Sportliche Retro-Bikes im Test: BMW R 12 ­nineT und Triumph Speed Twin 1200 RS

BMW R 12 ­nineT und Triumph Speed Twin 1200 RS im Test
Sportliche Retro-Bikes im Vergleich

ArtikeldatumVeröffentlicht am 13.08.2025
Als Favorit speichern

Als preisgünstig geht unser Protagonistenpaar für diesen Retro-Bike-Vergleichstest nicht durch. Knapp 16.200 Euro müssen für die Triumph Speed Twin 1200 RS abgezählt werden (Stand: Februar 2025), die dann aber auch den Nimbus eines sportlich und edel begüterten Topmodells genießt und zusätzlich die Option einer deutlich günstigeren, aber ähnlich betörenden Basisvariante eröffnet.

Wer BMW R 12 nineT fahren möchte, muss sogar schon gut 17.400 Euro bereithalten (Stand: Februar 2025). Ausweichmöglichkeiten gibt es hier aber nur nach oben, wie im Falle unserer Testmaschine, die schon gefährlich nah an der 20K-Marke kratzt. Und anders als bei den Nachbarn aus UK ganz ohne klangvolle Namen und Codes an Gabel (Marzocchi), Federbein (Öhlins) und Bremsen (M50).

Als Motorrad getarnte Kunstwerke

Doch so oder so, für das viele Geld gibt es zwei sorgsam als Motorrad getarnte Kunstwerke. Die Lustwoche an der Côte d’Azur sollte eigentlich inklusive sein, denn Triumph Speed Twin 1200 RS und BMW R 12 nineT passen perfekt in diese absurd liebreizende Umgebung. Die Mittelmeer-Sonne lässt die Tanks in "San Remo-Green" (BMW und optional) samt Bürst-Alu und "Baja Orange" (Triumph und aufpreisfrei) um die Wette strahlen.

Doch so einfach es wäre, sich in stilistischen Details der beiden Nobel-Roadster zu verlieren, geht es in unserem Geschäft ja immer noch schwerpunktmäßig ums Motorradfahren und nicht -schauen. Und da versprechen beide Maschinen knackigen Vollzug. Blick aufs Datenblatt: Knapp 1.200 Kubik, gut eingeschenkte 100 PS und um die 220 Kilo. Check.

Blick auf die Motorräder: gedrungene, noch kompakte Dimensionen, raumgreifende Motoren und eine Prise Orientierung nach vorn. Check. Sitzprobe am Gerät: erotischer Knieschluss und knackig positionierte Fußrasten auf der Triumph Speed Twin 1200 RS, lässigerer Kniewinkel, aber etwas mehr Zug Richtung Front auf der BMW R 12 nineT, souverän breite Lenker auf beiden. Check. Da sollte ein bisschen was gehen.

BMW: direkte, aber weiche Gasannahme

Zündung. Das geht auf der BMW R 12 nineT mit dem Transponder in der Jackentasche. Wer tanken oder das Lenkradschloss bedienen will, muss aber trotzdem noch zum klassischen Schlüssel greifen. Na ja. Dafür knurrt sich der dienstalte Boxer dezenter als früher, aber nach wie vor sonor und mit bauformimmanentem Kippmoment ins Leben.

So weit, so BMW. Auch mit Euro 5+ hat einer der letzten großen Luftkühler am Markt bei allem, was folgt nicht an Qualität eingebüßt: quasi ab der ersten Umdrehung brummiger Rundlauf, ebenso früh Massen von Drehmoment und eine direkte, aber weiche Gasannahme, selbst im schärfsten der drei Fahrmodi "Dynamic".

So lässt es sich ultimativ schaltfaul und maximal aufmerksamkeitswirksam mit kleinem Tempo im großen Gang durchs Städtchen zirkeln.

