Das hätte man von Yamaha nicht erwartet: einen Dreizylinder. Wo sich Nippons Motorenkonstrukteure seit Jahrzehnten mit seidig-weich laufenden und grundsoliden Vierzylinder-Motoren profilieren. Doch seit sich die Mannen aus Iwata in Sachen Marketing der „dark side of Japan“, der dunklen Seite Japans, verschrieben haben, ist eben nichts mehr, wie es war. Oder zumindest vieles anders. Den Job des Bösewichts übernimmt die MT-Baureihe. Das Kürzel steht für Masters of Torque, die Herren des Drehmoments, und erklärt den neuen Fokus der Entwicklung.
Druck aus dem Drehzahlkeller statt Spitzenleistung und aggressiv knurrende Crossplane-Motoren sollen die verbrennungstechnischen Smoothies vergessen machen. So neu ist der Ansatz allerdings nicht. Im Jahr 2005 spannte die MT-01 mit ihrem 1700er-V2 mächtig die Oberarme. Ihr Erfolg? Früher mittelprächtig, nun Kult. Ein Jahr später folgte die einzylindrige MT-03. Die 660er wurde noch verhaltener angenommen. Denkpause. Finanzkrise. Neuorientierung. Waren das dicke Muscle Bike und der schüchterne Single zu exotische Konzepte, um mit dem MT-Spirit das Herz der Biker zu treffen? Offensichtlich. Denn der dritte Anlauf saß. Der Doppelpack aus der zweizylindrigen MT-07 und dem Drilling MT-09 schlug 2013 ein wie ein Bombe. Doch während die 700er mit einem Tarif von gerade mal 6000 Euro die Vernunft ansprach, geriet die Yamaha MT-09 auch zum emotionalen Volltreffer.
Bassig faucht der Dreizylinder der Yamaha MT-09
Allein der Sound. Eine ganz neu komponierte Symphonie. Nicht das hochfrequente Singen einer Triumph Street Triple, nicht das mahlende Grummeln einer MV Agusta Brutale. Bassig faucht der Dreizylinder der Yamaha MT-09 aus seinem Stummelauspuff. Unverwechselbar, eigenständig. Man will es immer wieder hören, diese Mischung aus röchelndem Ansauggeräusch und lustvollem Röhren. Nahezu unbewusst zieht man das Gas auf, lauscht neugierig. Und erlebt nicht nur akustisch eine Erfüllung.
Quasi ab Standgasdrehzahl schiebt der im Vergleich zu den italienischen und britischen Dreizylinder-Artgenossinnen langhubiger ausgelegte Dreizylinder an, zieht nahtlos durch, bis der Drehzahlbegrenzer bei Strich 11.000 Touren sanft zur Raison ruft. Hochschalten, Junge. Sorry, fast vergessen. So unangestrengt, wie der quirlige Antrieb der Yamaha MT-09 wirkt. Oder meidet man das Schalten, weil das Getriebe etwas knöchern wirkt und unter Last ein wenig Nachdruck verlangt? Nun ja, damit kann man leben.
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogenen Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzbestimmungen.
Harmonie im Dreierpack
Immerhin ziehen bei voll gespanntem Gaszug deklarierte und auch gemessene 115 PS an der Kette. Fiel eben das Wort Gaszug? Schnell vergessen. Gaskabel muss es korrekt heißen. Denn Ride-by-Wire, also die elektronisch über einen Stellmotor betätigte Drosselklappe, gehört bei der aktuellen Generation der MT-Modelle natürlich dazu. Genauso wie die Möglichkeit, sich eine von drei Mapping-Varianten auszusuchen. Auch wenn sich die Auswahl in der Praxis etwas reduziert. Denn mit der Standard- oder der A-Abstimmung geht der Treibsatz beim Lastwechsel recht burschikos ans Werk, vermasselt am Kurvenscheitelpunkt Linie und Laune.
Jammerschade wäre es, den so wohlerzogenen Prachtkerl damit zu ärgern. Den Schalter am rechten Lenkerende auf „B“ geklickt und alles ist gut. Dann geht der Drilling der Yamaha MT-09 sanft ans Gas, surrt sogar im sechsten Gang ruckfrei durch die Ortschaften. Man spürt, dass sich die Ingenieure Mühe gegeben haben. Fünf Millimeter Zylinder-Offset reduzieren die mechanischen Reibungsverluste, gecrackte Pleuel minimieren die Toleranz in den Pleuellagern, und unterschiedlich lange Ansaugtrichter je Zylinder optimieren die Gasströme. Harmonie im Dreierpack.
Die dunkle Seite Japans
Zumal auch das Fahrwerk dieser Leichtigkeit des Seins verpflichtet ist. Auf gerade mal 1440 Millimeter Kürze verbinden der aus zwei Pressteilen zusammengeschraubte Rahmen und die Schwinge – beides aus Alu – die Gussräder. Wie bei einem Offroader reckt sich der breite und relativ weit nach oben gezogene Lenker dem Piloten entgegen. Alles wirkt filigran, schmal, verspricht Fahrspaß – und löst das Versprechen auch ein. Eingewöhnungszeit? Keine. Zumindest wenn der Pilot die auf der Yamaha MT-09 kippeligen Originalreifen (Bridgestone S20) gegen die neutralen Conti Road Attack 2 Evo oder Metzeler M7RR getauscht hat. Dann flutscht die Kleine – ja, so empfindet der MT-09-Pilot seinen Untersatz bereits nach wenigen Augenblicken – mühelos durch die Ecken und kippt lässig in Schräglage. Doch bevor man zu frech wird, schlagen Gabel und Federbein Alarm, pumpen sich schwammig durch die Federwege.
Die Zugstufendämpfung zuzudrehen ist zwar möglich, bringt aber wenig. So mancher MT-09-Treiber hat sich mittlerweile auf dem Zubehörmarkt nach hochwertigerem Material umgesehen. Für diesen Fauxpas darf man der Yamaha MT-09 etwas böse sein. Aber nur etwas. Denn von diesem Strich mit dem Rotstift einmal abgesehen, setzt sich die zweite Dreizylinder-Maschine der Yamaha-Historie – der erste Drilling steckte anno 1977 in der XS 750 – exzellent in Szene. Und nicht nur die guten Verkaufszahlen, sondern auch das Resultat der Wahl zum INTERMOT-Countdown 2016 beweisen: Wer wagt, gewinnt. Vielleicht brauchte es für die Modellplaner ausgerechnet die dunkle Seite Japans, um über den eigenen Schatten zu springen.
Traumbike-Ergebnisse 2016: Yamaha

- Yamaha MT-09: 18,4 %
- Yamaha Vmax: 16,8 %
- Yamaha XJR 1200: 13,8 %
- Yamaha YZF-R1M: 13,5 %
- Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré: 12,1 %
- Yamaha YZF-R1: 10,2 %
- Yamaha FJR 1300: 9,0 %
- Yamaha YZF-R6: 2,2 %
- Yamaha FZS 600 Fazer: 2,0 %
- Yamaha XJ 600 S Diversion: 1,3 %