Trial-Legende Mick Andrews krönte Anfang der 70er-Jahre OSSAs Erfolgsserie mit zwei EM-Titeln und verhalf den Katalanen zu einer gefragten Großserien-Replika.
Trial-Legende Mick Andrews krönte Anfang der 70er-Jahre OSSAs Erfolgsserie mit zwei EM-Titeln und verhalf den Katalanen zu einer gefragten Großserien-Replika.
Trial, Enduro, Motocross – abseits befestigter Pfade lag die spanische Motorradschmiede OSSA ganz vorn. 1949 war die erste 125er-OSSA "Fuelles" vom Band gerollt. Den Grundstein für die erfolgreichen Enduro- und Trialmaschinen legte der Ingenieur Sandro Colombo. Er entwarf 1963 einen Einzylinder-Zweitaktmotor, dessen Basis bis zum Niedergang von OSSA Mitte der 80er-Jahre in allen Offroadern verbaut wurde.
An den Modellen der 60er- und 70er-Jahre erkennt man, dass Trial- und Enduromaschinen auf demselben Konzept beruhten. Was heute ein Ding der Unmöglichkeit ist, war in der Nachkriegszeit gang und gäbe, denn Enduropisten und Trialsektionen unterschieden sich nur wenig. Ganz im Gegensatz zum aktuellen, mehr als fragwürdigen Trend, bei dem Enduro-Wettbewerbe immer mehr zum Motocross mutieren und die Trialspezialisten aus dem Stand senkrechte Wände hochspringen.
Vor vierzig Jahren war das kein Thema. Daher strickten nicht nur die OSSA-Ingenieure aus einer Wettbewerbs-Enduro mit wenigen Änderungen ein wendiges Trialmotorrad. Wichtigster Punkt: Zahmere Steuerzeiten, kleinere Vergaserquerschnitte (27 statt 33 mm) und schlanke Auspuffbirnen mit ellenlangen, zylindrischen Krümmern trimmten die Motoren auf Durchzugskraft: Gerade mal 18 PS bei 6000/min stehen für die Trial-250er im Prospekt; die Enduro 250, Typ E 73, war mit 28 PS am Hinterrad angegeben. Typisch für damalige Motorkonstruktionen ist das extrem lange Getriebegehäuse.
Der Abstand zwischen Abtriebsritzel und Schwingenlager ist so groß, dass das untere Kettentrum eine federbelastete Spannschiene erfordert. Schade, dass die Konstrukteure damals nicht in aller Konsequenz den extrem kompakten und kurzen Motor der Straßenrennmaschine von Santiago Herrero auch in ihre Offroad-Modelle verpflanzten. Sie wären mit dieser Konstruktion der Konkurrenz um Jahre voraus gewesen. Letztlich gab dieses Festhalten an antiquierter Technik auch den Ausschlag für Mick Andrews, den Spaniern Lebewohl zu sagen und im Jahr 1973 bei Yamaha anzudocken.
Die Federwege der Trial 250 mussten gegenüber den Enduro-Modellen nur wenige Zentimeter gekürzt werden, weshalb Gabel und Federbein in der Bauart identisch, und nur in der Abstimmung von Federrate und Dämpfung angepasst waren. Um für die nur knapp 90 Kilogramm schwere Trialmaschine Bodenfreiheit zu gewinnen, ohne die Bauhöhe zu vergrößern, kappte man die Stahlrohrunterzüge vor dem Kurbelgehäuse. Der Motor hängt also in dem unten offen Rahmen. Ein eng um das Kurbelgehäuse geformtes Aluminiumblech schützt ihn vor Steinschlägen und bei Rutschpartien.
Als Sitzbank dient ein kleines Sitzbrötchen, schließlich führen Trialfahrer ihre Kunst ausschließlich im Stehen vor. Szenenwechsel. Sonntagmorgen im Dezember 2008. Die Bürger liegen noch in den Federn, nur ein paar bunt gekleidete Menschen hantieren auf dem Trialgelände in Sulz am Neckar in aller Gelassenheit an antiquierten Motorrädern. Ein paar Liter Sprit glucksen in den kleinen Tank, Sprithahn auf, Kickstarter gekickt – doch der Motor startet nicht. Im Handumdrehen ist die Schwimmerkammer entleert; aufgeplusterte Backen reinigen Düsenstöcke mit "Druckluft", ein Feuerzeug trocknet Zündkerzen. Dann wieder ein Tritt, und der OSSA-Motor keucht blaue Wölkchen in die kalte Winterluft, spratzelt noch etwas verrotzt und überfettet vor sich hin. Helm auf, mit Vollgas den Feldweg einmal rauf, einmal runter, und schon hat sich der Zweitakter freigebrannt.
