauer.
Jahreszeitunabhängig muss der Ducati-Treiber mit wenig Gepäck haushalten. Supersportler eben: viel Power am Hinterrad, aber ein so schmales Soziusplätzchen, dass man aus Angst vor dem Verlust lieber auf eine Gepäckrolle verzichtet. Der Rucksack muss genügen. Unterhose und Zahnbürste hat er dabei und natürlich das Tablet als einzige Verbindung zum Rest der Welt – mehr nicht. Seine Ohrstöpsel stecken sowieso permanent in den Gehörgängen. Anders sind die 530 Kilometer Anreise von Stuttgart nach Riva auf der Ducati 1199 Panigale nicht auszuhalten. Das Bollern der beiden fetten Kolben übertönt jedes Windgeräusch, unabhängig von der Geschwindigkeit.
Schnee in Sicht! 16 Freunden gefällt das
Während der Alpenüberquerung über den Fernpass und den Brenner sichten die Fahrer Schnee. Denken die Männer der Mannschaft hier erstmals ans Umdrehen, macht sich Dina mit dem günstigen Allrounder, der Honda NC 700 S, motiviert an der Spitze des Dauertest-Sextetts breit. Mit den drehmomentstark arrangierten 48 PS geht das bis Geschwindigkeiten von 130 km/h problemlos. Die neue Leaderin manövriert schnurstracks den nächsten Rasthof an. „Wie geil ist das denn?“, fragt sie und fordert die Fahrer auf, die Mopeds schön vor dem aufgehäuften Schneeberg zu parken. „Das Bild muss ich sofort meinem Bruder schicken. Der wollte mir nicht glauben, dass hier schon Schnee liegen könnte.“

Zwei SMS und ein Telefonat später rollt die Truppe weiter. Am Abend erreicht man schließlich Riva del Garda. „16 Freunden gefällt das“, steht prompt auf Georgs Facebook-Seite. Am nächsten Morgen erwartet die Mannschaft perfektes Wetter: Blauer Himmel, Sonne und zweistellige Temperaturen lassen das Bikerherz höher schlagen. Sollte man meinen. Doch Euphorie am Frühstückstisch sucht man vergebens. Der Grund: Das WLAN des Hotels ist an diesem Morgen ausgefallen. Nervosität macht
sich breit. Das virtuelle Leben steht offenbar kurz vor dem Aus. Dann gäbe es nur noch die Realität. Eine furchtbare Vorstellung? Oder lohnenswerte Alternative?
Völlig unerwartet bahnt sich eine sozialphilosophische Diskussion über Sinn und Unsinn grenzenloser Kommunikation den Weg. Nach einem beherzten Diskurs und vielen Tassen Espresso verständigt man sich im allseitigen Einverständnis auf ein gewagtes Experiment: Handys aus, Motoren an. Das reale Leben genießen. Ohne Telefon in der Tasche fühlt sich die gesamte Truppe ziemlich nackt. Irgendwie ganz isoliert. Doch nach und nach steigt die Motivation und Vorfreude auf die anstehende Motorradtour durch die Alpen, und die Mannschaft gewinnt an Dynamik. Lediglich Sven kritisiert die Mehrheitsentscheidung. Er hätte zumindest noch den Bau einer neuen Burg in seinem Online-Rollenspiel in Auftrag geben wollen. Puh, Sachen gibt’s!
Ducati Panigale fühlt sich in engen Kehren nicht wohl
Nach einer schnellen Tasse Cappuccino am Gardasee-Ufer geht es den Fahrern gar nicht zackig genug in die Berge. Glücklicherweise dauert es nur eine halbe Stunde, bis sich Kurve an Kurve reiht. Links abwinkeln, aufrichten, rechts abwinkeln, aufrichten – und wieder von vorn. Ha, dieses Hobby bleibt das beste der Welt! Immer tiefer tauchen die Dauertest-Maschinen in Schräglage ab, verschleißen mehr und mehr die zum Teil noch jungfräulichen Reifenflanken. Das gilt für den vom Fahrwerk her famos abgestimmten BMW C 600 Sport ebenso wie für die bleischwere Triumph Trophy SE. Nur die Ducati 1199 Panigale fühlt sich in engen Kehren nicht allzu wohl. Sie braucht dringend flüssige Kurvenkombinationen. Ob sie die bei der Fahrt über den Passo di Croce Domini erhält?
