Vergleichstest Einsteiger

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Stand der Dinge

Zuletzt aktualisiert am 14.09.2000

Der Hauptständer: Ein schnödes, meistens mattschwarz lackiertes Rohrgebilde, unansehnlich und so gut versteckt, dass er erst auf den zweiten Blick auffällt. Aber eben auch ein durch und durch vernünftiges Teil. Und genau da liegt sein Problem. Weil sich Ratio in so dynamischen Zeiten anders buchstabiert. Richtig knallen muss es. Und auffallen. 2,5 Kilogramm mehr sind da genauso fehl am Platz wie ein Mauerblümchendasein. Wen interessiert hier Kettenpflege? Oder gar der sichere Stand der Dinger? Hauptständer sind out.
Die Honda CB 500 hat einen Hauptständer. Die Kawasaki ER-5 und die Suzuki GS 500 E auch, MZ Skorpion und Yamaha XJ 600 Diversion sowieso. Ein sicheres Indiz dafür, dass diese Motorräder die alten Zeiten kennen.
Ein zweites kommt hinzu: das Geburtsjahr. Es ließe sich wohl kaum ein anderes Testfeld zusammenstellen, bei dem der jüngste Teilnehmer, die ER-5, bereits 1996 vorgestellt wurde. Und auch keines, in dem die Probanden in der langen Zeit ihrer Marktpräsens höchstens einmal die Farbe wechselten, weil die Argumentationskette »preisgünstig + einfach = gut« immer genügend Anhänger fand.
Gilt das nach wie vor? Der langjährige Klassenprimus Honda CB 500 tritt an, den Beweis zu erbringen. Am Rand bemerkt: Da Honda sich nicht in der Lage sah, ein Testmotorrad zur Verfügung zu stellen, musste MOTORRAD auf eine private CB 500 älteren Baujahrs zurückgreifen. Trotzdem: Der unscheinbare Vierventiler der CB zeigt sich in allen Drehzahlbereichen quietschfidel und schwingt sich zwischen 7000/min und 10000/min zu einem wahren Höhenflug auf.
Zu diesen Qualitäten passt das Fahrwerk. Ganz konventionell mit zwei Federbeinen ausgestattet, beschert die Honda dem skeptischen Piloten eine gesunde Mischung aus guter Handlichkeit und der nötigen Stabilität, ohne die in schnelleren Passagen kein sauberer Strich zustande kommt. Dass die Federbeine generell etwas mehr Dämpfung vertragen könnten, wird allenfalls mit Beifahrer deutlich, während Solisten vorne wie hinten nichts zu kritteln haben. Da die Honda zudem in der ersten wie auch zweiten Reihe komfortable Sitzgelegenheiten anbietet, rundet die Sache aufs Trefflichste ab und zeigt, wie unterhaltsam Vernunft sein kann.
An anderer Stelle hat Honda es mit der Sparsamkeit und dem Einsatz einfacher Mittel bei der 500er übertrieben. Sie hat keinen einstellbaren Bremshebel. Das war schon bei ihrer Premiere unverständlich – und ist es heute noch.
Kawasaki macht vor, wie das besser geht. Hier lässt sich selbst der Kupplungshebel unterschiedlich großen Fahrerhänden anpassen. Bis auf eine Tankuhr aber ist Luxus der ER-5 ebenfalls fremd, es zählt, was funktioniert. Zwei Zylinder mit jeweils vier Ventilen, davor eine konventionelle Telegabel, dahinter zwei konventionelle Federbeine. Und genau wie bei der Honda bietet dieses Arrangement wenig Anlass zur Kritik. Kein Wunder, denn neben der durchaus vergleichbaren Abstimmung sind die Eckdaten wie Radstand und Lenkkopfwinkel identisch und selbst die ergonomischen Verhältnisse für Fahrer und Beifahrer bergen Verwechslungsgefahr.
Dass es so weit nicht kommt, liegt nicht nur daran, dass die Kawa-Sitzbank den Piloten unangenehm gegen den Tank drückt, sondern auch an der unterschiedlichen Charakteristik der Motoren. Der Vorsprung, den die Leistungskurve der ER-5 im Drehzahlbereich zwischen 5000/min und 7000/min ausweist, ist auch im Alltag erfahrbar. Bestimmt tritt die Kawa am Kurvenausgang an, schiebt kernig und kräftig nach vorne. Bei noch höheren Drehzahlen wendet sich das Blatt. Dann geht ihr merklich die Puste aus, läuft sie in den Begrenzer, während die Honda in höchsten Tönen jubiliert. Dieses breitere nutzbare Drehzahlband hat vor allem bei forscher Gangart Vorteile, während ruhigere Naturen von dem Kawa-Twin bestens bedient werden.
Im Gegensatz dazu ist die Suzuki GS 500 E auf den ersten Blick etwas für Dynamiker. Sie wirkt jugendlicher, zierlicher – und sie ist günstiger. 7770 Mark. Nein, das ist nicht die Preisliste von 1988, dem Jahr, in dem die GS das Licht der Welt erblickte. Das ist die aktuelle. Bei Suzuki gibt’s dafür eine Doppelschleife aus Vierkantrohr, Zentralfederbein hinten, Scheibenbremse vorne und hinten und, im Gegensatz zu den beiden anderen, einen luftgekühlten Twin mit nominell 45 PS. Wenn das kein Angebot ist!