"So, jetzt du." Mein alter Spezl Nobby drückt mir den breiten Lenker in die Hand und grinst. Er weiß genau, dass meine letzte Exkursion auf einem Trialer gut 20 Jahre her ist und hat sich eine nette Runde für mich ausgedacht. "Für den Anfang ganz leicht: der Schräghang um den Baum rum. Dann runter ins Wäldchen zum Warmfahren, anschließend rüber in die Felsen zum Klettern." Nobby hat gut Lachen, steht satt im Training, seit er seinen Klassik-Enduro-Fuhrpark von Honda CB 250 Scrambler und Yamaha XT 250 um die Mick Andrews-Replica erweitert hat. Und die ist nicht als Schmuckstück gedacht, sondern als Untersatz für Klassik-Trials. "Wenig Aufwand, viel Spaß", kommentiert Nobby seine Leidenschaft zum alten Eisen. "Wenn es dich nicht brutal in die Felsen haut, geht eigentlich nix kaputt. Und mit fünf Litern Mischung fängst du dir beim Trainieren einen sauberen Muskelkater ein."
So, und jetzt ich. Auch wenn man zusammen die unglaublichsten Motorradabenteuer gemeistert hat, ein Blöße will man sich auch vor alten Freunden nicht geben. Auch deshalb, weil der Dritte im Bunde, der Fotograf, ebenfalls zu den Weggefährten aus der Enduro-Ära zählt. Was nix daran ändert, dass die Herren Zuschauer noch vor der ersten verkrampften Kehrtwende am Schräghang genüsslich die Schmäh auspacken. Worauf der Sprücheklopfer nur mit Mühe seine Hightech-Kamera aus der Schusslinie der pratzelnden Lehmklumpen bringen kann. Waffenstillstand.
Aber wo er Recht, hat er Recht, der Knipser: Trialfahren ist eigen, weil die stabilisierende Wirkung der Räder mangels Geschwindigkeit entfällt. Die erste Übung gehört der simplen Balance von Mann und Maschine. Wie ging das früher noch mal? Vorderrad hoch, sanft in Augenhöhe auf dem Baumstamm abstellen und stehen bleiben – lässig, minutenlang, wie festgenagelt. Nach dem fünften Versuch und einem derben Rammstoß, der den Baum schier entwurzelt, wende ich mich der eher dynamischen Fortbewegung zu: Wenden am Lenkanschlag, zum Beispiel. Mit diesem Motor kein Problem, denn der läuft auch weiter, wenn sich der Kolben nur mit Mühe über den OT hievt. "Auskuppeln ist im Klassik-Trial verpönt", hat mich Nobby aufgeklärt.
Nach einer halben Stunde Üben kommen die alten Reflexe und das Balancegefühl langsam zurück. Die OSSA ist zum Glück noch eine jener Trialmaschinen, denen man die Gutmütigkeit in die Wiege gelegt hatte. Wenn man über lehmverschmierten Fels klettert und sich der superweiche Michelin Competition X 11-Reifen zuweilen abrupt im Gestein verbeißt, werfen dich moderne, aggressive Trialer einfach ab. Die OSSA hebt kurz das Vorderrad und schubst dich gutmütig übers Hindernis. Solche Freundlichkeiten steigern die Lust auf mehr, auf höher, auf steiler.