Der Berg begrüßt die Fahrer bei ihrer Anfahrt mit einer herrlichen Landschaft, die vielfältiger kaum sein könnte. Im Tal erfreut man sich an den Wiesen, deren sattes Grün vom feuchten Sommer kündet. Beim Blick hinauf deutet das Gelb, Rot und Braun des Laubs auf einen farbenfrohen Herbst, die schneegepuderten Gipfel der Alpen hingegen auf den nahenden Winter hin. Ein wahrlich inspirierender Moment, der selbst bei der Zigaretten- und Pinkelpause durch nichts gestört wird. Den Augenblick fühlen und die Aussicht verinnerlichen: Das ist wertvoller als jedes Handyfoto.

Je verschlungener sich die Straßen winden, desto wohler fühlen sich die beiden Reiseenduros aus dem Dauertest-Fuhrpark. Die BMW R 1200 GS, die seit Ende Mai dieses Jahres bereits über 30.000 Kilometer absolviert hat, fährt vorneweg und gibt sich unkapriziös. Zumindest wenn man bereits rollt. Normales Anfahren ist mit der GS nämlich eine große Herausforderung. Am steilen Hang gilt das erst recht. Die schlecht dosierbare Kupplung besitzt quasi keinen Schleifpunkt und werkelt eher wie ein An-Aus-Schalter. Da müssen die Münchner auf jeden Fall noch mal ran. Davon abgesehen macht die GS all das, was der Fahrer verlangt, pariert jede Übung mit Bravour.
Ebenso wie die KTM 1190 Adventure. Georg hat dennoch mit gewissen Eigenheiten zu kämpfen. Fiel die Österreicherin tags zuvor auf der Autobahn durch eine Pendelneigung oberhalb von 170 km/h auf, tut sie es nun wegen starken Shimmys bei rund 70 Stundenkilometern. Ob die breit bauenden Zubehörkoffer von Touratech daran schuld sind? Es scheint so. Denn davon abgesehen fährt die Adventure super. Zielgenau, wendig, easy und mit ausreichend Bums – das ist genau das Richtige für den Saisonausklang. Doch apropos Klang: Mehr und mehr knallt die KTM in Rollphasen aus dem Auspuff. Irgendwas stimmt da nicht. Die Fahrer vermuten, dass die Krümmerdichtung hinüber ist.
Handyverbot - auch bei Pannen!
Roman möchte am liebsten Werkstatt-Chef Gerry im heimischen Stuttgart kontaktieren, doch das Handyverbot gilt auch in diesem Fall. Das Café auf der Passhöhe mit herrlichem Alpenpanorama ist erreicht, und die Fahrer bekommen das Grinsen gar nicht mehr aus ihren Gesichtern. Kaum den Helm abgenommen, diskutieren sie über die tolle Asphaltqualität, die wenigen Autos, die grandiose Aussicht und erfreuen sich am Motorradfahren, als täten sie es zum ersten Mal. Herrlich, wie viel Spirit und Lebensgefühl in der Mannschaft steckt, wenn sie beim Denken nicht ständig von vibrierenden Smartphones unterbrochen wird.
Lediglich Roman auf dem Roller guckt angestrengt und skeptisch. Ob er Sehnsucht nach seinem Telefon hat? Nein, es ist der Roller, der ihm Sorgen macht: Aus der Fliehkraftkupplung stinkt es zunehmend nach Öl. Und jetzt, im Stand, raucht sie gar vor sich hin. Sehen kann man leider nichts. Eine eindeutige Diagnose fällt entsprechend schwer. Noch ist der Kraftschluss vorhanden. Ob es dabei bleibt? Es ist zu hoffen, denn abgesehen vom unsäglichen Plärren des Reihenzweizylinders, das jegliche Glücksgefühle im Keim erstickt, fährt der Roller immer vorne mit und manchmal gar voraus. Zudem bietet der BMW C 600 Sport gemeinsam mit der Triumph Trophy SE den besten Schutz vor Wind und Wetter. Aber zugegeben: Es bleibt ein Roller.
