Der Name täuscht. Denn mag die MX1-Kategorie (450 cm³ Hubraum) bei Medien und Fans im Zentrum des Interesses stehen, spielt bei den Aktiven die MX2-Klasse (250 cm³) längst nicht mehr die zweite Geige. Etwa 60 Prozent aller Amateur-Crosser, so melden die Importeure, entscheiden sich derzeit für ein Viertelliter-Bike. Der Grund: Die 40 bis 45 PS starken Motoren lassen sich erheblich leichter beherrschen als die bis zu 60 PS starken 450er-Boliden und unterscheiden sich in den Rundenzeiten dennoch nur marginal von ihren großen Schwestern.
Verständlich, dass sich die Hersteller bei der Marktbedeutung der MX2-Liga kräftig ins Zeug legen. Vor allem die Gabeln mit Luftpolstern statt Stahlfedern (Honda CRF 250 R, KTM 250 SX-F, Suzuki RM-Z 250) mischen die Technik auf. Mögen die Gabeln zwar um bis zu 1,5 Kilogramm Gewicht einsparen, bleibt die Szene trotzdem skeptisch. Die bei jedem Einsatz notwendige Kontrolle des Luftdrucks und eine noch nicht endgültig bewiesene Dichtigkeit auf Dauer dämpfen die Euphorie über die neue Technologie. Davon abgesehen, zieht sich im kommenden Modelljahr eine imaginäre Trennlinie durchs MX2-Feld. Mit der 250 SX-F – und der technisch nahezu identischen Husqvarna FE 250 – schiebt KTM zwei von Grund auf neu konstruierte Viertelliter-Crosser in die Fahrerlager. Mit jeder Menge Feintuning an ihren MX2-Bikes setzen die vier japanischen Hersteller dagegen auf die Evolution des Bewährten.
Die Motoren sind temperiert, die Bereifung (Bridgestone Battlecross X30) montiert, die Strecken (eine zügige, mit Sandanteilen durchsetzte Hartboden-Piste und ein supercrossorientierter Parcours) sind präpariert und MOTORRAD-Offroad-Testpilot Didi Lacher (sechsfacher deutscher Meister) motiviert. Start frei. Alle Testinhalte, sehen Sie auf den folgenden Artikelseiten.
Honda CRF 250 R

Seit Jahren gelten die Viertelliter-Triebwerke von Honda in der auf maximale Spitzenleistung fokussierten MX2-Motorentechnik nicht als heißer Tipp. Der Grund: Der Unicam-Ventiltrieb erzwingt relativ zahme Steuerzeiten und verbannte den Treibsatz deshalb meist auf die Strafbank der MX2-Equipe. Schärfere Nockenprofile, Titan-Auslassventile, von 13,5 auf 13,8 erhöhte Verdichtung und ein leichteres Pleuel helfen dem Sorgenkind nun tatsächlich auf die Sprünge.
Auch wenn sich so mancher Crosser subjektiv vom braven Sound aus dem Doppel-Schalldämpfer der Honda CRF 250 R irritieren lässt, drückt der Unicam-Single objektiv kräftiger als jemals zuvor voran. Rasant schnarrt das Motörchen im auf jedem Terrain tauglichen aggressiven Mapping die Drehzahlleiter hoch. Es lässt sich müheloser und präziser schalten als jedes andere Offroad-Bike, begeistert in der Luft und beim Anbremsen mit dem geringsten Schleppmoment aller MX2-Crosser und hat auch auf dem Prüfstand mit 41 PS Spitzenleistung endlich den Anschluss an die (japanische) Konkurrenz gefunden.

Allerdings macht es die Fahrwerksabstimmung nicht leicht, das mit dem aufgepeppten Motor gewonnene Terrain zu verteidigen. Denn die Triple Air Chamber-Gabel von Showa braucht mit ihren drei Luftkammern im linken Gabelholm bereits vor dem Start Zuwendung. Hohe Drücke und das schmale Spektrum der Einstellmöglichkeiten (zwischen 10,5 und 11,5 bar, Ausgleichskammer 0,7 bis 0,9 bar) machen Kontrolle sowie Abstimmung kompliziert – und das Ergebnis suboptimal. Selbst im weichsten Setup rumpelt die Front der Honda CRF 250 R mit ruppigem Ansprechverhalten über Kanten und Bremswellen.
Auch das Heck leidet unter einer hart gewählten Feder des Monoshock, arbeitet dadurch im progressiven Dämpfungsbereich und wirkt recht unkomfortabel. Schade, denn auch wenn die Honda mit ihrer typisch brillanten Lenkpräzision so akkurat wie ein Sägeblatt um die Innenspur biegt und ergonomisch passt wie ein Ballettschuh, vermasselt ihr die Federung letztlich den nach der Kraftkur eigentlich verdienten Aufstieg. Schwacher Trost: Die Last der roten Laterne trägt sie nicht allein.
Kawasaki KX 250 F