Kupplung der BMW R 12 nineT überraschend stramm

Ein wenig Obacht ist jedoch im Hinblick auf Kraftschluss und Gangwahl nötig. Die Kupplung der BMW R 12 nineT ist überraschend stramm und geradezu spitz in ihrer Dosierung. Gröbere Bedienung schicken die mächtigen Antriebsmomente des großen Flat-Twins mitunter recht wirsch in Richtung Hinterrad.

Gleiches gilt für das an sich überraschend knackig-flutschige Getriebe, wenn man dem optionalen Quickshifter zu wenig Last in zu kleinen Gängen zumutet. Der ehrwürdige Boxer möchte gern mit ein bisschen Fingerspitzengefühl angepackt werden.

Positiv gesagt, hat die BMW R 12 nineT seit der letzten Neujustierung einen beträchtlichen Teil ihrer Gnadenfreiheit am Heck verloren. Damit passt das Federbein in seiner Arbeit nun sehr viel besser zur Gabel.

Negativ gesagt: Kurze Stöße vom Untergrund werden immer noch ein gutes Stück direkter als gewünscht die Rückenkette raufgefunkt. Die Zugstufe ist ab Werk bereits fast voll geöffnet, hier kann also leider wenig entgegengearbeitet werden. Eine Druckstufenverstellung und/oder indirekte Anlenkung des Dämpfers könnte Abhilfe schaffen.

Triumph: eine Kelle mehr Drehmoment

Oder auch ein Umstieg auf die Triumph Speed Twin 1200 RS. Ihre voll einstellbaren Öhlins-Federbeine kommen zwar im funktional eher unvorteilhaften Doppel-Pack, behandeln das Hinterteil von Fahrer oder Fahrerin trotz angenehm straffer Grundnote und nochmals dünnerem Fauteuil aber deutlich eleganter. Und das Gold der Ausgleichsbehälter macht sich auch wirklich gut.

Ebenfalls souverän, aber anders abgeschmeckt zeigt sich ihr Antriebspaket. Mit erdig-sattem Puls und nahezu frei von mechanischer Akustik stampft sich der zündversetzte Reihen-Twin durch die Drehzahl-Niederungen und schickt hier subjektiv wie objektiv noch eine spürbare Kelle mehr Drehmoment aufs schmale Hinterrad als die BMW R 12 nineT.

Sie geht einen Tick härter ans Gas und braucht übersetzungsbedingt etwas mehr Drehzahl, bis sie rund und geschmeidig vorantreibt, dafür ist Speedys Kraftschluss aber weniger rabiat und mit der leichtgängigen Kupplung fein zu dosieren.

Nur ihr serienmäßiger Schaltassistent kann – im Gegensatz zum konventionellen Gangwechsel – bei kleiner Fahrt ebenso wenig überzeugen. Das Los vieler Minderzylinder mit großen Einzelhubräumen. So oder so lässt sich aber auch in ihrem Sattel souverän auf einer üppigen Drehmomentwelle trotten.

Ergonomie, Reichweite, Windschutz, Gepäck

Auf Triumph Speed Twin 1200 RS und BMW R 12 nineT wird schnell klar: Große Transitstrecken überlässt man gern anderen. Ergonomie und Reichweite sind solide, aber Windschutz (keiner), Gepäckoptionen (fast keine) und Soziuskomfort (wenig, vor allem an der hinten spitz bekniewinkelten BMW) lassen zu wünschen übrig. Zudem kriechen die langwelligen Brumm-Vibes der BMW R 12 nineT bei Konstantfahrt doch alsbald etwas zu präsent in die Extremitäten.

Die Triumph Speed Twin 1200 RS prescht und legt auf kurviger Testfahrt gut vor. Ihr bulliger Twin schiebt richtig mächtig aus den Ecken und bietet seine Kraft jetzt gut nutzbar bis knapp über 7.000 Touren feil, was etwa 1.000 Umdrehungen mehr Band als bisher entspricht.