Grobsteiniger Schotter - kein Hindernis für die Dauertester
Bei einem heißen Espresso wirft die Mannschaft einen Blick auf die analoge Landkarte – für viele der jungen Leute ein höchst ungewöhnlicher Anblick. Man erspäht eine kleine Straße, die hinüber auf die andere Seite des 1892 Meter hohen Gipfels führt. Dort soll ein freundliches Skihotel sein, das ganzjährig geöffnet hat und in welchem man die kommende Nacht verbringen will. Also anziehen und weiter!
Die erste Ernüchterung folgt sofort. Die schmale Straße ist nicht asphaltiert. Sie besteht aus grobsteinigem Schotter. Man entschließt sich trotzdem zur Weiterfahrt. Es wäre ja gelacht, wenn uns ein bisschen Schotter vom Weg abhalten würde! Sven auf der Ducati 1199 Panigale reißt mit dem 200er-Hinterreifen eine Schneise in die Fahrbahn. Die anderen Fahrzeuge folgen ihm wie Lemminge. Trotz eklatanter Schlaglöcher geht es zunächst gut voran. Weder die Triumph Trophy SE noch die unauffällige Honda NC 700 S haben große Probleme, die unerwartete Enduro-Einlage zu bewerkstelligen. Georg auf der KTM 1190 Adventure und Sebastian auf der BMW R 1200 GS haben dank langer Federwege sowieso gut lachen.
„Eishockey könnte man hier gut spielen, aber Motorrad fahren?“
Die nächste Kurve führt um den Berg herum und in den Schatten. Oder eher: in den Schnee. Beide Beine weit ausgestreckt, zirkeln die Mopedfahrer im Schneckentempo um die eisigen Stellen und größeren Schneeberge herum. Immer auf der Suche nach dem letzten Quäntchen Grip. „Zwei Kehren! Nur noch zwei Kehren dürften es sein, dann haben wir es geschafft!“, ruft Sven den anderen zu. Durchhalten ist angesagt. Aber die Schneedecke wird immer dichter, das Vorankommen immer wackeliger.
Blöd, dass die Straße ausgerechnet mit Beginn der Kehren wieder asphaltiert ist. „Eishockey könnte man hier gut spielen, aber Motorrad fahren?“, wirft Dina etwas ratlos in die Runde. Recht hat sie! Selbst das Stehenbleiben wird nun zur Herausforderung. Umfallen verbietet sich vollständig, es könnte lebensgefährlich werden. Die Straße ist nicht nur abschüssig, sondern auch nicht begrenzt. Was von nun an nach rechts hinunterpurzelt, braucht sich über die nächste Inspektion oder die Rente keine Sorgen mehr zu machen. Ans Weiterfahren denkt keiner mehr. „Wir müssen umkehren“, entscheidet Tester Georg.
Leichter gesagt als getan: Das Wenden der Motorräder wird zu einer kniffligen und gefährlichen Angelegenheit. Es ist spiegelglatt. Mit vereinten Kräften und angestrengter Mimik wird ein Moped nach dem anderen ganz vorsichtig und sachte auf dem Eis gedreht. Es dauert eine ganze Weile, bis alle Motorräder in derselben Fahrtrichtung stehen. Behutsam und mit einer nur streichelnden Gashand manövriert sich die Truppe zum Café zurück.
Geschafft! Als die Fahrer wieder sicheren, asphaltierten und eisfreien Boden unter den Füßen haben, zittert ihr Körper vor lauter Adrenalin. Ja, eine Herbstausfahrt kann abenteuerlich sein. Nach einer kurzen Verschnaufpause einigt man sich, hinunter ins Tal in den Ort Breno zu fahren, um dort kurzfristig eine Bleibe für die Nacht zu suchen. Die Fahrer haben Glück. Außerhalb der Saison ist es nämlich gar nicht so leicht, ein geöffnetes Hotel in dieser Gegend zu finden.