Nach den Modifikationen im vergangenen Jahr (größere Schwungmasse, leichteres Rahmenheck, größere Bremsscheibe, straffere Federelemente) schicken die Mannen im grünen Dress die Kawasaki KX 250 F unverändert in die Saison 2016. Was grundsätzlich nicht schlecht sein muss. Denn der mit zwei Einspritzdüsen (je eine vor und nach der Drosselklappe) ausgestattete Ansaugtrakt verleiht dem Kawa-Antrieb nach wie vor eine erfreuliche Spritzigkeit. Wie von der Tarantel gestochen, knallt der dohc-Single aus den Anliegern, dreht blitzschnell hoch und reizt geradezu, bis zur Drehzahlgrenze hochgejubelt zu werden. Und weil er den forschen Auftritt noch mit einem betont reibungs- und vibrationsarmen Motorlauf kombiniert, gehört der Treibsatz weiterhin zur Erstliga im MX2-Segment, taugt Profis genauso gut wie Amateuren.

Während sich an der Fahrwerksauslegung der Kawasaki die Geister trennen: Hohe Front, tiefes Heck, mit dieser Abstimmung trägt auch die aktuelle KX 250 F die Philosophie der Kawa-Crosser weiter. Selbst weit in die Gabelbrücken eingeschobene Standrohre können das hecklastige Fahrgefühl nicht verdrängen. Der Vorteil: Beim Beschleunigen verbeißt sich das Hinterrad der Kawasaki KX 250 F regelrecht in das Terrain. Der Nachteil: In Ecken ohne Anlieger will die Front partout nicht einlenken und schiebt nach außen. Zumal auch die Abstimmung der SFF-Gabel von Showa (Stahlfeder im rechten Gabelholm, Dämpfung im linken) straff ausfiel und es schwer macht, die Front mit Körpereinsatz zu belasten. Und nicht nur das. Vor Kurzem noch up to date, hat die mäßig ansprechende Kawa-Vorderpartie auf die Konkurrenz – von der Honda einmal abgesehen – Boden verloren.
Schwächen, die im eng beisammen liegenden MX2-Feld hart bestraft werden. Die unkommode Gabel, das mäßige Handling und die mit 104 Kilogramm pummelige Figur können weder der agile Motor noch das gut arbeitende Federbein kompensieren. So parkt die Kawasaki KX 250 F neben der Honda CRF 250 R auf Platz fünf.
Suzuki RM-Z 250

Der unveränderte optische Eindruck der Suzuki RM-Z 250 täuscht. Insgesamt 80 überarbeitete Motorteile, ein in der Steifigkeit geänderter Rahmen sowie Kayaba- statt Showa-Federelementen zeugen vom ambitionierten Einsatz der Ingenieure. Und was bringt’s? Eine Rückbesinnung. Denn anstatt wie bislang erst ab der Drehzahlmitte, spannt der Suzuki-Single nun – wie in den Modellen vor 2013 – bereits im Drehzahlkeller die Muskeln, schnalzt unter betont dumpfem Grollen aus den Anliegern und gibt sich als drehmomentstarke Königin des engen Geläufs. Vor allem Amateurpiloten versetzt dieser benutzerfreundliche Charakter, den auch das per Stecker aktivierbare aggressivste Mapping konserviert, in Hochstimmung, kein Zweifel.

Oder doch? Denn der Blick auf die Leistungskurve (siehe Seite Daten und Messwerte) verwundert. Auf der Rolle kann der Treibsatz der Suzuki RM-Z 250 trotz adäquater Spitzenleistung über den gesamten Drehzahlbereich nur die Kawasaki hinter sich lassen. Doch wo es zählt, ist auf dem Platz.
Und dort setzt sich die Suzuki RM-Z 250 – ganz ohne Zweifel – mit dem neuen Fahrwerk in Szene. Feinfühlig tastet die in beiden Holmen mit einem Luftpolster federnde Gabel das Terrain ab, hält gemeinsam mit dem ebenfalls weicher abgestimmten Federbein die Maschine gut in der Balance und demonstriert auch in dieser Beziehung ihre neu entdeckte Sympathie für Hobbypiloten. Die vor diesem Hintergrund mit dem nicht ganz so drehfreudigen und auch vergleichsweise mechanisch rau laufenden Motor gut leben können. Genauso wie mit dem vierten Platz.
Yamaha YZ 250 F

Keep it simple – nach diesem von MotoGP-Star Casey Stoner populär gemachten Motto greift die Yamaha YZ 250 F ins MX2-Geschehen ein. Serienmäßig bietet die für die kommende Saison nur marginal modifizierte YZ 250 F weder verschiedene Mappings noch Launch Control und schon gar keine Luftgabel an. Die Modellpolitik der ruhigen Hand scheint ihr nicht geschadet zu haben. Ganz im Gegenteil. Ohne auch nur ein Schräubchen an Dämpfungseinstellung, Federvorspannung oder Lenkerposition zu drehen, vermittelt die YZ das vertrauenerweckendste Fahrgefühl des Testfelds.

