Finale: Intermot-Countdown 6 - Münch-4 TTS-E 1200

Finale: Münch-4 TTS-E 1200 Intermot-Countdown 6 - Münch-4 TTS-E 1200

Wenn je eine Maschine als echtes Männermotorrad galt, dann die Münch. Zu ihrer Zeit sprengte das mächtige Vierzylinder-Bike aus Hessen alle Gewichts- und Leistungsgrenzen.

Intermot-Countdown 6 - Münch-4 TTS-E 1200 Fact
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Es war ein Paukenschlag. Als 1966 die Münch-4 auf den Markt kam, war sie das mit Abstand stärkste käufliche Motorrad. Selbst die 1969 erschienene Honda CB 750 konnte ihr leistungsmäßig nicht das Wasser reichen. Dann zeichnete sich ein Wettrüsten der japanischen Hersteller ab, und praktisch zeitgleich mit dem Erscheinen der Z1 von Kawasaki präsentierte der geniale Konstrukteur und Tüftler Friedel Münch zum Jahreswechsel 1972/1973 die TTS-E.

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Die erste Einspritzanlage bei einem käuflichen Motorrad hob die Leistung von 88 auf 100 PS und stellte so den gebührenden Respektabstand zur neuen 82 PS starken 900er-Kawasaki wieder her. Auch wenn Friedel Münch sich nicht an den Japanern orientieren wollte, sondern mit hessischer Beharrlichkeit stets seinen eigenen Weg verfolgte, legte er großen Wert darauf, das stärkste Serienmotorrad der Welt zu bauen. Statt der bisher verbauten beiden Doppelvergaser dosierte nun eine mechanische Einspritzpumpe von Kugelfischer den Kraftstoff. Ein dreidimensionaler so genannter Raumnocken realisierte bereits damals auf mechanischem Weg das heutzutage elektronisch hinterlegte Einspritzkennfeld. Mit diesen Maßnahmen war auch das Gewicht noch einmal in die Höhe geschnellt und drohte, die 300-Kilogramm-Marke zu sprengen. Alles Maßnahmen, die in Motorradfahrerkreisen die Ehrfurcht vor dem Monster noch bestärkten und die Legendenbildung rund um das Übermotorrad forcierten.

MOTORRAD-Tester Franz Josef Schermer, der im Herbst 1976 seine Fahreindrücke schilderte, beschrieb die TTS-E als ungewöhnlich großes, ungewöhnlich schwarzes, aggressiv klingendes und unheimlich auffallendes zweirädriges Monster. Eine imposante Erscheinung ist sie auch heute noch, die ebenfalls schwarze Münch TTS-E von Thomas Petsch, genau jenem, der mit der Münch 2000 eine Neuauflage in moderner Form initiierte. Abweichend von den ersten Münch mit dem Doppelscheinwerfer des NSU TT trägt das Testexemplar mit der Produktionsnummer 228 den später lieferbaren Rundscheinwerfer mit 200 Millimetern Durchmesser. Auch die Rundinstrumente von Nippon Denso mit zusätzlicher Zeituhr, Öldruckmanometer und Thermometer, alle mit Münch-Logo, sowie die Marzocchi-Gabel und die Brembo-Sättel outen sie zwar als 72er-Vergasermodell, das Friedel Münch später aber auf Einspritzung und nach einem Unfall auch fahrwerksseitig umbaute.

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Schon damals integrierte die Münch den Fahrer vorbildlich in die Maschine.

Und wie fährt sich heute das Übermotorrad von damals? Mit Respekt und erheblichem Kraftaufwand will sie vom Hauptständer gewuchtet werden. Der Fahrer bekommt beim Ausbalancieren spontan nicht nur das Gewicht, sondern auch den hohen Schwerpunkt zu spüren, was nicht allein den beiden Doppelzylindern aus Grauguss, sondern auch dem über allem residierenden mehr als 37 Liter fassenden Tank anzulasten ist. Erstaunlich niedrig sitzt der Fahrer im Motorrad. Vor ihm wölbt sich der voluminöse Tank, und hinter ihm stützt der ebenso gewaltige Höcker den Allerwertesten ab. Aufgrund der geringen Sitzhöhe kommen auch kleinere Piloten mit den Füßen locker auf den Boden. Und plötzlich verliert die Münch ihre Schwerfälligkeit und damit ihren Schrecken. Die Beine sind sportlich angewinkelt, die Füße weit hinten auf den relativ hohen Rasten platziert. Um sich am schmalen Lenker festzuklammern, streckt man den Oberkörper flach über den langen Tank.