Sagenhafte Power der KTM 1190 Adventure
Das etwas verspätete Abendessen wird schließlich zur Plauderstunde. Nichts ist schöner als seine Erlebnisse mit anderen zu teilen. Und da der gesamten Truppe die virtuelle Welt weiterhin nicht zur Verfügung steht, erzählt Dina eben den Kollegen, wie ihr auf dem Schotterpass zweimal das Hinterrad der Honda NC 700 S ausgebrochen ist. Sven berichtet von der superben Traktionskontrolle der Ducati 1199 Panigale, ohne die er auf dem Schnee wohl hätte Lebewohl sagen müssen; Roman klagt über den beißenden Geruch der Rollerkupplung, der ihm noch immer in der Nase hängt; David lobt die tolle Fahrbarkeit der Triumph Trophy SE, obwohl sie mehr wiegt als ein übergewichtiger Sumo-Ringer; Georg wundert sich über die sagenhafte Power der KTM 1190 Adventure; und Sebastian erfreut sich weiterhin am bassigen Klang der BMW R 1200 GS. Ja, genau so darf es sein. So kann es bleiben. Die Reise lebt. Und ihre Bestreiter sind mittendrin.
Am nächsten Tag verläuft alles nach Plan. Kaffee trinken und flanieren am Iseosee, danach fleißig Kurven wedeln und
die Passhöhe von der Gegenseite aus erklimmen. Die Mobiltelefone bleiben weiter in den Taschen, die gesammelten Eindrücke wandern in den Kopf und nicht an irgendwelche Freunde im Netz. Das Team hat tatsächlich Gefallen daran gefunden. Gegen Nachmittag fährt die Dauertest-Mannschaft genau bei dem Hotel vor, das sie am Tag zuvor nicht mehr erreichen konnte. Toll, dass es sich beinahe auf der Passspitze befindet.
So fahren die Dauertester nur wenige Meter, um den bevorstehenden Sonnenuntergang im allerfeinsten alpinen Umfeld zu erleben. Und da stehen sie nun, die sechs Maschinen und Fahrer, reden noch immer über die teils abenteuerliche Fahrt, die Landschaft und das Leben. Und sie reden über Mobilität. Und zwar in ihrer erlebnisreichsten – zweirädrigen – Form. Man muss eine Reise eben leben, dann erlebt man sie auch.
KTM 1190 Adventure

Kilometerstand: 10.420
Dauertestbeginn: 30.07.2013
Die KTM 1190 Adventure brilliert mit einem butterweichen Getriebe, einer perfekt ausrückenden Kupplung und einem druckvollen, ruhig pulsierenden V2-Motor. Die meisten Redaktionsmitglieder erfreuen sich an den unkomplizierten, vielfältigen Betätigungsfeldern der KTM. Dank des elektronischen Fahrwerks kann die Fahrwerksabstimmung an den Beladungszustand sowie die aktuellen Umstände via Knopfdruck angepasst werden.
Fehlerfrei präsentiert sich die Mattighoferin allerdings nicht. So muss das Lenkkopflager beispielsweise höchst penibel eingestellt werden, damit die KTM 1190 Adventure nicht pendelt. Und das sich während der Herbstausfahrt immer mehr in den Vordergrund drängende Knallen aus dem Auspuff lag nicht an einer defekten Krümmerdichtung, sondern an einem Krümmerbruch an der Schweißnaht zwischen Rohr und Befestigungsaufsatz. Der Krümmer wurde auf Garantie getauscht.
Daten:
Zweizylinder-V-Motor, 1195 cm³, 110,0 kW
(150 PS) bei 9500/min, 125 Nm bei 7500/min,
Gitterrohrrahmen aus Stahl, Upside-down-
Gabel, Doppelscheibenbremse vorn, Schei-
benbremse hinten, Ø 320/267 mm, Sitzhöhe
860–875 mm, Gewicht vollgetankt 238 kg,
Preis Testmotorrad 15.622 Euro
BMW R 1200 GS

Kilometerstand: 30.867
Dauertestbeginn: 29.05.2013
Das ist eine reife Leistung: Gerade einmal fünf Monate benötigte die Dauertest-BMW R 1200 GS von MOTORRAD, um bis heute über 30.000 Kilometer abzuspulen. Die Alpen-Masters-Gewinnerin 2013 wird also keinesfalls geschont und muss beweisen, dass sie ihren guten Ruf auch auf die Distanz wahren kann. Vom Fahrwerk bis hin zum Motor, von den Assistenzsystemen bis hin zur Ergonomie gibt es nichts zu meckern. Ob für die Wochenendtour nach Cloppenburg oder einen Pass-Marathon durch Italien, der wassergekühlte Dauertester pariert jegliche Übung mit Bravour.
