Neue BSA Gold Star 650 Fahrbericht
Der Goldstern leuchtet wieder

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BSA ist wieder da. Nach fünf Jahren Entwicklungsarbeit sind die ersten serienreifen Gold Stars in Großbritannien eingetroffen, und auch über deutsche Straßen werden die brandneuen 650er bald rollen. Alan Cathcart wagte mit der englischen Lady mit indischem Migrationshintergrund den ersten Tanz.

BSA Gold Star 650 Fahrbericht aus MRDCL (09/2022)
Foto: BSA/Woodcote Events Gareth Harford & Stuart Collins
In diesem Artikel:
  • Freundlicher Empfang auf der neuen BSA
  • Im Straßenlabor mit der neuen Gold Star
  • Einzylinder mit Wurzeln bei BMW und Rotax
  • 167 km/h auf der Gold Star 650
  • Agil und handlich ist die neue BSA
  • Fazit

Schon beim Goodwood Festival of Speed hatte ich endlich Gelegenheit, die neue BSA zu fahren. Das Wetter allerdings war typisch englisch und meinte es nicht gut mit mir, und die Strecke rund um das Haus des Duke of Richmond war ziemlich rutschig. Schlechte Bedingungen also für die erste Begegnung – und doch beinah ideal für eine erste Bestandsaufnahme. Schließlich beweist sich echte Zuneigung oft erst unter schwierigen Verhältnissen.

Freundlicher Empfang auf der neuen BSA

Tatsächlich hatte es mir die Neue schon in Goodwood ziemlich leicht gemacht. Ihre 780 Millimeter hohe Sitzbank ist leicht zu erklimmen, die Sitzposition zwar betont aufrecht, dabei aber doch entspannt und geräumig – auch dank der tiefen Fußrasten, deren Angstnippel ich trotz der haftfreudigen Pirelli-Phantom-Sportscomp-Pneus nur auf trockenen Passagen und in ganz schrägen Linkskurven zum Touchdown auf den Asphalt brachte. Heute, im Millbrook Test Center, wohin Classic Legends – das Unternehmen hinter dem wiederbelebten Namen BSA und ein Joint Venture der indischen Mahindra-Gruppe sowie privater Investoren – geladen hat, sind die Bedingungen deutlich besser. Auf trockenem Asphalt folge ich Vorderrad an Hinterrad meinem Tourleader Gary Johnson – zweifacher Gewinner der Isle of Man Supersport TT –, um die große Vielfalt der unterschiedlichen Testsektionen zu erkunden.

Motorrad-Neuheiten

Im Straßenlabor mit der neuen Gold Star

Die erste Sektion bildet enge und kurvige Stadtstraßen ab, und schon dort zeigt sich, dass die Gold Star mit ihrer leichtgängigen Kupplung und dem makellosen Rundlauf des 652-Kubik-Einzylinders auch bei tiefen Drehzahlen im urbanen Geläuf für sehr entspanntes Vorwärtskommen taugt. Der Motor stammt ursprünglich aus der ersten Version der BMW F 650, von Rotax. Mit Hilfe der Technischen Universität Graz, die schon bei der ein oder anderen KTM-Entwicklung mitgemischt hat, hat ihn BSA mit Benzineinspritzung versehen und auf Euro 5 gehievt. Schön sanft ans Gas geht der Single und sammelt bereitwillig Drehzahlen auf, ganz gleich, ob du eben noch lethargisch im hohen Gang vor dich hingetrottet oder schon nahe dem optimalen Schaltpunkt bei rund 6.500/min um die Bordsteine gefegt bist. Genau dort liegt die maximale Leistung von 45 PS an. Ein Wert, der auf den Stufenführerschein und damit vor allem auch auf Newcomer abzielt und später, so CEO Ashish Joshi, auch noch Luft nach oben bietet.

Einzylinder mit Wurzeln bei BMW und Rotax

Einige Feinarbeit wurde auf die Laufruhe des ehemaligen Rotax-Antriebs verwendet, und so ist der Single auch bei engagierterer Drehzahl ein Hort der Ruhe und lässt gerade mal so viele Vibrationen durch, dass man seine Lebendigkeit spürt und ihn nicht mit einem Elektroantrieb verwechseln kann. War das Fünfganggetriebe in Goodwood noch etwas widerspenstig, kooperiert die Schaltbox hier nun gefühlt reibungslos – ein Umstand, der sich durch die Laufleistung erklärt. Hatte die Goodwood-Maschine gerade mal zwei Meilen auf der Uhr, sind die Zahnräder meines heutigen Untersatzes mit mehr als 200 Meilen Laufleistung schon aufeinander eingelaufen. Am angenehmsten lebt es sich mit diesem Motor zwischen 3.000 und 6.000 Touren, dort hat er alles, was man im Alltag braucht – inklusive eines herrlich satten Brummens aus dem Peashooter-Schalldämpfer.

167 km/h auf der Gold Star 650

Jetzt bietet die Strecke endlich Platz vor der Nase, und Gary zieht auf. Willig begebe ich mich auf die Suche nach den versprochenen 167 km/h Topspeed. Und tatsächlich: Trotz meiner nicht unerheblichen Maße und meiner Kilos rennt die BSA im fünften Gang bei 6.300/min rund 165 km/h und lässt dabei zu ihrer Abregeldrehzahl von 7.200/min noch eine ganze Menge Luft. Autobahnspeed von 130 km/h quittiert der Single mit ruhigen 5.000/min – besonders in Mahindras Heimatmarkt Indien ist der Benzinverbrauch ein wichtiger Akzeptanzfaktor. Vier Liter auf 100 Kilometer verspricht Joshi.

Agil und handlich ist die neue BSA

Trotz 1.425 Millimeter Radstand liefert die neue Goldie ein auffallend leichtes Handling, schließlich offeriert der breite Lenker auch einen ordentlichen Hebel. Obwohl der Zylinder aufrecht steht, wirkt es, als liege der Schwerpunkt recht tief. Gabel wie Federbeine – nur letztere sind fünffach in der Vorspannung einstellbar – warten mit einem Ansprache- und Dämpfungs-Setting auf, das auf den Furchen des Kurses für komfortable Ruhe sorgt. Bei den Bremsen verwendet BSA nicht die Zangen von Brembos indischer Tochter Bybre, sondern die italienischen Originale, was sich auszahlt. Mit der vollgetankt 213 Kilogramm schweren Maschine samt 1,80-Meter-Fahrer jedenfalls macht die 320er-Einzelscheibe vorn mit Unterstützung ihrer Kollegin am Heck deutlich kürzeren Prozess, als ich das erwartet hatte. Dabei ist die Stabilität gut, selbst als ich am Kurveneingang einmal bewusst ins ABS hineinzubremsen versuche, was mir dank des guten Grips der Pirellis nur bei vollem Einsatz am Bremshebel gelingt.

Fazit

Berühmter Name auf dem Tank hin oder her, die neue Goldie ist auf jeden Fall ein Motorrad, mit dem man gerne mehr Zeit verbringen möchte. Dass die Wiedergeburt dieser großen Marke und insbesondere auch die Formensprache Emotionen auszulösen vermag, das hatten die ersten Reaktionen rund um den Globus schon gezeigt. Am Ende des ersten Fahrtages ist klar: Die Funktion der neuen BSA Gold Star 650 wird ihrem Erfolg sicher nicht im Wege stehen.

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Erscheinungsdatum 05.05.2023