Für die Startprozedur sind erst einmal einige Vorbereitungen nötig. Die beiden Benzinhähne rechts und links unter dem Tank wollen umgelegt, ein separater Kippschalter für den Zündstrom auf "Ein" gestellt und der Zündschlüssel im rechten Seitendeckel zum Starten in die erste Rastenposition gedreht sein. Dann signalisiert die Benzinpumpe akustisch die Startbereitschaft, und nach Betätigen des Chokes und dem Druck aufs Anlasserknöpfchen erwacht der NSU-Vierzylinder spontan zum Leben. Sonor grummelnd läuft das Triebwerk warm und nach kurzer Zeit auch rund. Beim Einkuppeln erinnert man sich an die gestresste, wenn auch bereits verstärkte Kupplung von Oertlinghaus und versucht, den Vorgang mit leichtem Rupfen so schnell wie möglich in Vortrieb umzuwandeln. Hat sich die Münch erst einmal in Bewegung gesetzt, erstaunt sie den Fahrer durch ihre für ein derart gewichtiges Motorrad überraschende Handlichkeit. Die für heutige Verhältnisse extrem schmale Bereifung wirkt auch bei diesem Schwergewichtler wahre Wunder. Zudem erweist sich das Motorrad als überraschend fahrstabil.

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Großer, langer Tank, große Kupplung, schmaler Lenker und für 100 PS noch viel, viel schmaleren Hinterreifen.

Motorseitig dominiert das Ansauggeräusch aus den vier offenen Lufttrichtern. Sonores Brummen im unteren Teillastbereich schwillt bei höherer Drehzahl und voll geöffneten Drosselklappen zu dumpfem, gepresstem Grollen in Orkanstärke an. Unter 2000/min ruckelt der Motor unter Last unwillig an der Kette und versetzt die Gabelbeine in ausgeprägte Längsschwingungen, als wolle er den Wunsch nach höheren Drehzahlen bereits optisch signalisieren. Darüber zeigt der Einspritzer aber dann sein Potenzial: Mit steigender Drehzahl legt er völlig gleichmäßig und ohne jeglichen Einbruch an Leistung zu. Sein maximales Drehmoment von 111 Newtonmetern steht bei 4800/min an, aber auch darüber macht er Dampf, der heute noch beeindruckt. Der japanische Drehzahlmesser zeigt den roten Bereich zwar erst bei 8500/min an, doch wollen wir diese Region dem Triebwerk ersparen. Dem Organspender NSU TT gestand der Hersteller lediglich 7000/min zu.

Doch der Vierzylinder teilt dem Fahrer seine Lebensäußerungen nicht nur akustisch, sondern auch mechanisch in Lenker, Sitzbank und Fußrasten mit. Bereits ab 3000/min treten kernige Vibrationen auf, die mit steigender Drehzahl noch zunehmen. Das Viergang-Getriebe lässt sich erstaunlich leicht schalten, verlangt aber Nachdruck, damit die Gänge sauber ein-rasten. Der Schalthebel befindet sich zwar wie üblich links, das Schaltschema ist aber umgedreht, der erste Gang liegt oben, die restlichen drei unten. Die Doppelscheibenbremse im charakteristischen, als "Zahnradfelge" bezeichneten Münch-Guss-Vorderrad kann heutzutage nicht mehr recht überzeugen. Selbst bei hoher Handkraft ist die Wirkung der Brembo-Zweikolbensättel alles andere als berauschend. Vermutlich hat Friedel Münchs Trommelbremse besser funktioniert, wie die originale Duplexbremse im ebenso typischen Schaufeldesign-Hinterrad ahnen lässt. Bereits bei geringer Fußkraft unterstützt sie das vordere Pendant äußerst effektiv und lässt sich zudem auch noch gefühlvoll dosieren. Nach einem Tag mit der TTS-E kann der Fahrer auch die Werbung nachvollziehen, die den Vierzylinder nicht nur "für Männer, die das Exklusive lieben" bewarb, sondern immer wieder als Männermaschine propagierte. Die Maschine fordert in der Tat den ganzen Mann.

Technische Daten

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Offene Ansaugtrichter bieten prächtig röchelnden Sound, die mechanische Einspritzung liefert den Kraftstoff dazu.

Motor:
Vierzylinder-Viertaktmotor, luftgekühlt, zwei Ventile pro Zylinder, ohc, Bohrung x Hub 75,0 x 66,6 Millimeter, 1177 cm3, 74 kW (100 PS) bei 7500/min, 111 Nm bei 4800/min, E-Starter.

Fahrwerk:
Doppelschleifen-Rahmen aus Stahlrohr, Magnesium-Rahmenheck und -Schwinge, Telegabel, Monroe-Luft-Federbeine, Gussräder, Bereifung 3.25 V 19 und 4.00 V 18.

Maße und Gewicht:
Radstand 1460 Millimeter, Tankinhalt 37 Liter, Gewicht vollgetankt über 300 Kilogramm.

Preis 1974:
18593 Mark (9506 Euro)

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