Eigentlich perfekt, wäre da nicht das Getriebe, das jeden Schaltvorgang lautstark von sich gibt, und die schlechte
Dosierbarkeit der Kupplung. Da müssen die Münchner dringend nacharbeiten. Hinsichtlich des Trennens der Kupplung haben sie das bereits. Das Kupplungsdruckstück der BMW R 1200 GS wurde vor Kurzem gegen ein überarbeitetes ausgetauscht.
Daten:
Zweizylinder-Boxermotor, 1170 cm³, 92,0 kW
(125 PS) bei 7700/min, 125 Nm bei 6500/min,
Brückenrahmen aus Stahlrohr, längslenker-
geführte Telegabel, Doppelscheibenbremse
vorn, Scheibenbremse hinten, Ø 305/276
mm, Sitzhöhe* 850–870 mm, Gewicht vollge-
tankt 246 kg, Preis Testmotorrad 17.080 Euro
Honda NC 700 S

Kilometerstand: 36.803
Dauertestbeginn: 04.05.2012
Über ein Jahr ist die Honda NC 700 S bereits ständiges Mitglied der Redaktionstiefgarage. Der Allrounder besticht durch seine famose Alltagstauglichkeit, seine schmalen Abmessungen und gutmütigen Fahreigenschaften. Zudem erfreuen sich kleiner geratene Mitarbeiter der Redaktion an der niedrigen Sitzhöhe und geringen Schrittbogenlänge. Da findet jeder und jede einen sicheren Stand.
Bis auf ein paar Farbabplatzer an der Lampenmaske, die auf eine etwas mindere Lackqualität schließen lassen, muss sich die ausgesprochen günstige Honda NC 700 S nicht verstecken. Etwas Sorgen bereitet den Fahrern allerdings die immer wieder schlecht trennende Kupplung und das knochige Getriebe. Etliche Versuche, diese unschöne Eigenheit zu beheben, schlugen fehl. Erfreulich sind immer wieder die Kommentare im Fahrtenbuch über den Reihenzweizylinder mit seinem bauchigen Drehmomentverlauf.
Daten:
Zweizylinder-Reihenmotor, 670 cm³,
35,0 kW (48 PS) bei 6250/min, 60 Nm bei
4750/min, Brückenrahmen aus Stahl,
Telegabel, Scheibenbremse vorn, Schei-
benbremse hinten, Ø 320/240 mm, Sitz-
höhe* 800 mm, Gewicht vollgetankt
215 kg, Preis Testmotorrad 7424 Euro
Ducati 1199 Panigale

Kilometerstand: 6.906
Dauertestbeginn: 27.07.2013
Sie ist definitiv das schönste Motorrad im derzeitigen Dauertest-Fuhrpark von MOTORRAD. Die 195 PS starke Ducati 1199 Panigale hat seit ihrem Eintreffen in der Redaktion bereits knapp 7000 Kilometer ohne technische Auffälligkeiten abgespult. Unauffällig sein ist ansonsten allerdings nicht ihre Stärke. Bereits beim Starten des Motors tönt es so laut, dass man sich intuitiv die Ohren zuhalten möchte. Bei Rotphasen an der Ampel gehen die meisten Kollegen dazu über, den Motor abzustellen, um nicht alle Blicke auf sich zu ziehen.
Im Fahrtenbuch mehren sich zudem die Beschwerden über die Hitzeentwicklung unterhalb der Sitzbank, was bei einem Kollegen gar zu einer leichten Verbrennung der Oberschenkel führte. Die Ducati 1199 Panigale liebt flüssige Kurvenkombinationen ebenso, wie sie enge Kehren oder elendigen Stop-and-go-Verkehr schmäht. Das konventionell einstellbare Fahrwerk an der Dauertest-Maschine ist nicht unkomfortabel. Zum Reisen wird der Supersportler aus Bologna aber aufgrund der komprimierten Sitzposition nicht gern genommen. Er ist eher etwas für den knackigen Wochenendtrip – und natürlich die Rennstrecke.