Ist es auch. Eine idealer Begleiterin für jeden Tag. Morgens mit ihr zum Brötchenholen wuseln oder nachmittags an den Baggersee. Draufsetzen, losfahren – und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Die GS 500 E verkörpert wie keine andere den Gedanken des Alltagsmotorrads. Preisgünstig und funktionell – diesen Ansprüchen genügt die kleine Suzuki ohne Wenn und Aber. Die Schattenseiten dieser minimalistischen Philosophie zeigen sich erst dann, wenn gehobene Ansprüche an die Fahrdynamik gestellt werden, wozu die sportliche Sitzposition mit geringem Abstand von Sitzbank und Fußrasten durchaus auffordert. Dazu nämlich reichen die Qualitäten der Einzelbauteile nicht aus. Vor allem Gabel und Federbein kommen dann schnell an ihre Grenze. Wenn das Tempo flotter wird und Bodenunebenheiten den Weg säumen, macht die GS mit herzhaften Wankbewegungen darauf aufmerksam, dass sie zum Rasen nicht gebaut wurde. Also reingelangt in die gut funktionierende Bremse, Tempo rausgenommen. Die Gabel geht noch kurz auf Block – und dann ist alles wieder gut. Eine gemächlicher Gangart kommt auch dem luftgekühlten Twin entgegen, weil er im Grunde seines Kurbelgehäuses ein gemütlicher Zeitgenosse ist. Wenngleich von den nominell 45 PS auf der Prüfstandsrolle ordentliche 43 übrigbleiben, ist die Art, wie der Zweiventiler seine Leistung entfaltet, in allen Drehzahlbereichen von ruhiger Natur.
Und von ganz anderer als bei einem herzhaften Einzylinder. Der Single-Freund greift zur MZ. Die verlor zwar im Laufe der Jahre nicht nur ihr extrovertierte Ausstrahlung, sondern jüngst auch noch ein U im Markennamen. Unverwässert hingegen blieb der typische satte Schlag, wofür der 660-cm3-Single aus dem Hause Yamaha verantwortlich zeichnet. Nach wie vor ein rechter Raubauz, packt der MZ-Motor da zu, wo es gilt. Zwischen 3000/min und 6500/min liegt er in Leistung und Drehmoment deutlich über den kleinen Zweizylindern und verströmt mit seinem spontanen Antritt eine Präsens, die den Twins abgeht. Das unter 3000/min außer Kettenschlagen wenig geht und der Single bei 7000/min stumpf in den Begrenzer läuft, ist hingegen speziell nach dem Umstieg von der drehfreudigen Honda gewöhnungsbedürftig.
Für das Fahrwerk der MZ gilt das nicht. Bis auf das ein wenig unterdämpfte Monofederbein und eine etwas ausgeprägtere Aufstellneigung beim Bremsen in Schräglage hält sie durchaus das Niveau von Honda und Kawasaki, gibt sich sogar etwas straffer und direkter. Zudem überflügelt die vordere Bremse mit Vierkolbensattel, Stahlflexbremsleitung und 316-Millimeter-Scheibe die Konkurrenz, jedenfalls, wenn es um die reine Bremsleistung geht. Manko hier: Der nicht einstellbare Bremshebel ist zu weit entfernt, die notwendige Handkraft zu groß. Im Übrigen aber gibt es an der Ergonomie der MZ, auf der man etwas aufrechter sitzt als auf den Twins, für Fahrer und Beifahrer wenig auszusetzen.
Jedenfalls dann nicht, wenn man von den in dieser Klasse üblichen Größenordnungen ausgeht und die Yamaha XJ 600 S nicht mit von der Partie ist. Von der Anmutung ein deutlich größeres Motorrad, spielt sie preislich durchaus in derselben Liga. Sonst aber bietet sie zunächst von allem mehr: vier Zylinder, rund vierzig Kilo mehr Gewicht, mehr Leistung, mehr Verkleidung, in der Tour-Variante sogar Koffer – und eben mehr Platz. Resultat: Die Komfort-Wertung für Fahrer und Sozius geht klar an die XJ. Ebenso die imaginäre Image-Wertung, weil die 600er sehr überzeugend das Bewusstsein vermittelt, auf einem ausgewachsenen Motorrad zu sitzen.
Wen stört es da, dass sich die Fahrleistungen mit Ausnahme der Höchstgeschwindigkeit insgesamt nicht über das Niveau der quriligen Honda erheben. Eigentlich niemanden, weil es die XJ auf der anderen Seite schafft, ihr mehr an Masse geschickt zu kaschieren. Ebenso quicklebendig wie die Kleinen flitzt sie von einem Eck zum nächsten, wirft sich behände in Kurvenkombinationen aller Art. Das macht Spaß – und könnte noch mehr Spaß machen. Aha, Federelemente. Dieses mal erwischt es die Gabel. In allen Belangen zu schlapp. Und das schon seit Jahren! Aber sonst: Alle Achtung! Die Bremsen erledigen ihre Aufgabe einwandfrei, das Federbein hat selbst mit Sozius noch Reserven. Dazu kommt ein Motor, der im Vergleich zu den Zweizylindern und erst recht zum MZ-Single sehr kultiviert zu Werke geht. Lediglich ein Vibrationsanfall rund um die 4000/min stört ein wenig, aber in diesem Drehzahlbereich hält sich ohnehin selten jemand auf. Wenn es vorwärts gehen soll, braucht die Yamaha deutlich höhere Drehzahlen – der Reihenvierer dann aber auch deutlich mehr Sprit.
Das ist der Stand der Dinge. Keine schlechte Vorstellung der Low-Budget-Klasse. Einzig die GS 500 E fällt etwas ab. Aber die will Suzuki zum nächsten Jahr überarbeiten. Hoffentlich nicht nur technisch, sondern auch optisch. Etwas mehr Pepp käme nicht schlecht. Das gilt auch für die anderen. Ihren Hauptständer dürfen sie dann gerne behalten.

