Yamaha MT-09 Tracer im PS-Fahrbericht

Yamaha MT-09 Tracer im PS-Fahrbericht
Viel Motorrad für wenig Geld

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Zuletzt aktualisiert am 13.01.2015

Aufregende Zeiten: Grenzten sich bis vor einigen Jahren die unterschiedlichen Motorradtypen noch klar voneinander ab, verschwimmen die einzelnen Segmente inzwischen immer stärker und bilden mitunter ein schwer differenzierbares Allerlei. Zwar gibt es schon länger Mischformen wie Reiseenduros oder Sporttourer. Und mit der Allzweckwaffe TDM 850 erfand Yamaha 1991 die Gattung der Crossover-Bikes. Doch erst in jüngster Zeit erfährt dieses Genre ein echtes Revival.

Auch die neue Yamaha MT-09 Tracer zählt zu den Multifunktions-Bikes und beherrscht laut Hersteller den sportlichen Ritt ebenso wie längere Trips, gerne auch mit Sozia und Gepäck. Immerhin schließt Yamaha für die „Tracy“ den Abstecher ins Gelände aus und nimmt auch den bösen Begriff „Tourer“ nicht in den Mund, nicht einmal in Verbindung mit „Sport“. Unter welcher Kategorie läuft die halbverkleidete Tracer aber dann? „Wir bezeichnen sie als sportliche Reisemaschine. Aus unserer Sicht ein Segment mit Zukunft“, erklärt Yamaha Deutschland-Boss Jörg Breitenfeld. Aha, dann nichts wie rauf auf den Newcomer und seine sportlichen Qualitäten abklopfen.

Yamaha MT-09 Tracer mit höhenverstellbarer Sitzbank

Hoppla, die neue Sitzbank befördert den Piloten in luftige Höhen. Auf der oberen Position der zweifach einstellbaren Bank thront er 860 Millimeter über dem Boden – perfekt für die Übersicht. In der unteren Stellung sind’s gemäßigtere 845 mm, was auch bestens passt. Kleinere Zeitgenossen ordern das abgepolsterte Teil und sitzen mit 815 mm exakt auf dem Niveau der Standard-MT-09. Anders als das zunächst sehr straff wirkende Polster vermuten lässt, bietet die zweiteilige Sitzbank der Yamaha MT-09 Tracer auch auf ausgedehnten Streifzügen prima Komfort. Um mehr Sitzfläche zu bieten, verlängerte Yamaha den Heckrahmen und legte ihn außerdem stabiler aus.

Auch um den Windschutz kümmerten sich die Japaner. Fürs Rasen beim Reisen spendierten sie der Yamaha MT-09 Tracer eine sportliche Halbschale inklusive Windschild. Zwar schützt die Scheibe den Oberkörper sehr ordentlich, doch sie leitet auch die anströmende Luft direkt zum Helm. Selbst bei gemäßigtem Tempo schützt keine der drei Positionen überzeugend vor Windgeräuschen oder Luftwirbeln. Ein echtes Ärgernis, das dem Tracer-Treiber längere Etappen vermiest. Zumindest die Zubehörindustrie dürfte sich drüber freuen.

Kippelt leicht nervös in tiefere Schräglagen

Neu an dem Reisesportler sind auch die serienmäßigen Kofferhalter. Bei Bedarf nehmen die unauffälligen Träger stabile Softbags (aufpreispflichtig) auf. Beifahrer-Haltegriffe, Handprotektoren, ein größerer Tank (18 Liter), ein horizontal einstellbarer, höherer und breiterer Lenker, das Cockpit aus der Super Ténéré, ein Hauptständer, eine Bordsteckdose sowie Kühler- und Seitenverkleidungen vervollständigen die Yamaha MT-09 Tracer. Laut Werk treiben die Goodies sein Gewicht insgesamt um 19 Kilo in die Höhe. Vollgetankt bringt die MT-09 Tracer 212 Kilo auf die Waage – für ein Crossover-Bike immer noch ein Top-Wert. Schwach hingegen: Wegen des zulässigen Gesamtgewichts von 390 Kilogramm gestattet die Tracer nur 178 Kilo Zuladung.