Daten:
Zweizylinder-V-Motor, 1198 cm³, 143,0 kW
(195 PS) bei 10750/min, 132 Nm bei 9000/min,
Monocoque aus Aluminium, Upside-down-
Gabel, Doppelscheibenbremse vorn, Schei-
benbremse hinten, Ø 330/245 mm, Sitzhöhe
820 mm, Gewicht vollgetankt 195 kg,
Preis Testmotorrad 19.960 Euro
Triumph Trophy SE

Kilometerstand: 22.295
Dauertestbeginn: 28.03.2013
Die voll ausgestattete Triumph Trophy SE polarisiert. Das Fahrtenbuch zieren sowohl Lobgesänge auf die grandiosen Tourerqualitäten und das unerwartet gute Handling als auch Verunglimpfungen aufgrund des enorm hohen Gewichts von 317 Kilogramm. Ausgesprochen anfällig reagiert die frontlastige Britin auf abgefahrene Reifen. Dann büßt sie einiges ihrer stabilen und neutralen Fahreigenschaften ein und macht mitunter durch leichtes Shimmy auf sich aufmerksam.
Völlig defektfrei lief der Dauertest bis dato leider nicht. Fielen zunächst Griff- und Sitzheizung wegen eines Elektronikproblems auf, meldete sich vor Kurzem ein defekter Nockenwellensensor zu Wort, der getauscht werden musste. Die Dauertest-Triumph Trophy SE gehört zudem zu der Charge Triumph-Bikes, die durch lautes Ventiltickern unangenehm auffallen. Der Triple begeistert hingegen mit seinen 135 PS, hoher Elastizität und Laufruhe.
Daten:
Dreizylinder-Reihenmotor, 1215 cm³,
99,0 kW (135 PS) bei 8900/min, 120 Nm bei
6450/min, Gitterrohrrahmen aus Stahl,
Upside-down-Gabel, Doppelscheibenbremse
vorn, Scheibenbremse hinten, Ø 320/282
mm, Sitzhöhe 820–835 mm, Gewicht vollge-
tankt 317 kg, Preis Testmotorrad 18670 Euro
BMW C 600 Sport

Kilometerstand: 11.932
Dauertestbeginn: 16.05.2013
Der BMW C 600 Sport ist der erste Roller im MOTORRAD-Dauertest, der die gesamte Distanz über 50000 Kilometer absolvieren muss. Der mit einem straffen und stabilen Fahrwerk ausgerüstete Roller fiel bisher vor allem wegen seines plärrig tönenden Reihenzweizylinders auf. Das 60 PS leistende Aggregat steht allerdings gut im Saft und beschleunigt den Bayern auf der Autobahn bis Tempo 180 km/h. Manch ein Kollege zeigt sich nach dem Erstkontakt sichtlich angetan. Artgerecht bewegt, kann er locker die Geschwindigkeit beispielsweise einer NC 700 mitgehen.
Etwas gewöhnungsbedürftig ist der lange Zeit benötigende Kraftschluss der Fliehkraftkupplung beim Anfahren. Die Kupplung scheint indes auch die Schwachstelle des BMW C 600 Sport zu sein. Bereits zum zweiten Mal musste sie in der Werkstatt geöffnet werden. Wurde beim ersten Mal festgestellt, dass zwei der acht Rollen der Fliehkraftkupplung angeschliffen waren und ausgetauscht werden mussten, war es im Rahmen der Herbstausfahrt eine defekte Dichtung der Kupplungsdruckstange, die etwas Öl in die Kupplung transportierte. Daher rupfte die Kupplung im heißen Zustand recht stark und verbrannte das unwillkommene Öl, was zu einem leichten Rauchen derselben führt.
Daten:
Zweizylinder-Reihenmotor, 647 cm³, 44,0 kW
(60 PS) bei 7500/min, 66 Nm bei 6000/min,
Gitterrohrrahmen aus Stahl, Upside-down-
Gabel, Doppelscheibenbremse vorn, Schei-
benbremse hinten, Ø 270/270 mm, Sitzhöhe
810 mm, Gewicht vollgetankt 252 kg,
Preis Testmotorrad 12100 Euro