Die Streetfighter V2 gab ihr Debüt auf der Rennstrecke von Monteblanco und einer beschwingten Landstraßenrunde. Damit wollte Ducati demonstrieren, welch weiten Bereich das neue Modell abdecken kann, und das ist vollauf gelungen.
Die Streetfighter V2 gab ihr Debüt auf der Rennstrecke von Monteblanco und einer beschwingten Landstraßenrunde. Damit wollte Ducati demonstrieren, welch weiten Bereich das neue Modell abdecken kann, und das ist vollauf gelungen.
Die Rennstreckentalente hat die Ducati Streetfighter V2 schon mit der Grundkonstruktion von der supersportlichen Panigale V2 übernommen: den 955er-Superquadro-V2 und das Monocoque, das ihn als tragendes Fahrwerksteil integriert und seinerseits nicht nur als Lenkkopfträger, sondern auch als Airbox dient. Auch Gabel, Räder, Bremsen und die Komponenten des Elektronikpakets kennt man aus der "kleinen" Panigale.
Doch weil es meist nicht gut funktioniert, wenn aus einem Supersportler nur durch Weglassen der Verkleidung und Montage eines Rohrlenkers ein Naked Bike entsteht, wurde die Ducati Streetfighter V2 in etlichen Punkten an die neuen Gegebenheiten angepasst. Davon ausgehend, dass der Fahrer aufrechter sitzt, als auf der Panigale V2 und weniger Gewicht nach vorn bringt, konstruierten die Ducati-Techniker zum Ausgleich eine längere Schwinge und setzten die Fahrerfußrasten weiter nach vorn. Dem Sitzkomfort dient der tiefer gesetzte Heckrahmen; er ermöglicht bei gleicher Sitzhöhe eine dicker gepolsterte, breitere Sitzbank.
Dennoch thront man in luftigen 845 Millimeter Höhe und das ist gut so, wie schon während der ersten Runden auf der Rennstrecke von Monteblanco klar wird. Unwillkürlich beugt sich der Fahrer flach über den Tank; im Kurveneingang, weil er das Vorderrad stärker belasten will und im Ausgang, weil der Superquadro im oberen Drehzahlbereich mächtig anreißt, unterstützt durch die gegenüber der Panigale V2 kürzere Sekundärübersetzung. Für die Rennstrecke war der Sportmodus in Standardkonfiguration aktiviert, die Wheeliekontrolle steht dann in Stufe zwei von vier. Was sie einem an Gewichtsverlagerungsarbeit erspart, wird deutlich, wenn man sie auf Stufe eins setzt. Dann schnappt das Vorderrad der Ducati Streetfighter V2 in den Beschleunigungsphasen gerne einmal weiter nach oben als gewünscht.
Während die Wheeliekontrolle in Stufe zwei für den sportlich motivierten Normalfahrer also eine passende Option darstellt, regelt die Traktionskontrolle in Stufe drei auf der Rennstrecke eindeutig zu defensiv. Mehr noch, die über Drosselklappeneingriff in tiefer Schräglage vorgenommene Reduzierung des Drehmoments verwässert den Zusammenhang zwischen der Gasgriffstellung und den Reaktionen des Hinterreifens. Klar, mit den schärferen Stufen zwei oder gar eins trägt man selbst mehr Verantwortung, übermäßige Rutscher oder gar Highsider zu verhindern, aber es fällt auch leichter, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Das gilt selbst für die Serienreifen vom Typ Pirelli Diablo Rosso 4, die keine spezialisierten Rennstreckenpneus sind, aber tapfer den Belastungen standhalten.
"Keine spezialisierten Rennreifen" – diese Formulierung betrifft nicht nur besseren Grip, da geht es auch um die höhere Lenkpräzision und klarere Rückmeldung, die ein Pirelli Supercorsa SP oder ein Dunlop Sportsmart TT erfahrungsgemäß bieten, wenngleich auf Kosten von Temperaturtoleranz, Komfort und Hochgeschwindigkeitsstabilität. Es ist nicht besonders kühn, vorherzusagen, dass das Fahrwerk der Ducati Streetfighter V2 genügend Reserven mitbringt, das Potenzial solcher Reifen zu nutzen.