1. Platz - Honda CB 500

Der grünste unter den Evergreens. Kompromisslos konstruiert, um zu funktionieren. Das gelingt auch heute noch. Quirlig der Motor, agil das Fahrwerk. So ist der einzige Knackpunkt der kleinen Honda gleichzeitig klassetypisch: Mit diesem Outfit lockt man kaum jemand hinter dem Ofen hervor, zumal es eine Stufe höher erfrischende Motorräder vom Schlage einer Suzuki SV 650 gibt.

3. Platz - Kawasaki ER-5

Sie kam etwas später und kopierte Hondas CB 500 eins zu eins. Und die ER-5 ist keine schlechte Kopie. Lediglich der Motor ist nicht ganz so lebendig. Daher gilt auch hier die kritische Würdigung des hausbackenen Designs. Etwas mehr Frische könnte sicher nicht schaden. Denn es steht nirgendwo geschrieben, das wirtschaftliche Vernunft im tristen Outfit daherkommen muss.

4. Platz - MZ Scorpion tour

Tapfer hält die Skorpion die Einzylinderfahne hoch. Der Single verliert nicht viel auf die Honda und fährt mit der Kawa mit, die geringere Höchstgeschwindigkeit geht auf das Konto der zu langen Sekundärübersetzung. Im Landstraßenbetrieb oder in der Stadt aber wirkt die Skorpion quicklebendig. Ihr Manko: Auch ihr damals aufregendes Design wirkt heute hausbacken.

5. Platz - Suzuki GS 500 E

Letzter Platz für die alte Dame. Die GS 500 E, 1988 ein erfrischender Farbklecks, ist heute die graue Maus. Der niedrige Preis hilft nur ausgesprochenen Pragmatikern über die fahrdynamischen Unzulänglichkeiten hinweg. Bleibt zu hoffen, das Suzuki bei der Überarbeitung keine halben Sachen macht, auch wenn es ein paar Mark kostet. Das gilt für Technik und Design gleichermaßen.

2. Platz - Yamaha XJ 600 S

Viel Motorrad für wenig Geld: bei der XJ 600 S nach wie vor ein Erfolgsrezept, das aufgeht. Dass sie sich in Sachen Wirtschaftlichkeit einer CB 500 geschlagen geben muss, ist zu verschmerzen, weil sie im Kapitel Alltagstauglichkeit vorne liegt. Sehr komfortabel, wendig, dabei ordentlich ausgestattet. Außerdem wirkt sie auf den Betrachter etwas frischer als die Konkurrenz.