Eine Gold Wing zum Trike umbauen? Und dann noch mit einem Anhänger koppeln? Das hat Europas größter Gold Wing-Händler gemacht. Und wir sind das Reisemobil gefahren.
Eine Gold Wing zum Trike umbauen? Und dann noch mit einem Anhänger koppeln? Das hat Europas größter Gold Wing-Händler gemacht. Und wir sind das Reisemobil gefahren.
Ehrfurcht packt mich bei Europas größtem Händler für Honda Gold Wings, Biker’s Point Fuchs in Uslar: zwei Zimmer, Küche, Bad auf Rädern. „Welchen Führerschein braucht man dafür?“, frage ich Firmenchef Tobias Fuchs. „Gelenkbus“, scherzt der 40-Jährige. Hm, ich habe keine Klasse 2 … Dabei ist die Rechtslage klar: Wer seinen Pkw-Führerschein (Klasse B oder Klasse 3 alt) vor dem 19. Januar 2013 gemacht hat, darf alle dreirädrigen Kraftfahrzeuge fahren, auch mit Anhänger. Seither braucht man für Trikes mit einer Leistung über 15 Kilowatt zwingend einen Motorradführerschein. Damit darf man jedoch laut Gesetz keine Anhänger ziehen …
Nun, mit Führerschein Klasse 1 und 3 von 1984 bin ich auf der sicheren Seite. Nur komplett verdutzt. Was für ein Gefährt! „Dreirädriges Kraftfahrzeug“ steht im Fahrzeugschein, als Hersteller Fuchs. Die wackeren Niedersachsen haben eine Standard-Gold-Wing 1800 aus den USA, Baujahr 2002 (Modellcode SC 47) per Umbaukit des US-Herstellers California Side Car zum Trike „Cobra“ verwandelt. „Für den Umbau braucht ein Mechaniker eine komplette Woche“, erläutert Tobias Fuchs. „Nur für Technik, ohne Lack, Chrom und Licht.“ Diese Metamorphose beeindruckt, geht tief ins Eingemachte. „Eigentlich benutzen wir nur Verkleidung, Motor mit Getriebe und Kabelbaum von der Solomaschine weiter.“
Bei den Trikes von Fuchs ist eine aufwendige Einzelradaufhängung mit Differenzial und Zentralfederbein verbaut. Die zwei Antriebswellen zu den 205er-Hinterreifen von BF Goodrich aus Rumänien sind den Serien-Auspuffanlagen im Weg; das Trike bekommt neue. Und eine Parkbremse. Auch in der Front geht’s zur Sache: Hier sitzt eine Gabel mit längeren Standrohren und stärkeren, progressiven Gabelfedern in neuen Gabelbrücken. Sie stellen den Lenkkopfwinkel vier Grad flacher. Wenn schon, denn schon.
Tja, fehlt noch der Trailer, der Anhänger. Gesamtlänge des Gespanns: stattliche 5,48 Meter. Zum Vergleich: Der Chrysler C 300 von Fotograf Volker Rost, ein martialischer Kombi mit Daimler-Diesel, bringt es nur auf 5,01 Meter. Also lieber erst mal solo fahren, ohne Hänger. Und Achtung: Beim Besteigen nicht auf die ausladenden Kunststoff Schweller treten. Besser über die Fußrasten aufsteigen. Für endlose Highways sind zusätzlich vorverlegte Fußrasten an Bord, Ehrensache. Einmal Platz genommen im Komfortsitz, wirkt zunächst alles vertraut. Mit heiserem „Wroumm“ erwacht der cremige Sechszylinder-Boxer. Ein Motor wie Samt und Seide ist das, laufruhig wie kein anderer. Schön sanft setzt das einzigartige Triebwerk das 41.900 Euro teure Trike in Bewegung.
Hoppla, das Dreirad lenkt sich agiler als gedacht, setzt Lenkbefehle direkt um, umrundet selbst engere Kurven flott und easy. Abrupte Ausweichmanöver? Kein Problem. Die Lenk- und Haltekräfte in Kurven sind viel kleiner als bei Modellen mit simpler Starrachse. Der aufwendige Umbau inklusive Festhalten am schmalen Motorrad-Vorderreifen zahlt sich aus, der Geradeauslauf ist tadellos, bis hin zu 100 Meilen pro Stunde, 160 km/h auf dem US-Tacho. Nicht nur für ein Trike fährt das prima!
Führt das nun, so ganz ohne Schräglage, den Grundgedanken des Motorradfahrens ad absurdum? Auf jeden Fall sprengt das Trike Konventionen. Langweilig? Niemals. Ein spannendes Erlebnis! Du siehst mehr als in jedem Cabrio, sitzt draußen, nicht drinnen. Die Landschaft gleitet ganz sanft im Breitwand-Format vorbei. Genau das ist der Reiz, nicht etwa gehobene Fahrdynamik.