Trotzdem fühlt sich die Yamaha MT-09 Tracer komplett anders an als die Basis-MT-09: mehr Masse, deutlich höherer Schwerpunkt, andere Sitzposition. Beim Abwinkeln verlangt der Reisesportler zunächst etwas Schmackes, kippelt dann allerdings leicht nervös in tiefere Schräglagen. Womöglich eine Eigenart der speziell für die Tracer entwickelten Dunlop D 222 in Sonderspezifikation „L“. Immerhin liefert die Pelle, anders als die etwas indifferenten Seriengummis (Bridgestone S 20 „M“) der Nackten, ein knackiges Feedback. Einmal auf Kurs, zieht die MT-09 Tracer außerdem stabil und zielsicher ihre Bahn. Ob die Dunlops auch fürs Naked Bike freigegeben werden, konnte Yamaha noch nicht sagen. 

Sehr straff abgestimmte Federelemente

Wir können dagegen jetzt schon berichten, dass die Japaner die Federelemente sehr straff abstimmten. Vorn und hinten stärkere Federn, dazu mehr Dämpfung: Hier haben die Fahrwerkstechniker richtig zugeschlagen. Womöglich etwas zu sehr, denn die Yamaha MT-09 Tracer weist selbst auf der untersten Stellung der Federvorspannung am Heck kaum Negativ-Federweg auf – untrügliches Zeichen für eine sehr harte Feder.

Außerdem trampelt die Yamaha MT-09 Tracer trotz gesofteter Dämpfung des nun in der Zugstufe justierbaren Federbeins unsensibel über grobe Asphaltverwerfungen hinweg. Doch ein Gutes hat die Abstimmung: Selbst im Attacke-Modus herrscht auf ebenen Strecken nun sehr wenig Bewegung in der Fuhre. Dazu verfügen Gabel und Federbein bei voller Beladung über genügend Reserven.

Motorseitig änderte Yamaha nur das Mapping. Allerdings wirkt der Drilling nach dieser Kur etwas weniger spritzig, selbst im schärfsten Modus „A“. „Für die Tracer haben wir die elektronische Steuerung der Drosselklappen etwas konservativer ausgelegt“, bestätigt ein Techniker. Schade, unter sportlichen Gesichtspunkten bedeutet das einen kleinen Schritt rückwärts. Immerhin bietet die Yamaha MT-09 Tracer serienmäßig eine Traktionskontrolle. Wheelie-Fans deaktivieren sie vor ihrer Lieblingsbeschäftigung, sonst verhindert die ebenfalls konservative und dazu etwas grob regelnde TC jeglichen Aufwärtsdrang des Vorderrads. Aufregende Zeiten also? Ja, und die Yamaha MT-09 Tracer ist definitiv ein Teil davon.

Unterschiede zur Basis-MT-09

Yamaha

Fahrwerk

  • Halbverkleidung mit Windschild
  • einstellbarer, breiterer und höherer Lenker
  • größere, einstellbare Sitzbank
  • Hauptständer
  • Kofferträger
  • straffer abgestimmtes Fahrwerk
  • größerer Tank (18 Liter)
  • Cockpit aus der Super Ténéré

Motor

  • Traktionskontrolle
  • neues Mapping

Fazit

Mit der Yamaha MT-09 Tracer startet das neue Segment der halbverkleideten, sportlichen Reisemaschinen voll durch. Die Tracer deckt zwar einen weiten Einsatzbereich ab, ist allerdings auch deutlich zahmer als ein reiner Sportler. Außerdem könnte die Zuladung für Reisefreudige, die mit Sozius unterwegs sind, etwas höher ausfallen. Eines ist jedoch unbestritten: Für rund 9600 Euro bietet die Tracer viel Motorrad fürs Geld.

Technische Daten MT-09 Tracer

Yamaha

Antrieb

Dreizylinder-Reihenmotor, vier Ventile/Zylinder, 84,5 kW (115 PS) bei 10.000/min*, 88 Nm bei 8500/min*, 847 cm³, Bohrung/Hub: 78,0/59,1 mm, Verdichtung: 11,5:1, Zünd-/Einspritzanlage, 41-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, G-Kat, Kette

Fahrwerk

Leichtmetall-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel: 66,0 Grad, Nachlauf: 100 mm, Radstand: 1440 mm, Ø Gabel­innenrohr: 41 mm, Federweg v./h.: 137/130 mm

Räder und Bremsen

Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 17/5.50 x 17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 180/55 ZR 17, 298-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 245-mm-Einzelscheibe mit Einkolben-Schwimmsattel hinten, ABS

Gewicht

Vollgetankt: 210 kg 

Tankinhalt: 18,0 Liter Super

Grundpreis

9595 Euro (zzgl. NK)