Den Grundstein dafür legt ausgerechnet die mit zwei Stahlfedern ganz konventionell arbeitende Kayaba-Gabel. Erstklassig ansprechend, saugt die Front jede Kante auf und schiebt gemeinsam mit dem ebenfalls sämig arbeitenden Stoßdämpfer die Yamaha YZ 250 F in Sachen Federelemente auf die Spitzenposition. Addiert man dazu noch die von allen Yamaha-Crossern gewohnte führungsstarke Front, lässt sich die YZ beim Thema Fahrwerk von niemandem in die Suppe spucken.
Vor diesem famosen Hintergrund verzeiht man ihr sogar die breit bauende Luftfilterabdeckung hinter dem Lenkkopf. Übrigens genauso wie den eigenartig aus dieser Airbox schnorchelnden Sound. Denn mit einer nur noch vom Honda-Aggregat erreichten brillanten Laufkultur setzt der unorthodox konzipierte Motor die Charme-Offensive des Fahrwerks fort. Ein homogener Druck, der erst im oberen Drehzahlbereich abflacht, und ein minimales Schleppmoment animieren förmlich dazu, den Gaszug zu spannen. Noch nie war es leichter, mit einem MX2-Renner konstant schnelle Rundenzeiten auf die Strecke zu brennen als mit dieser Yamaha YZ 250 F. Punkt.
Husqvarna FC 250

Leicht modifizierte weiße Plastikteile, serienmäßige Handschützer, ein Rahmenheck aus kohlefaserverstärktem Kunststoff und eine mit Stahlfedern arbeitende 4CS-Gabel von WP Suspension – das sind die Features, welche die Husqvarna FC 250 von ihrem KTM-Schwestermodell unterscheiden. Insofern profitiert die ebenfalls in Mattighofen produzierte Exil-Schwedin quasi eins zu eins von der Generalüberholung der KTM 250 SX-F. Weshalb sich die FC vor allem an besagten Unterschieden messen lassen muss.
Unterschiede Husqvarna FC 250 und KTM 250 SX-F

Thema Rahmenheck: Mag der Leistungsunterschied zur KTM 250 SX-F von gerade mal einem PS eher auf das Konto der Serienstreuung gehen, baut das Kunststoff-Heck im hinteren Teil etwas ausladender als das schlankere Pendant der KTM.
Thema Gabel: Grundsätzlich schlägt sich die WP-Front ordentlich, spricht auf kleinen Bremswellen aber nicht so sensibel wie die Gabeln der Suzuki und Yamaha an. Von der neuen WP-Luftgabel in der KTM 250 SX-F ganz zu schweigen.
Auffällig: Bei Husqvarna FC 250 und KTM 250 SX-F ist die Feder hinten offensichtlich recht hart und bietet daher wenig Spielraum bei der Einstellung des Durchhangs. Bei 110 mm Durchhang mit Fahrer hat die Feder entlastet keine Vorspannung mehr. Eine etwas weichere Feder wäre sicher eine gute Idee.
Das war’s. Denn von den diversen Eigenheiten abgesehen, wirft sich die Husqvarna FC 250 so gewaltig in die Brust wie die KTM 250 SX-F, erstickt mit 45 PS im leistungsverliebten MX2-Business jedes Aufbegehren der japanischen Fraktion im Keim – und reiht sich brav auf Platz zwei ein.
KTM 250 SX-F

Machen wir’s kurz. KTM legt die Messlatte neu. Noch nie war ein Serien-MX2-Crosser stärker als 46 PS, noch nie war einer leichter als 99 Kilogramm. Und einen Elektrostarter besitzt außer der fast baugleichen Husqvarna FC 250 auch kein Motocross-Bike. Insofern reicht bereits die Datensammlung, um der mit steiferem Rahmen und kompakterem Motor für die kommende Saison völlig neu konstruierten KTM 250 SX-F das Ergebnis des Vergleichstests zu orakeln: Sieg nach Punkten.