Dass die MAR 250 auf glattem Waldboden heftig übers Vorderrad schiebt, bei kniehohen Felskanten auf dem Bodenblech schliddert und, wenn's drauf ankommt, ein bisschen schlapp am Gas hängt, kann man ihr verzeihen. Dafür gibt sie auch einem Wiedereinsteiger vom ersten Meter an das Gefühl, dass der Reiter das Sagen hat. Wohl auch deshalb besinnen sich immer mehr Klassikfreunde auf die sogenannten Twin-Shocker zurück und finden die Freude am Trialsport wieder. Sollte mir in nächster Zeit ein passendes Gerät unterkommen, kriegt Nobby Konkurrenz. Denn bis zur Rente, mein Freund, hat es bei mir noch etwas Zeit.
OSSA Trial 250 MAR
Motor: luftgekühlter, schlitzgesteuerter Einzylinder-Zweitaktmotor; Mischungsschmierung 1:20, Bohrung 72 mm, Hub 60 mm, Hubraum 244 cm³, Verdichtung 8 : 1, 18 PS bei 6000/min, Gemischaufbereitung Schiebervergaser, Ø 27 mm
Elektrische Anlage: Kickstarter, kontaktlose Motoplat-Thyristor-Zündung, Lichtmaschine 6 Volt/34 Watt
Kraftübertragung: Mehrscheiben-Ölbadkupplung, klauengeschaltetes Vierganggetriebe, Getriebeübersetzung 4,31/3,24/2,40/1,0, Sekundärantrieb: Kette
Fahrwerk: unten offener Stahlrohrrahmen, vorn hydraulisch gedämpfte Telegabel, hinten Zweiarmschwinge mit zwei hydraulisch gedämpften Federbeinen, Federweg vorn/hinten 122/122 mm, Drahtspeichenräder mit Alufelgen, Reifen vorn 2.75 x 21, Reifen hinten 4.00 x 18, vorn und hinten Simplex-Trommelbremse, Ø 120 mm
Maße und Gewicht: Gewicht 88 kg, Tankinhalt 6,25 Liter
Hersteller: OSSA Motorcycles, Barcelona/Spanien
Wer es noch einmal wissen will, ist beim Klassik-Trial herzlich willkommen. In Deutschland laufen offiziell zwei Serien: Die Deutsche Trialsport Gemeinschaft e. V. organisiert den Klassik Trial D-Cup (www.ortwinsann.de); Freunde der motorisierten Kraxelei können sich außerdem beim Hanse Classics betätigen (www.hanse-classics.de). Für beide Veranstaltungen ist keine DMSB-Lizenz erforderlich. Die Wettbewerbsbedingungen unterliegen den jeweiligen Veranstaltern, die anstreben, dass das Startgeld nicht über 15 Euro beträgt. Europaweit hat sich der Klassiktrial Euro-Cup etabliert; aber oft veranstalten auch regionale Trial- und Motorsport-Clubs im Rahmen ihrer Vereinsmeisterschaft spannende Klassik-Trials.
Damit das Maschinenmaterial wirklich klassisch ist und nicht nur so aussieht, werden die Maschinen in Kategorien eingeteilt: Zum einen starten Viertaktmaschinen mit geteilten Motor-/Getriebeeinheiten, die sogenannten 65 Pre Unit, und die 65 Unit mit einteiligen Motor-/Getriebeeinheiten. Bei den "Twinshockern" handelt es sich um Zweitakter mit konventionellem Federsystem, also zwei Federbeinen, ab Baujahr 1966. Die "Monoshocker" sind Zweitakt-Trialmaschinen mit serienmäßiger Zentralfederung und werden nur außer Wertung zugelassen.
Technische und optische Veränderungen an den klassischen Trialmaschinen dürfen nur dann erfolgen, wenn sie mit zeitgemäßem Material und in der damals üblichen Optik umgebaut sind. Wasserkühlung und Scheibenbremsen sind generell nicht erlaubt. Um dem breitgefächerten Fahrkönnen Rechnung zu tragen, werden bis zu fünf unterschiedlich schwere Fahrspuren angeboten. Diese sind farblich markiert und müssen vor dem Start ausgewählt werden. Wie im Trialsport üblich kontrollieren sogenannte Spurenobmänner die Einhaltung der Regeln.
Wer sich über weitere Veranstaltungen, Termine und das technische Reglement informieren möchte kann dies zum einen über den DMSB oder, noch besser und aktueller, über die Homepage der Zeitschrift Trialsport unter www.trialsport.de tun.