Triumph Speed 400 und Scrambler 400 X im Top-Test: 400er-Straßen-Version oder Offroad-Attitüde?

Triumph Speed 400 und Scrambler 400 X im Top-Test
400er-Straßen-Version oder Offroad-Attitüde?

Veröffentlicht am 11.01.2025

MOTORRAD-Top-Tester Karsten Schwers und ich, MOTORRAD-Test-Redakteur, pilotieren die neuen Triumph-Schwestern Speed 400 und Scrambler 400 X mit identischen Einzylinder-Motoren. Das letzte Motorrad, das ich zuvor gefahren bin, drückte 201 PS ab. Schläft man da bei 40 PS nicht ein? Nein, ganz und gar nicht. Und très chic sind die vermeintlichen Brit-Bikes noch dazu. Doch die Hauptabsatzmärkte liegen eh in Schwellenländern. Etwa in Indien, wo unsere beiden Test-Maschinen auch gebaut wurden.

Triumph Speed 400 und Scrambler 400 X betören mit gutem Finish

Die Triumph Speed 400 gibt sich betont markenstolz, mit übergroßem Triangel-Triumph-Logo unter Klarlack auf dem edel mehrfarbig lackierten Tank. Schüchtern? Nicht doch. Stilvoll und energisch tritt die Speed 400 auf, ihr gutes Finish betört. Das gilt erst recht für ihre hochbeinige Schwester Triumph Scrambler 400 X. Sie wirkt noch erwachsener. Man tippt eher auf eine 500er. Liegt’s an längeren Federwegen (je 150 Millimeter), größerer Sitzhöhe (volle 840 statt 805 Millimetern), dem 19- statt 17-zölligen Vorderrad? Also auch an mehr Bodenfreiheit? Am stylishen Lampengitter? Vielleicht am breiten Enduro-Lenker mit Mittelstrebe und Handprotektoren? Oder am Mattlack samt diagonalem Streifen überm identischen 15-Liter-Tank?

Nun, bei gleicher technischer Basis wie die Triumph Speed 400 kommt Triumphs dritter Scrambler nach der 1.200er- und 900er-Triple optisch sehr markant daher. Die kompakten 400er-Einzylinder der Triumph Scrambler 400 X bollern wie die Großen! Sie blubbern sich direkt ins Herz. Herrlich tieffrequent tuckert die Triumph Speed 400 sonor und dumpf im Leerlauf vor sich hin. Leise und doch markant – und das trotz hoher Leerlaufdrehzahl von rund 1.500 Touren. Der Kurzhuber mit der eher moderat gewählten Schwungmasse will eben am Leben gehalten werden. Der fette Vorschalldämpfer im Tiefparterre sorgt für viel Volumen. Noch einen Tick tiefer, volltönender prustet die Triumph Scrambler 400 X aus ihrer exzentrischen Doppelrohr-Tröte.

Kupplungs-Hebel mit Servo-Unterstützung

Als Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine lässt sich der Kupplungs-Hebel dank Servo-Unterstützung mit ein, höchstens zwei Fingern ziehen. Das ist – noch dazu mit Anti-Hopping-Funktion beim schnellen Runterschalten – wirklich benutzerfreundlich. Wermutstropfen? Beide Handhebel sind leider nicht einstellbar.

Unauffällig, auf kurzen Wegen, klicken die Gänge nur so rein. Tapfer wühlt sich der fette, 89 Millimeter messende Kolben durchs Drehzahlband, hat 64 Millimeter zwischen den Totpunkten vor sich. Das Verhältnis Bohrung zu Hub – ergo auch der resultierende Hubraum (399 cm³) – ist absolut identisch zur aktuellen KTM 390 Duke. Scheint also ein ziemlich günstiges Verhältnis zu sein. Hat Bajaj, Kooperations- wie Produktionspartner von KTM/Husqvarna wie von Triumph, da bei der Entwicklung von Triumph Speed 400 und Triumph Scrambler 400 X hineingegrätscht? Jedenfalls meistert der Triumph-Motor durchaus niedrige Drehzahlen, jedoch ohne heftiges Anreißen. Ganz ohne Verschlucken oder Rumpeln gelingen Ortsdurchfahrten im vierten oder fünften Gang: Man kann nervenschonend früh hochschalten. Fühlt sich eher nach anderthalb Zylindern an, so munter und kräftig arbeitet der Motor.