Es bremst manierlich, das Breitband-Vehikel mit seinen vier Scheibenbremsen. Die vorderen Stopper verstecken sich unter quadratmeterweise Chrom, hinten beißen pedalbetätigt CSC-„Performance Bremsen“ zu. Uuups, das US-Modell hat kein ABS, die Räder können blockieren. Bleibt trotzdem jederzeit gut in der Spur, die Fuhre. Und fällt doch aus dem Rahmen: Auf einem Supermarkt-Parkplatz mahnt ein Schild „Nur für Zweiräder“. Was tun? Dabei kommt’s noch dicker: Zurück bei Fuchs ist rückwärts rangieren angesagt. Geht gut. Dann den ungebremsten Anhänger andocken, per Anhängerkupplung und Sieben-Pol Elektrostecker.
Finale furioso! Aus den Niederlanden, dem Land der Wohnwagen, stammt der Campmaster „Falt-Caravan“, wie sollte es anders sein? Unterm Deckel verbirgt sich ein riesiges ausklappbares Zelt mit Zwei-Personen-Schlafkabine auf dem Hänger (!), 4,30 Meter Länge und 1,90 Meter Höhe. Voll beladen darf der Hänger 200 kg wiegen. Macht zusammen mit der Zugmaschine 740 kg, uff. Plus 80 kg von mir. Da fällt meine Freundin Erica kaum ins Gewicht, die Kiste Hansa Pils auf der Deichsel auch nicht. Immerhin bleiben wir knapp unter einer Tonne … Trotzdem tun sich selbst 1832 Kubik mit dem Gewicht doch etwas schwer. Obacht: Immer schön die Breite der Zugmaschine im Auge behalten, stattliche 1,58 Meter. Und Wendemanöver gut zurechtlegen. Abschleppfaktor eben.
Mit etwas Übung lässt sich das Fünf-Rad behände bewegen. Selbst auf buckligen Abschnitten läuft der Hänger prima nach, locker bis über 60 Meilen pro Stunde. Ist aber verboten! In Deutschland sind bloß 60 km/h erlaubt. Schade. Passt gar nicht zu diesem eingebauten King-of-the-Road-Feeling inklusive. Home, sweet Home oder Chrome, sweet Chrome? Beides! Der Auffälligkeitsfaktor ist höchstens von einem Privatjet zu toppen.
„Für viele Kunden ist ein Trike aus verschiedensten Gründen eine tolle Alternative zum Solo-Motorrad“, sagt Tobias Fuchs, „auch für Kunden mit körperlichen Handicaps haben wir individuelle Lösungen.“ Er verlegt Bremse, Kupplung und Schaltung je nach individuellen Erfordernissen. Es gibt noch einen weiteren Kundenkreis: Ein jovialer 60-Jähriger von der Gold Wing Road Riders Association Ketsch bringt sein 1500er-Trike zum Service. Weshalb Trike, will ich von ihm wissen. „Weil ich gar keinen Motorradführerschein habe.“ Ein gewichtiges Argument für ein echtes Trumm von einem Trike.
Jürgen Eichert (59) ist seit 20 Jahren Verkaufsleiter bei Biker’s Point Fuchs für Honda Gold Wing: Ob mit zwei oder drei Rädern. Fuchs hat stets 30 bis 50 Trikes und rund 100 Solomaschinen aller Baujahre im Bestand. Der gelernte Heizungsbauer ist mit dem Herzen dabei: „Ich fahre seit 1983 selber Gold Wing, handelte ab 1990 nebenberuflich mit Teilen für die tollen Hondas und hatte 1993 eines der ersten Gold Wing-Trikes in Deutschland.“ Der Verkauf von Trikes laufe gut, „für Kunden von Mitte 40 bis 83“, allerdings würden die TÜV-Hürden (Abgas) immer höher. Daher baut Fuchs nicht nur um, sondern kauft auch gezielt viele gebrauchte Dreiräder zu.
Zugmaschine (Trike „Cobra“): wassergekühlter Sechszylinder-Boxer-Viertaktmotor, Bohrung x Hub 74 x 71 mm, Hubraum 1832 cm3, zwei Ventile pro Zylinder, je eine obenliegende, zahnriemengetriebene Nockenwelle, 118 PS bei 5500/min, 167 Newtonmeter bei 4000/min, Einspritzung, Fünfganggetriebe mit Rückfahrhilfe, hydraulisch betätigte Kupplung, Sekundärantrieb per Kardan, Aluminium-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel zirka 57 Grad, Radstand zirka 1,96 Meter, Bereifung 130/70 R 18 und zweimal 205/60 R 15, Spurbreite, Leergewicht 540 kg, zulässiges Gesamtgewicht 750 kg. Zuladung 210 Kilogramm, Tankinhalt 25 Liter, Länge 2,76 Meter (plus Anhängerkupplung), Breite 1,58 Meter, Spurbreite zirka 1,42 Meter, Höchstgeschwindigkeit solo 165 km/h, mit Hänger 60 km/h (gesetzlich begrenzt).
Anhänger: Bereifung 16,5 x 6,5-8‘‘, Länge 2,18 m, zulässiges Gesamtgewicht 200 kg. Gesamtpreis Trike (gebraucht) inklusive Lackierung, Arbeitslöhnen und Zubehör 41.900 Euro, reiner Umbau 22.900 Euro; Hänger (gebraucht) 2.900 Euro.