ACEM: Motorräder können nicht einfach leiser werden

ACEM und der Motorradlärm
Motorräder können nicht einfach leiser werden

Veröffentlicht am 17.12.2021

Es ist eine Herausforderung mit schlechter Rendite. So könnte das aktuelle ACEM-Papier zum Thema Motorradlärm und dem Senken der Lautstärke zusammengefasst werden. Seit 2017 hängt die Forderung nach Reduzierung der Schallemissionen beim Fahrgeräusch von aktuell 77 db(A) auf 72 db(A) im Raum. Angefeuert von der EU selbst, die nach einer damaligen Studie meinte, diese fünf Dezibel wären für Motorradhersteller einfach zu erreichen. Dagegen wehrt sich die ACEM. Mit eigenen Studien beauftragt bei der TU Graz, den Geräuschspezialisten von Acustica und einem Institut für Machbarkeitsstudien zeigt der europäische Herstellerverband, dass um zwei Dezibel leisere Motorräder einen enormen Aufwand von den Herstellern verlangt, einhergehend mit wirtschaftlichem Schaden.

Reifen sind laut

Die Motorradhersteller untermauern ihre Position mit den Ergebnisse der TU Graz. Mit acht unterschiedlichen Zweirädern haben die Wissenschaftler das Fahrgeräusch bei Durchfahrt der Messstrecke mit weit geöffneter Drosselklappe (Wide OpenThrottle) nach den Vorgaben der UN.ECE 41.04, der aktuell gültigen Geräuschemissionsnorm für Motorräder mit der Abgasnorm Euro 4 und Euro 5, ermittelt. Anschließend wurden jeweils Endschalldämpfer, Motor und der Ansaugtrakt mit Schalldämmmatten umbaut, um diese Geräuschquellen zu eliminieren. Mit jeder Dämm-Stufe wurden die Tests wiederholt. Keine Überraschung, dennoch auffällig: Nach dem Kapseln des kompletten Motorrads war eine ergiebige Geräuschquelle der Endantrieb, inklusive Reifen. In einem zweiten Test bei konstanter Fahrt mit 50 km/h mit dem vollständig gedämmten Motorrad war der Endantrieb sogar die Hauptgeräuschquelle.

Auspuff immer noch das lauteste

Das sagt allerdings wenig bis gar nichts darüber aus, welches Dezibel-Einsparpotenzial in leiseren Endantrieben steckt, denn: selbst der komplett gedämmte Auspuff-Endtopf ist beim Beschleunigen mit großem Abstand die stärkste Ursache für Geräusche. Was dieser Test zeigt ist: Unter den derzeitigen Messvorschriften ist eine weitere Senkung der Geräuschemissionen nur mit enormem Aufwand in der Schalldämmung des Motors möglich. Übrigens: anteilig an den Gesamtgeräuschen war der Zahnriemenantrieb der getesteten Harley-Modelle bei Konstantfahrt und voller Beschleunigung der leiseste Antrieb.

Negatives Verhältnis

Die Ergebnisse der TU Graz und die Berechnung der Kosten zum Erreichen eines um zwei Dezibel leiseren Fahrgeräuschs ergeben ein negatives Verhältnis. Die Kosten für derart leise Motorräder überwiegen laut ACEM den Nutzen für die Umwelt. Die erste Idee der EU das Fahrgeräusch sogar um fünf Dezibel zu senken, ist laut ACEM weder für große Motorräder noch für Kleinkrafträder darstellbar.

Kommentar des Autors: Motorräder müssen im realen Betrieb leiser werden

Da dürfte kein Motorradfahrer widersprechen. Damit wir unser Hobby und und unsere Leidenschaft weiter mehr oder weniger ungehindert ausleben dürfen, müssen Motorräder im realen Fahrbetrieb leiser werden, besser: als leiser wahrgenommen werden. Das geht entweder durch besseres, teureres Soundengineering oder durch neue praxisnahe Messverfahren. Für zweites wurde im Zuge der R41.04 die sogenannte ASEP (Additional Sound Emission Provisions) eingeführt. Vorgabe zur Zulassung des Motorrads ist hierbei ein Fahrtest zwischen 20 und 80 km/h in jedem Gang. In diesem Testfenster durften die Grenzwerte der Fahrgeräusche nicht überschritten werden. Entsprechend den Ergebnissen der TU Graz, Acustica und der Machbarkeitsstudie erscheint es klar, dass es neue Messverfahren für den Realbetrieb geben muss, die gleichzeitig die homologierten Fahrgeräusche senken. Beides geht Hand in Hand.