Fahren ohne Schnickschnack

Lebendiger, quirliger wird’s ab 5.000 Touren. Okay, der "Drehzahlschätzer" (LCD-Drehzahlmesser) ist nicht gut ablesbar. In der zweiten Drehzahlhälfte sind trotz Ausgleichswelle Vibrationen präsent, ohne je zu stören. Hey, das sind Einzylinder, die dürfen auch mal pulsieren!

Feinfühlig folgt die elektronisch per Ride-by-Wire befehligte Drosselklappe den Gasbefehlen. Verschiedene Fahrmodi? Wozu? Passt doch so. Das Motto heißt: Fahren ohne Schnickschnack. Es gilt, die beiden drehfreudigen Einzylinder von Triumph Speed 400 und Triumph Scrambler 400 X herzhaft auszuquetschen. Das macht sogar dem Profi und Top-Tester Karsten Schwers Laune: "Ich mag die kleinen Quietscherle." Lieber ein langsames Motorrad schnell fahren als eine schnelle Maschine langsam! Bei 100-Liter-Leistung holt der Single seine Power über die Drehzahl. Er will fleißig geschaltet werden. Nicht, weil die Motoren keinen Qualm hätten. Sondern, weil sie so kurz übersetzt sind. Bei der Triumph Speed 400 rotiert die Kurbelwelle bei 100 km/h bereits 6.300-mal pro Minute, bei der Triumph Scrambler 400 X gar 6.400-mal.

Gut ausbalancierte Triumph Speed 400

Den größeren Radumfang der Triumph Scrambler 400 X gleicht sein einen Zahn kleineres Antriebsritzel also nahezu aus. Trotzdem hat die leichtere und niedrigere Triumph Speed 400 (kleinere Stirnfläche!) bei den überschaubaren Fahrleistungen die Nase leicht vorn, sie verbraucht auch einen Tick weniger: 3,6 statt 3,7 Liter auf der Landstraße. Weit eilt der Analog-Tacho vor, acht Prozent, der Kilometerzähler ist auch optimistisch. Drehzahlfest werden die vier Ventile per reibungsarmen, DLC-beschichteten Schlepphebeln betätigt ("Diamond like Carbon"). Überhaupt sei der Motor laut Triumph für eine lange Lebensdauer ausgelegt. Er befeuert nun quasi den VW Golf der Briten, soll stückzahlenmäßig weltweit zum Herz der Flotte werden.

Hier und heute zählen andere Werte. Spielerisch fällt die gut ausbalancierte Triumph Speed 400 in Schräglage, lenkt noch leichter ein als die Triumph Scrambler 400 X: Diese hat zwar einen breiteren, höheren Lenker (größerer Hebelarm), aber auch ein größeres Vorderrad, ergo mehr rotierende Massen. Die 173 Kilogramm leichte Triumph Speed 400 ist ein echtes Serpentinensuchgerät, schlägt engere Haken als ein Hase auf der Flucht vor dem Fuchs. Auf diese "Überhandlichkeit" muss man sich einstellen, Speedy Gonzales am ganz leichten Zügel führen, um angesichts des leichten Abklappens nicht nach innen abzubiegen.

Triumph Speed 400 fährt schön "übers Vorderrad"

Hat man dies verinnerlicht, genießt man ein herrlich leichtfüßiges Fahrverhalten. Locker-fluffig, doch sehr zielgenau und stabil meistert die Triumph Speed 400 das Kurvenkarussell des Col de l’Espigoulier. Schlafwandlerisch präzise hält die 400er-Speedy in noch so engen Kurven den Kurs. Schon nach wenigen Kilometern ist klar: Dies hier ist ein kompakt-kleines, super-easy rund zu fahrendes Motorrad. Wozu sich schinden? Einfach léger, leicht. Auf die 17-Zoll-Räder aufgezogene Pirelli Diablo Rosso III aus indonesischer Produktion haften prima. Hier fährt nicht nur wegen der Traktionskontrolle viel Vertrauen mit. Sie fährt schön "übers Vorderrad", die Triumph Speed 400. Très agréable, sehr angenehm.

Triumph Scrambler 400 X versteift sich in schnellen Wechselkurven

Karsten zieht auf der Triumph Scrambler 400 X dem Asphalt früher einen Scheitel: Zwar liegen die Fußrasten einen Zentimeter höher. Sie sind links wie rechts aber auch zwei Zentimeter breiter. Insgesamt fährt die Scrambler 400 X nicht ganz so harmonisch und ausgewogen wie die Triumph Speed 400. Der 400er-Kraxler ist zehn Kilogramm schwerer. Es fühlt sich nach noch mehr an. Er versteift sich in schnellen Wechselkurven. Liegt’s an größeren Kreiselkräften des 19-Zöllers? An längerem Radstand wie Nachlauf (gereckter Steuerkopf) bei steilerem Gabelwinkel? Oder an gemäßigten Grobstöllern Metzeler Karoo Street aus China? Sie haften gut.

