Vergleichstest Sportenduros KTM 450 EXC und Yamaha WR 450 F

Sportenduros KTM 450 EXC und Yamaha WR 450 F im Test Steigflug oder harte Landung?

Egal in welcher Kategorie – seit Jahren geben die KTM-Maschinen die Überflieger im Sportenduro-Segment. Mit der WR 450 F fliegt nun Yamaha einen Angriff auf den Platzhirsch KTM 450 EXC.

Steigflug oder harte Landung? markus-jahn.com
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Offroad-Freunde dürfen den Produktplanern von Yamaha kräftig auf die Schulter klopfen. Während die anderen japanischen Hersteller das Sportenduro-Segment nur halbherzig bedienen, bekennen sich die Mannen in Blau eindeutig zum Endurosport. Nur ein Jahr nach dem grundlegend überarbeiteten Viertelliter-Modell drängt für die Saison 2016 die neue Yamaha WR 450 F ins Unterholz. Musste die 450er bislang mit dem bis zum Jahr 2009 im Motocross-Modell verbauten Fünfventil-Single auskommen, liefert nun der aktuelle Crosser die technische Basis. Mit nach hinten gekipptem Zylinder, weit unter die Sitzbank reichendem Tank, hinter dem Lenkkopf platzierter Airbox und umgedrehtem Zylinderkopf (Einlass vorn, Auslass hinten) verfolgen die Techniker vor allem ein Ziel: die Zentralisierung der Massen und damit ein agiles Handling.

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Im Vergleich zu diesem unorthodoxen technischen Konzept wirken die Zugeständnisse an die enduristischen Bedürfnisse wie Feintuning. Vom Crosser unterscheiden die Yamaha WR 450 F das 18-Zoll-Hinterrad, ein Lüfter, die länger übersetzten Gänge zwei bis vier, Lichtanlage, ein leiserer Schalldämpfer und E-Starter. Der Druck aufs Knöpfchen intoniert denn auch sofort die neue Ära. Wie vor Jahren bei den Husaberg-Offroadern dominiert das Röcheln aus dem Ansaugtrakt vor der Sitzbanknase die Akustik.

Yamaha WR 450 F mit 7,5-Liter-Tank

Vergleichsweise bieder gibt sich die KTM 450 EXC. Doch das simple Konzept – ohc-Single, Einschleifen-Stahlrahmen und direkt angelenktes Federbein – sticht offensichtlich. Die 450 EXC ist, wie alle KTM-Enduros, in ihrer Kategorie eindeutiger Marktführer und setzt nach zahllosen Testsiegen für die neue Yamaha WR 450 F den Orientierungspunkt.

Auf den ersten Metern bereits in Sachen Ergonomie. Denn der transparente KTM-Tank schmiegt sich eng um das Rahmenrückgrat, erhält der EXC trotz stattlichen neun Litern Tankvolumen eine schlanke Taille. Womit die Österreicherin auf Anhieb einen wunden Punkt ihrer japanischen Konkurrentin getroffen hat. Der ausladende Luftfilterkasten verleiht der Yamaha WR 450 F in engen Kurven, in denen der Pilot nach vorn rutschen muss, einen erheblich breiteren Knieschluss. Ließe es sich daran noch gewöhnen, stellt der vom Motocrosser übernommene 7,5-Liter-Tank den Enduro-Fan möglicherweise vor größere Herausforderungen. Die höchst populären Zwei-Stunden-Enduro-Veranstaltungen lassen sich mit diesem Spritvorrat kaum ohne Nachtanken bewältigen. In diesen Wettbewerben ein entscheidender Nachteil.

54 PS müssen erst einmal gebändigt werden

Motoren und Piloten sind warm. Abbiegen ins Enduro-Gelände. Vom Regen blankgewaschene Felsplatten, tief ausgespülte Querrinnen, weicher Sand, loses Geröll – kein Platz für Vollgas-Junkies. Stattdessen zählen Finesse und Traktion. Locker rollt die KTM 450 EXC über die Unpässlichkeiten, bügelt trotz der etwas hakelig ansprechenden Gabel und des auf kleinen Wellen wenig sensibel arbeitenden Federbeins scharfe Felskanten oder Löcher überraschend gut glatt. Die Kombination aus spritzigem Motor, leichtgängiger und gut dosierbarer Kupplung sowie einer leichten Frontpartie lassen die EXC mit dem Terrain spielen. Ein kurzer Gasstoß hebt das Vorderrad mühelos über Auswaschungen, ein kundiger Finger an der hydraulisch betätigten Kupplung sorgt für einen geschmeidigen Krafteinsatz. Dass wir uns nicht falsch verstehen: 54 PS müssen auf diffizilem Terrain erst einmal gebändigt werden, verlangen vom Piloten Disziplin am Gasgriff. Doch die Österreicherin tut alles, um es dem Piloten einfach zu machen.

Man mag fast sagen: im Gegensatz zur Yamaha WR 450 F. Bereits auf der ersten Abfahrt überrascht der Single mit einer ausgeprägten Motorbremse, belastet im Schiebebetrieb die Frontpartie. Vor allem in anspruchsvollen, trialähnlichen Passagen verleiht dieses Phänomen der WR eine permanent spürbare Schwere. Wobei die Schuld an der Behäbigkeit wohl nicht allein dem Schleppmoment zuzuschreiben ist. Auf Singletrails das Vorderrad mit dosierten Gasstößen über Wurzeln oder Kanten zu heben, auch das verlangt vom Piloten viel Konzentration und macht die WR damit quasi zum Gegenentwurf der KTM.

