Ducati Scrambler vs. Fantic Caballero 700 im Alpen-Test

Ducati Scrambler Icon gegen Fantic Caballero 700
Welche Scrambler hat im Alpen-Test die Nase vorn?

Zuletzt aktualisiert am 02.09.2023

Als 125er und 500er setzen die Caballeros im Programm von Fantic bereits gekonnt auf die Retro-Karte, kombiniert mit einem aktuellen Motor. Mit der Fantic Caballero 700 bekommt die Reihe so etwas wie ein würdiges Oberhaupt, schließlich führt sie den gelungenen Scrambler -Look bis in die obere Mittelklasse fort und setzt beim Antrieb auf einen richtigen Tausendsassa mit tollen Manieren. Der Motor der Fantic Caballero 700 stammt nämlich von Yamaha, genauer gesagt: aus der MT-07. Und dieser Reihenzweier (Yamaha-intern "CP2") mit charakteristischem Hubzapfenversatz war, ist und bleibt einer der lebhaftesten, gut beherrschbaren und tollsten Motorrad-Antriebe, die im letzten Jahrzehnt das Licht der Welt erblickten. Wer diesen Motor in ein Zweirad packt, erntet automatisch einen Freudenspender erster Güte.

Ist damit das Urteil gegen die Ducati Scrambler Icon beim Alpen-Masters 2023 schon gefällt? Mitnichten. Was vor allem daran liegt, dass die Italiener aus Bologna ihrem Dauerbrenner im Programm fürs Jahr 2023 eine Frischzellenkur verpasst haben. Die betrifft zum Glück nicht den Motor. In Zeiten, in denen der V2 immer seltener wird, setzt die Scrambler mit ihrem luftgekühlten 800er-Motor-V im Stahl-Gitterrohrrahmen aufs Festhalten an alten Ducati-Traditionen. Und in der Scrambler Icon, die für die aktuelle Saison an Gewicht verlor und dazu ein neues TFT-Display spendiert bekam, mit dem sich die Traktionskontrolle und die Fahrmodi einfacher steuern lassen, ist dieses Konzept so stimmig wie der Swipe nach links bei Tinder. It’s a match, und zwar ein richtig, richtig gutes.

Motoren-Vergleich am Stelvio

Das Ortsschild von Trafoi liegt hinter Kehre 44 vor uns. Mustergültig prescht die Fantic Caballero 700 am Gas voran. Obwohl sie bei Fantic den Yamaha-Zwilling mit eigenem Mapping, neuem Luftfilter und eigenem Auspuff ausgerüstet haben, hat er seine von Yamaha bekannten Talente beibehalten. Selbst wenn von den versprochenen 74 PS nicht alle antreten wollen, wie die Prüfstandskurve zeigt, liefert der Zweizylinder immer genau den Punch, den der grobstollige Pirelli Scorpion Rally noch auf den holprigen Asphalt am Stilfser Joch übertragen kann. Das Schöne dabei: Selbst beim engsten Kehrenschwung vergisst der Motor nie seine gute Kinderstube. Schnell den ersten Gang reingedrückt, und ohne weitere Kupplungsunterstützung zirkelt die Fantic Caballero 700 auch im Steilen lässig um die engsten Biegungen herum.

Da muss selbst der Scrambler-Treiber anerkennend mit dem Kopf nicken. Grund zum Klagen hat er aber nicht. Der luftgekühlte, feinverrippte Ducati-Twin eilt mit guten Manieren und gleichmäßiger Leistungsentfaltung durch die 180-Grad-Turns, setzt der spontanen Fantic-Leistungsdarbietung beste Beherrschbarkeit entgegen, muss aber auch einsehen: Eiliger stürmt die Fantic Caballero 700 Brunos Bratwurstbude am Gipfel des Stelvio entgegen. Wenn der Fantic-Fahrer schon die erste Köstlichkeit vom Grill inhaliert, warten auf den Scrambleristen noch ein paar Kehren.

Handlichkeit, Gutmütigkeit und Lässigkeit

Allerdings: Kehren meistert die Icon mit einer Handlichkeit, einer Gutmütigkeit und Lässigkeit, die der Fantic Caballero 700 ein Stück weit fremd ist. Besonders deutlich macht das ein kurzer Abstecher in die Schweiz zum Ofenpass. Dessen weite Radien rücken das Fahrwerk viel mehr in den Vordergrund, Feedback, Rückmeldung und Stabilität gewinnen an Bedeutung. Selbst wenn die Fantic Caballero 700 auf dem kurvigen Schweizer Asphalt ihr Motor wieder mühelos durch die großartigen Schwünge trägt, so richtig wohl fühlt sie sich nicht. Das hat gleich mehrere kleine Gründe, die sich zu so etwas wie einem merkbaren Unwohlsein mausern. Da wäre die Sitzposition. Weit vorne, ziemlich flach und breiter als jede Türzarge fällt der Lenker der Caballero aus. Gut für einen kräftigen Hebelarm, schlecht für Komfort und Spielübersicht. So richtig wollte dieses Arrangement keinem der Alpenmasters-Tester passen. Hinzu kommt noch, dass die Scorpion-Rally-Pneus auf der Fantic weder sonderlich fluffig einlenken noch klar und deutlich rückmelden, wie’s ihnen im Schräglauf eigentlich geht.

All das erledigt die Scrambler Icon wie ein Streber im Schulunterricht. Ausgewogene Sitzposition mit idealer Lenkerhöhe und passenden Abständen im Dreieck Rasten, Sitzbank und Lenker? Da schreibt die Ducati wie selbstverständlich einen Haken hinter. Dazu klappt sie mit einer verlässlichen Handlichkeit in jeden Radius, dass das Wort Lenkimpuls schon fast grobmotorisch anmutet. Und im Schrägen rapportieren ihre viel besser rollenden, rückmeldestarken Pirelli MT 60 RS klar, was geht und was eben nicht. Wobei das, was eben nicht geht, als Grenze eher durch die Fußrasten gesetzt wird, die recht früh aufzeigen, dass der Schräglagen-Hafer genug gestochen hat. Trotzdem, egal ob jung oder alt, ob lang oder kurz, die Scrambler hat die Herzen der Kehren-Fans im Nu erobert. Da hilft der Fantic Caballero 700 auch ihre motorische Überlegenheit nicht weiter.

Beim Fahrwerk zieht Caballero 700 den Kürzeren

Was mit daran liegt, dass das Scrambler-Fahrwerk mit seinen 150 Millimetern Federweg einen ziemlich ausgewogenen Kompromiss aus Verwerfungen glattbügelndem Komfort und Vertrauen spendender Fahrstabilität trifft. Auch hierbei zieht die Fantic Caballero 700 den Kürzeren, obwohl sie bei Fantic mit dem Stahlrahmen, einer dicken Aluschwinge und der 45er-Marzocchi-Upside-down-Gabel sowie den CNC-bearbeiteten Gabelbrücken mit dreifacher Klemmung unten alle möglichen Fahrwerksregister gezogen haben. Da mutet die 41er-Upside-down-Gabel von Kayaba bei der Scrambler samt einfacher gehaltenen Gabelbrücken fast schwindsüchtig an. Indes: Die Funktion gibt der Ducati recht.

Und weil beide beim Bremsen samt Kurven-ABS, den Assistenzsystemen und der Ausstattung auf für diese Klasse sehr gutem Niveau liegen, die Ducati zudem mit einem optionalen Schaltautomaten samt Blipper ausgerüstet war, heißt der 2023er-Alpenmasters-Favorit für alle Fans des klassischen Stollenhüpfer-Strichs: Ducati Scrambler Icon.