Eigene Einstellung der Traktionskontrolle

Auch bei der Triumph Scrambler 400 X stammen die hier langhubigeren Federelemente vom indischen Zulieferer Endurance. Doch sie wirken weniger gut abgestimmt: Seine Big Piston Upside-down-Gabel hat ein hohes Losbrechmoment, sie spricht nicht gerade supersensibel an und liefert auch weniger Rückmeldung. Das Federbein wiederum ist unterdämpft, wippt auf Bodenwellen leicht nach. Ergibt insgesamt ein weniger harmonisches Fahrverhalten. Okay, dafür ist der Scrambler voll feldwegtauglich.

Extra für Offroad-Betrieb bietet die Triumph Scrambler 400 X eine eigene Einstellung der Traktionskontrolle und ein komplett abschaltbares ABS. Doch auf Asphalt irritiert die stumpfe Abstimmung der Vorderbremse: Sie beißt teigig, ohne klaren Druckpunkt auf die größere Scheibe (320 statt 300 Millimeter Durchmesser). Der gleiche, ebenfalls per Stahlflexleitung betätigte Vierkolben-Festsattel der Brembo-Tochter Bybre hat beim Scrambler organische statt gesinterte Bremsbeläge. Wer von der Triumph Speed 400 umsteigt, erschrickt beim ersten Anbremsen auf der Scrambler: Mehr Hand- trifft auf weniger Bremskraft.

Speed 400 für Kleine, Scrambler 400 X für Große

Pluspunkte: Zwar ist die Triumph Scrambler 400 X für kleinere Leute etwas hoch, aber langen Kerls bietet sie deutlich mehr Platz, Entfaltungsspielraum und eine "coole", breitschultrige Sitzposition. Dagegen ist die kompakte Triumph Speed 400 mit ihrer klassischen Sitzposition eher für kleinere Leute auf Dauer richtig gemütlich: Ganz leicht nach vorn geneigt, vorderradorientiert, prima ins Motorrad integriert. Auch ein Mitfahrer sitzt etwas besser auf dem nur hier separaten Soziussitz der Triumph Scrambler 400 X. Allerdings sind gut 170 Kilogramm Zuladung nur bedingt tourentauglich.

Wertige Machart der 400er setzt Glanzpunkte

Glanzpunkte setzt die wertige Machart der 400er: Alu-Schwingen und geschraubte Stahlrahmen-Hecks etwa. Der Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen integriert das steife Motorgehäuse voll tragend. Aufwendig wirken schicke Gitter in und Metall-Applikationen an den Seitendeckeln, wertig Auspuffanlagen aus Edelstahl und doppelte Achsklemmung an den Upside-down-Gabeln.

Modern und praktisch geben sich helle LED-Beleuchtung rundum, elektronische Wegfahrsperre und Warnblinker. Das Cockpit beherbergt eine USB-Ladebuchse und einen kleinen, vom Lenker aus bedienbaren Bordcomputer. Er integriert zwei Tripmaster und Ganganzeige, vermeldet den Benzinstand per Balken, dazu Durchschnitts- wie Momentan-Verbrauch und Reichweite. Passt. Schön, aber etwas unpraktisch sind die Lenkerenden-Spiegel der Triumph Speed 400. Lästig ist der lange Seitenständer der steil darauf stehenden Triumph Scrambler 400 X: Um ihn einzuklappen, muss man die Maschine erst über die Mittelachse nach rechts hieven.

Wegen der luftigen Hecks und kleinen Innenkotflügel spritzen beide Triumphs ihre Besatzung bei Regen von hinten ziemlich nass.

Niedriger Preis, niedrige Unterhaltskosten

Nun, eine fabrikneue Triumph für 5.345 Euro (Triumph Speed 400) ist schon ein Wort. 700 Euro mehr kostet der Triumph Scrambler 400 X, jeweils plus rund 550 Euro Lieferkosten (Stand: März 2024). Triumph wirbt mit niedrigen Unterhaltskosten, langgestreckten Wartungsintervallen von 16.000 Kilometern (oder einmal jährlich) und vollen vier Jahren Werksgarantie, zwei Jahre Mobilitätsgarantie inklusive. Und der Verbrauch? Mit 3,6 (Scrambler: 3,7) Litern auf 100 gemütliche Landstraßen-Kilometer zeigen sich beide 400er durchaus genügsam.