Denn was die Papierform verspricht, löst die KTM 250 SX-Fauch auf der Strecke ein. Ob beim Sprint am Startgatter oder dem Spurt aus dem Anlieger – ab dem mittleren Drehzahlbereich, geht die Neue ab, als wäre eine Kartusche mit Lachgas im Luftfilterkasten geborsten. Je höher die Drehzahl, desto wohler fühlt sich das Aggregat. Erst 13.800 Umdrehungen markieren das Ende der Fahnenstange. Beeindruckend. Aber auch fordernd. Amateurfahrern fällt es schwer, den Motor immer im potenten oberen Leistungsbereich zu halten. Und: Den kultivierten Auftritt der japanischen Motoren kann der kurzhubig ausgelegte Treibsatz bei diesem Parforce-Auftritt nicht bieten. Im aggressivsten der drei Fahrmodi irritiert gar eine ausgeprägte Motorbremse, lässt den Piloten schnell in die Standardeinstellung zurückzappen.
Überzeugend geriet die Premiere der AER 48-Luftgabel von WP Suspension. Mit erstklassigem Ansprechverhalten und einem gelungenen Dämpfungsverlauf überzeugt die Front der KTM 250 SX-F auf ganzer Linie. Weil das Heck trotz hart gewählter Feder sowie grenzwertig geringer Vorspannung erstaunlich komfortabel arbeitet und das Handling neutral ausfiel, schreckt auch der mit 8795 Euro um bis zu 900 Euro höhere Listenpreis wohl die wenigsten Hobbycrosser ab. Es war schon immer etwas teurer, Sieger zu engagieren.
Reifen

Die hoch spezialisierten Motocross-Production-Racer unterscheiden sich oft nur in Nuancen. Nur wenige Punkte liegen zwischen Siegern und Verlierern. Umso wichtiger, dass mit identischen Reifen Chancengleichheit herrscht. Bei diesem Test rollten alle MX2-Bikes auf den erst in diesem Jahr präsentierten Bridgestone Battlecross X30. Der für gemischtes Terrain konzipierte Pneu überzeugte auf losem Boden mit hervorragendem Grip und zeigte sich verschleißfest. Auf hartem Terrain lohnt der Umstieg auf das ebenfalls neu konzipierte Schwestermodell X40.
Testergebnis

1. KTM 250 SX-F

Noch nie war ein MX2-Crosser leichter, noch nie einer stärker. Die Werte der KTM 250 SX-F erübrigen die Frage nach dem Testsieger. Fast nebenbei überzeugt die SX-F mit E-Starter und der brandneuen, exzellenten Luftgabel. Ein beeindruckendes Gesamtpaket.
2. Husqvarna FC 250

Die technische Basis der KTM 250 SX-F legt auch für die Husqvarna FC 250 den Grundstein zum Erfolg. Aber: Ihre individuellen Merkmale wie Stahl- statt Luftfedergabel und das Kunststoff-Rahmenheck bringen mehr Gewicht und schlechtere Funktion. Synergie sollte anders aussehen.
3. Yamaha YZ 250 F

Die Siegerin der Herzen. Der Yamaha YZ 250 F fehlt zum Sieg nur eins: die Spitzenleistung des Husqvarna-KTM-Duos. Davon abgesehen steht die YZ immer im Rampenlicht. Top-Federung, Top-Handling, Top-Laufkultur. Ein tolles Motorrad.
4. Suzuki RM-Z 250

Mit drehmoment- statt drehzahlorientiertem Motor und dem Wechsel zur Kayaba-Federung hat sich die Suzuki RM-Z 250 gewandelt. Und zwar zum Besseren. Zum feinstgeschliffenen Top-Trio fehlen nur eine etwas geschmeidigere Laufkultur und ein Tick Leistung.
5. Honda CRF 250 R (206 Punkte)

Der zahme Sound täuscht. Die Detailänderungen haben den bislang schwächelnden Honda-Motor endlich aufgepeppt. Doch die stuckerige Dreikammer-Showa-Luftgabel und das zu harte Federbein vernichten die Fortschritte am Motor in der Gesamtbilanz.
5. Kawasaki KX 250 F (206 Punkte)

Spritziger Motor, ordentliche Federung – damit gibt die Kawasaki KX 250 ein gutes Bild ab. Doch mäßiges Handling und das schwerste Gewicht des Felds kosten im dicht gedrängten MX2-Feld Punkte. Schwacher Trost: Die rote Laterne trägt die KX gemeinsam mit der Honda.





Spitzenleistung, das ist der Begriff, um den es sich in der MX2-Kategorie dreht. Mit dem beeindruckenden Anstieg im letzten Drehzahldrittel legt das Duo aus Husqvarna FC 250 und KTM 250 SX-F den Grundstein zu seinem Testsieg. Erstaunlich: Trotz fast identischer Volllast-Kurven des restlichen Felds differieren die subjektiven Eindrücke in der Praxis erheblich.