Bei den Bremsen darf man sich da ganz sicher sein, obwohl die Beläge nach Auskunft der Entwickler nicht ganz so scharf zubeißen, wie diejenigen der Panigale V2. Auf der langen Zielgeraden in Monteblanco erreicht man laut Tacho um die 250 km/h, muss für die folgende Rechtskehre aber etwa 190 davon wieder abbauen und vier Gänge herunterschalten. Kurz darauf wird aus einer Rechtskurve wieder in den vierten Gang hochbeschleunigt und eine enge Linkskurve angebremst. Das wiederholt sich zwei Kurven später, nur in die andere Richtung. Scharf gebremst wird auch vor der drittletzten und der letzten Kurve des Kurses, und trotz dieser Runde für Runde wiederkehrenden Belastung gab die vordere Brembo-Anlage der Ducati Streetfighter V2 nicht nach. Der im kalten Zustand sehr harte Druckpunkt wurde in Fahrt etwas weicher, blieb dann aber konstant, und durch den minimal längeren Hebelweg verbesserte sich sogar die Dosierbarkeit. Von kräftiger Wirkung ist auch die Hinterradbremse, was man deutlich spürt, wenn man das Hinterrad-ABS versuchsweise abstellt.
Was an der Verzögerungsleistung den Zubehör-Winglets zuzuschreiben ist, die nur an den Rennstrecken-Motorrädern montiert waren, ließ sich nicht feststellen. Sie zwischendurch zu demontieren, war nicht erwünscht, und auf der Landstraßenrunde blieb man naturgemäß weit unter den Geschwindigkeiten, bei denen sie nennenswerten Abtrieb erzeugen.
Entspannt und sportlich auf der Landstraße
Die Landstraßenrunde begann mit einem wunderbaren, über Dutzende Kilometer sich erstreckenden Swing weit gezogener Wechselkurven, bevor sie sich im höher gelegenen Teil eines Hügelgebiets enger und enger dahinschlängelte. Alles in allem ein Terrain, auf dem der Ducati Streetfighter V2 die Panigale V2 austanzen kann, zumindest aber die bessere Spielübersicht bietet und weniger anstrengt als jedes Motorrad mit supersportlicher Ergonomie. Entspannt am breiten Lenker und mit maßvollem Körpereinsatz geführt, beweist sie ihre Überlegenheit gegenüber Motorrädern mit enger gefasstem Einsatzbereich.
Dank der modifizierten Drosselklappensteuerung geht der V2 geschmeidig ans Gas. Der kurzhubige Superquadro ist im unteren Drehzahlbereich naturgemäß kein Drehmomentbulle, das geht auch aus der von Ducati gezeigten Kurve hervor. Sie ist – wen wundert es? – der auf dem MOTORRAD-Prüfstand ermittelten Kurve der Panigale V2 sehr ähnlich. Vom markanten Anstieg des Drehmoments ab 7.000/min sollte sich niemand verleiten lassen, das zu unterschätzen, was der 955er darunter anbietet – auch dort drückt er selbst am tiefsten Punkt über 73 Nm, meist nahe an die 80 Nm. Von 5.000 bis 7.500 bieten eine aktuelle Monster oder eine Yamaha MT-09 etwas mehr, doch der 955er zieht immer noch kräftig genug, um selbst aus engen Kurven mit moderaten Drehzahlen kräftig herauszubeschleunigen. Falsch wäre es auch, die Drehmoment-moderierende Arbeit der Traktionskontrolle – im Road-Modus standardmäßig sehr defensiv auf Stufe fünf von acht eingestellt – als Drehmomentschwäche des Motors mißzuverstehen.
Eines mag jedoch auch dieser Ducati-Motor nicht – wenn der Fahrer bei 2.000/min im vierten Gang auf Vollgas stellt in Erwartung vibrationsfreien Durchzugs. Ob dieser Zumutung hackt der V2 nur empört auf den Antriebstrang ein. Eine derartige Schaltfaulheit verträgt sich schlecht mit einem Zweizylinder von 160 PS Literleistung, die pflegt man besser auf einem gebrauchten Vierzylinder-Naked Bike mit 1.200 oder 1.300 cm³.
Innerhalb des Ducati-Modellprogramms schließt die Streetfighter V2 eine Lücke zwischen der Monster und der Streetfighter V4. Im Wettbewerb mit der Konkurrenz eröffnet sie ebenfalls neue Möglichkeiten zwischen Mittelklasse-Nakeds und den irrwitzig starken 1000er, 1100ern und 1200ern. Als rundum gelungenes Motorrad von sportlichem Charakter, wird sie in beiden Lagern ihre Fans gewinnen.