Auf der Motocross-Piste wie verwandelt

An den technischen Eckdaten kann’s nur zum Teil liegen. Zwar schleppt die 119 Kilogramm schwere Yamaha WR 450 F immerhin sechs Kilo mehr Speck mit sich als die KTM 450 EXC, konzentriert den Löwenanteil dieser Masse allerdings auf das Heck. Im Vergleich auf der Waage lastet bei der WR nur ein Kilo mehr Ballast auf der Front als bei der KTM. Versuche mit per Power Tuner geänderten Mappings änderten am hohen Schleppmoment und dem im Drehzahlkeller recht ruppig laufenden Single nichts Wesentliches. Schade. Denn vor allem mit den sehr sensibel arbeitenden Kayaba-Federelementen hätte sich die WR in Szene setzen können. Nicht zuletzt dank dieser Kombo ackert sich die Yamaha – so man sie auf Zug hält – wie ein Traktor durchs unwegsame Geläuf, bietet auch auf schlüpfrigem Boden gute Traktion und versöhnt sich zumindest in diesen Situationen mit dem Piloten. Ihre Motocross-Gene kann sie – wohl auch wegen der mit 12,5:1 hohen Verdichtung (KTM: 11,8) und dem mit 60,8 Millimeter kurzen Hub (KTM: 63,4 mm) – trotzdem nicht verbergen.

Tatsächlich wendet sich das Blatt auf der Motocross-Piste, hierzulande dem Trainingsterrain der meisten Enduristen, völlig. Bei dem höheren Drehzahlniveau verschwindet das im Dickicht so störende Schleppmoment schlagartig, ja lässt den Single vor allem mit seiner ausgeprägten Drehfreude zur Universalwaffe mutieren. Und auch die Vorderpartie rehabilitiert sich auf der Cross-Strecke. Die für die Yamaha-Offroader so typische führungsstarke Front verbeißt sich regelrecht in den Untergrund und lässt die Yamaha WR 450 F konkurrenzlos sicher durch glatte Kurven zirkeln oder in Kehren präzise die Innenspur treffen. Doch nicht nur damit zeigt sich die WR wie verwandelt. Die Abstimmung der Federelemente gehört zum Besten, was derzeit im Offroad-Bereich angeboten wird. Gabel und Federbein saugen kleine Wellen genauso exzellent auf, wie sie harte Ladungen sämig dämpfend wegstecken.

Leistung der EXC relativiert sich

Von der KTM 450 EXC muss sich die Yamaha WR 450 F unter diesen Bedingungen nie fürchten. Besagt hakelig ansprechende Federelemente bleiben hinter dem Komfort des Yamaha-Fahrwerks weit zurück, die nervöse Front verlangt vom Piloten eine geschickte Spurenwahl. Vor diesem Hintergrund relativiert sich selbst die überlegene Leistung und das flinke Handling der EXC. Klar ist: Für flotte Rundenzeiten auf der Highspeed-Piste braucht die Österreicherin einen engagierten Piloten.

Und einen entscheidungsfreudigen. Denn mit klar ausgeprägten Stärken brilliert das ungleiche Duo in völlig unterschiedlichem Terrain. Die Yamaha WR 450 F auf Motocross- und Cross-Country-Strecken, die KTM 450 EXC im anspruchsvollen Hardenduro-Gelände. Vorteil KTM: Der auch auf der Motocross-Piste achtbare Auftritt und damit das breitere Einsatzspektrum beschert der EXC letztlich den Sieg.

MOTORRAD-Offroadwertung

Motor:

Maximale Punktzahl KTM 450 EXC Yamaha WR 450 F
Startverhalten 10 8 10
Durchzug 20 18 16
Drehfreudigkeit 20 16 18
Spitzenleistung 20 20 18
Kontrollierbarkeit 20 17 14
Kupplung 10 9 7
Getriebe 10 8 8
Laufruhe 10 8 6
Summe 120 104 97

Fahrwerk:


Maximale Punktzahl
KTM 450 EXC
Yamaha WR 450 F
Handlichkeit 20 19 14
Stabilität 10 7 8
Abstimmung Gabel 20 14 18
Abstimmung Federbein 20 17 18
Bremse vorn 10 9 9
Bremse hinten 10 8 8
Ergonomie 10 9 8
Summe
100
83
83

Sonstiges:


Maximale Punktzahl
KTM 450 EXC
Yamaha WR 450 F
Gewicht 10 8 5
Verarbeitung/Ausstattung 10 8 8
Preis 10 6 6
Summe 30 22 19


Maximale Punktzahl
KTM 450 EXC
Yamaha WR 450 F
Gesamtwertung
250
209
199
Platzierung

1.
2.

MOTORRAD-Testergebnis

1. KTM 450 EXC

Finesse im anspruchsvollen Gelände und ein solider Auftritt auf Cross-Country-Pisten verleihen der KTM 450 EXC im Vergleich zur Yamaha einen universellen Charakter. Die EXC kombiniert gekonnt simple Technik mit viel Erfahrung.

2. Yamaha WR 450 F

Exzellente Federung, drehfreudiger Motor – auf der Cross-Country-Piste profitiert die Yamaha WR 450 F von der technischen Basis des Motocrossers. Hohes Motor-Schleppmoment und träges Handling bremsen sie auf Hardenduro-Terrain aber gewaltig ein.

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