Um dieses Ergebnis vorauszusagen, musste man kein Prophet sein: Die KTM 1290 Super Duke R wurde von den MOTORRAD-Lesern zur beliebtesten KTM gewählt. Die Redaktion gratuliert und fährt weiterhin mit Freude ihre Dauertestmaschine.
Um dieses Ergebnis vorauszusagen, musste man kein Prophet sein: Die KTM 1290 Super Duke R wurde von den MOTORRAD-Lesern zur beliebtesten KTM gewählt. Die Redaktion gratuliert und fährt weiterhin mit Freude ihre Dauertestmaschine.
Wer die Szene erlebt hat, wird sie nicht vergessen: Bei der Präsentation der KTM 1290 Super Duke R im Herbst 2013 umkreist der entspannt plaudernde KTM-Designchef Gerald Kiska den Prototypen, erklärt hier ein Detail, übt sich dann und wann in„Ready-to-race“-Rhetorik und drückt dann beiläufig den Knopf einer kleinen Fernbedienung. Aus einem kaum gedämpften Auspuff donnert spontan der mächtige Zweizylinder los, das Publikum ist einen Moment lang geschockt, dann entzückt. Applaus brandet auf, die Premiere eines spektakulären Motorrades ist geglückt.
Die Auspuff-Eruptionen wurden offensichtlich in Sympathiewellen reflektiert, denn die neue Super Duke –„The Beast“ – war auf Anhieb beliebt und im Verkauf erfolgreich. Dabei erwies sie sich, nachdem sie auf den Markt und die Straßen gekommen war, als gar nicht so biestig, wie es der markige Slogan und die explosive Präsentation suggeriert hatten. Als überaus kräftig schon; im Ansturm auf Drehmoment- und Leistungsgipfel sogar geradezu reißend, daran gab und gibt es keinerlei Zweifel. Doch wenn die alltägliche Verkehrsrealität das Ausreizen von gemessenen 168 PS nicht zulässt, also fast immer, benimmt sich ihr Antrieb vorbildlich kultiviert. Wie sanft der 1301er-V2 bei niedrigen Drehzahlen läuft, wie geschmeidig sein Ride-by-wire-System die Lastwechsel vollzieht! Und wie unwiderstehlich er auf Anforderung den Sprint zur nächsten Kurve anzieht.
Dabei handelt es sich beim großen KTM-Motor um eine relativ einfache Konstruktion. 75 Grad Zylinderwinkel, vier Ventile pro Brennraum und je zwei kettengetriebene Nockenwellen zu ihrer Betätigung. Keine Desmodromik, keine variablen Steuerzeiten. Stattdessen offenbart der KTM-V2, wie genau die KTM-Entwicklungsabteilung gas- und thermodynamische Prozesse studiert, und wie gut sie ihr Wissen angewendet hat. In Sachen Leistungs- und Laufkultur bei großen Einzelhubräumen hat KTM zweifellos den Königsweg gefunden und geht ihn jetzt konsequent weiter. Die neueste Version der Super Duke, die moderat tourentaugliche GT, ist auf diesem Weg schon wieder ein Stück weiter, so die aktuellen Testergebnisse. Da die GT-Version bereits nach Euro 4 homologiert ist, wird die KTM 1290 Super Duke R mit ziemlicher Sicherheit zu Beginn der nächsten Saison auf diesen Stand nachgerüstet. Und es wird im Vergleich zur Vorigen niemandem etwas fehlen.
Weniger biestig als ihr Image, sondern überaus vernünftig gibt sich die Super Duke auch in Sachen Elektronik. Die Traktionskontrolle nutzt neben den üblichen Sensoren für Rad- und Motordrehzahl, Drosselklappenstellung und Gang einen Schräg-lagensensor. Sie regelt zwar nicht übertrieben defensiv, greift, wenn nötig, aber sanft ein. Für das ABS sind zwei Modi wählbar, und schon der Road-Modus ermöglicht ordentliche Verzögerungswerte von durchschnittlich 9,3 m/s². Das entspricht einem Bremsweg von 41,5 Metern aus 100 km/h. Im Sportmodus sind das ABS am Hinterrad und die Abhebe-erkennung deaktiviert, erst dann sind also Anbremsdrifts und Stoppies möglich. Die mechanisch-hydraulische Basis für diese Werte bildet eine piekfeine Brembo-Anlage.
In Sachen Fahrwerk strahlt die KTM 1290 Super Duke R nicht ganz so hell wie beim Thema Motor, Elektronik und Bremsen. Nicht, dass sie ihre Sache schlecht machen würde. Wer auf kurvigen Straßen von Schräglagenwechsel zu Schräglagenwechsel hechtet, wird diese sportliche Übung als reines Glück erleben. Die Super Duke findet zielgenau ihren Weg, und die nicht zu tief geduckte Sitzposition schenkt dem Fahrer die nötige Übersicht und Unbeschwertheit. Dafür wurde dieses Motorrad gebaut, das ist sofort zu spüren.
Doch wie eigentlich alle starken Naked Bikes lässt die KTM 1290 Super Duke R ihre Grenzen in anderen Disziplinen erkennen. Das Fehlen einer Verkleidung macht sich gleich mehrfach bemerkbar. Zum einen durch eine geringere Vorderradlast (49 zu 51 Prozent), zum anderen dadurch, dass der Fahrer bei hohen Geschwindigkeiten nicht so leicht durch den anstürmenden Fahrtwind schlüpft wie bei einem verkleideten Motorrad. Er bringt unbeabsichtigt leichte Impulse in die Lenkung ein, wenn das Vorderrad wegen des aerodynamischen Auftriebs ohnehin leichter wird. Deshalb haben die Fahrwerksentwickler der Super Duke zugunsten der Hochgeschwindigkeitsstabilität eine betont „lange“ Fahrwerksgeometrie mitgegeben: langer Radstand, langer Nachlauf, flacher Lenkkopf. Das kostet das eine oder andere Quäntchen an Handlichkeit.
Die Gabel und das direkt angelenkte Federbein der KTM 1290 Super Duke R zählen auch nicht zu den besonders fein ansprechenden Feder-elementen. Auf holprigen Straßen Komfort zu spenden, gehört deshalb auch nicht gerade zu ihren Stärken. Hier ließe sich noch einiges verbessern, ohne das Gesamtkonzept infrage zu stellen.
Doch diese Kritik geht – es sei freimütig zugegeben – von einem sehr hohen Grad der Verwöhnung aus. Denn für einen im Konkurrenzumfeld noch relativ moderaten Preis von knapp 16.000 Euro inklusive Nebenkosten bietet die KTM 1290 Super Duke R außergewöhnliche Fahrerlebnisse und ausgefeilte Technik. Die KTM-Fans haben sie deshalb mit weitem Abstand zur beliebtesten KTM gewählt. Die nachfolgende 1290 Super Adventure bekam nicht einmal halb so viele Stimmen.