Race-Fans mit Stil neigen zum Brechreiz, Simpson-vermummte Streetfighter stehen drauf, und der praktisch veranlagte Biker findet ihn einfach nur bequem: den sperrigen Superbike-Lenker, ein Teil mit regem Zuspruch in der Szene. Im Fall der modifizierten Suzuki TL 1000 S von Herbert Speer bringts gleich noch ein paar Vorteile. Vom Von Haus aus nur mäßig handlich, läßt sich der 1000er Big-Twin aus aufrechter Herrenreiter-Position mit geringstem Druck ziemlich ungeniert zu grimmige Schräglage überreden. »Mächtig ist des Menschen Kraft, wenn er mit dem Hebel schafft«, eine physikalische Faustregel die bereits in der Steinzeit wundersame Dinge bewerkstelligte und die auch an der TL 1000 S ihre Wirkung nicht vefehlt. Nicht einmal die haftfreudigen, aber dafür widerspenstigen und schwerfälligen Metzeler ME Z1 Racing-Walzen stören die Kurvenlust (siehe auch Kasten Seite 34). Ein kurzer Impuls am Lenker, und schwupp, klappt die TL 1000 S in die gewünschte Richtung. Bodenwellen und Asphaltverwerfungen, aufgrund der weichen Karkasse der Serienbereifung durch mehr oder weniger starkes Schaukeln verstärkt, lassen sich mit der Segelstange fein ausbalancieren, und selbst dem TL 1000 S-typischen Lenkerschlagen nimmt das 820 Millimeter breite Steuer auch ohne Lenkungsdämpfer die Tücke.
Doch Übermut tut selten gut und schon gar nicht bei den pfeilschnellen und zackig eingeleiteten Schräglagenwechsel, zu denen die Teststrecke im französischen Colmar zwingt. Durch die vergleichsweise leichte Frontpartie der TL 1000 S verliert dabei das Vorderrad kurzzeitig den Bodenkontakt und sollte, um größere Reparaturen zu vermeiden, umgehend eingefangen werden. Weil Wind und Wetter durch die kleine Verkleidung so gut wie ungebremst bei Manövern über 160 km/h am Reiter zerren, verliert der schnell die Lust am Vollgasritt. Wer mit dem unterhaltsamen und kraftvollen V2-Brummer dagegen lieber eng gewundene Asphaltreviere durchstreift, dem stehen mit der Speer-Suzuki heitere Zeiten bevor. Ob Haarnadelkurve oder fließend weite Bögen, es fährt sich um Welten leichter als mit den serienmäßig tief angeschellten Lenkerstummeln, die die Fuhre weder komfortabel, geschweige denn wendiger machen. Unterm Strich ist die Lösung von Herbert Speer nicht die schlechteste, da sich das kapriziöse Fahrwerk souveräner begerrschen läßt. Wenn schon Suzuki TL 1000 S, dann in Monster-, ääähh Streetfighter-Montur.
Und dazu gehört natürlich auch die standesgemäße Lenkerverkleidung mit Aprilia RS 250-Scheinwerfer, hinter der in feinem Karbonlaminat die Instrumente verpackt sind. Für das notwendige Ensemble aus Verkleidung, Instrumentenkonsole und der von Spiegler gefertigten oberen Gabelbrücke mitsamt Lenkstange wandern 1390 Mark über den Tresen.
Gern genommen wird auch der keilförmige, 390 Mark teure Bugspoiler, die sich wohltuend über das zerklüftetete Motorgehäuse mitsamt Ölfilterpatrone stülpt.
Dank einer piekfein verarbeiteten, s-förmig geschwungenen Krümmerverlängerungen und dazu passendem Montage-Kit schmiegen sich die ovalen Serienschalldämpfer enge ans Rahmenheck. Eine Maßnahme, die fahrtechnisch zwar keinerlei Vorteile bringt, das Design der TL 1000 S aber nachhaltig in die Richtung korrigiert, das man von einem Twin erwartet, nämlich rank und schlank statt füllig und beleibt. 650 Mark berechnet Speer für Schlankheitskur, die bei der Verwendung von zwei kernigen Schüle-Sportschalldämpfern mit zusätzlichen 1390 Mark zu Buche schlägt.
Damit die sich aus dem Umbau keine Beziehungskrise entwickelt, arbeitet man bei Speer in Reutlingen derzeit an einem Adapter für die Soziusrasten. Mit Passagier verschärft sich jedoch die Wheelie-Freudigkeit der TL 1000 beim Beschleunigen deutlich.
Trotzdem, wer sich die Sommerzeit mit unterhaltsamen Touren vertreiben will, hat mit der modofizierten TL 1000 S gute Aussichten, den bulligen V2 von seiner besten Seite kennen zu lernen.
Fahrbericht Speer-Suzuki TL 1000 S : Straßenfeger
Statt verkrümmt über die Lenkerstummel gebeugt, läßt sich der Big-Twin im Speer-Trimm locker-leicht aus dem Handgelenk ums Eck dirigieren.