Metzeler-Gummis grippen wie Sekundenkleber

Der Quickshifter arbeitet bei diesem Expressprogramm erstmals richtig gut mit, und die Traktionskontrolle hält sich im direkt am Gas hängenden Fahrmodus "Sport" endlich adäquat zurück. Die nach wie vor etwas überdimensionierten Metzeler-Racetec-Gummis grippen auf Zug wie Sekundenkleber, und die knackig angeschlagenen Fußrasten sind auch mit Gewalt und Lebensverachtung nicht auf den Asphalt zu kriegen.

Das Nobelfahrwerk der Triumph Speed Twin 1200 RS geht trotz feinem Alltagskomfort nie in die Knie, und die Edel-Brembos lassen sich bei guter Wirkung punktgenau dosieren. Einmal am Ziel angekommen, merkt man aber zwei Dinge: Das war zwar gerade hoch vergnügliche, aber nicht gerade entspannende Arbeit.

Und egal, wie sehr man am Kabel zog, die BMW R 12 nineT wollte einfach so gar nie aus dem Rückspiegel verschwinden.

Triumph: kein Handling-Wunder

Denn trotz kompakter Ausmaße, klassenüblichem Gewicht und vergleichsweise knackiger Geometriewerte ist auch diese neueste Iteration der Triumph Speed Twin 1200 RS kein Handling-Wunder. Das zeigt sich vor allem an ihrem nach wie vor präsenten Aufstellmoment in Schräglage, welches sich beim Griff zur Bremse noch mal deutlich erhöht.

Wenn es pressiert, gilt auf der Triumph Speed Twin 1200 RS: Ärmel hoch oder einen runderen Fahrstil wählen, bei dem nicht in die Kurve, sondern vor der Kurve gebremst wird. Darauf schießt man sich wie so oft relativ fix ein, und es hindert die Triumph nicht daran, ein animierend dynamisches Kraftrad zu sein.

BMW: so handlich wie die Speedy aussieht

Aber das Bessere ist ja bekanntlich des Guten Feind. Und, na ja, das diesbezüglich Bessere fährt zufällig heute mit. Flache Gabel, langer Radstand und Nachlauf, mehr Über-den-Tank-Streckung und optisch die halbe Masse Münchens zwischen den Beinen: "Is ma wurscht", die BMW R 12 nineT fährt trotzdem so behände, wie die Speedy aussieht.

Leichtes Einlenken, kaum Aufstellmoment und trotzdem eine spürbar stabilere Seitenlage. Dazu puncht ihr Boxer gleichmäßiger und bietet noch ein paar Hundert Umdrehungen mehr nutzbares Band obenraus.

Auch die BMW hat Schwächen

Doch beim Fast-Forwarden braucht das kraftstrotzende Wesen der BMW R 12 nineT ein bisschen Feingefühl. Die Bremse ist hochpotent, bietet aber weniger Hebelweg und Gefühl zur Feindosierung, und der Quickshifter sollte in den kleinen Gängen mit Bedacht genutzt werden.

Wer beispielsweise aus dem Eck im 2. Gang mit knackiger Restschräglage und reichlich Zunder hochsteppt, sollte sich auf eine durchs ganze Motorrad wabernde Kraft-Eruption einstellen. Dass die BMW R 12 nineT je nach Fahrtalent trotzdem nicht zwangsweise an der Triumph Speed Twin 1200 RS vorbeibrummt, liegt daran, dass ihre Fußrasten früher als gedacht mit dramatischer Akustik den Straßenkontakt suchen.

Die Entscheidung für BMW R 12 nineT oder Triumph Speed Twin 1200 RS liegt wohl mehr am individuellen Geschmack als an der Funktion. In der Gesamtbewertung liegen die beiden sehr eng auf. Aber das ist mit zeitloser Edelware fürs Herz ja oft so. Eins steht fest: Schön & schräg, das können sie beide!