BMW R 1200 RT in der Gebrauchtberatung

BMW R 1200 RT in der Gebrauchtberatung
Gebrauchtschnäppchen?

Zuletzt aktualisiert am 05.01.2017

Man muss nicht zwangsläufig Bauch und Rücken haben, um die Segnungen eines bequemen Motorrad-Arbeitsplatzes schätzen zu lernen. Oft reicht schon die zu den wenigen Vorteilen des Älterwerdens zählende Erkenntnis, dass man niemandem mehr etwas beweisen braucht und dass es sich aufrecht sitzend und mit ordentlichem Windschutz einfach deutlich entspannter reisen lässt. Wer die Phase der gebückten Raserei hinter sich gelassen hat, landet daher gern beim Tourer. Wenn es Geldbeutel und Ehegespinst zulassen sogar beim Luxustourer. Und der muss nicht unbedingt übergewichtig und unterdynamisch sein, was BMW bereits seit 1978 mit den Boxer-RT-Modellen beweist. Sie waren eigentlich nie die stärksten oder am üppigsten bestückten Vertreterinnen ihrer Zunft, aber fast immer die leichtesten, handlichsten und damit fahrdynamischsten. Die 2005 als Nachfolgerin der R 1150 RT präsentierte BMW R 1200 RT machte da keine Ausnahme. Sie schrieb die alten RT-Tugenden fort, war ansonsten aber ein RT-Quantensprung.

Motor regelmäßig überarbeitet

Der neue, aus der R 1200 GS entliehene und von 98 auf 110 PS erstarkte Motor sorgte für einen viel fülligeren Drehmomentverlauf, mehr Laufkultur und deutlich bessere Fahrleistungen. Das auf Wunsch elektronisch einstellbare Fahrwerk (ESA) bot eine bessere Grundabstimmung sowie mehr Fahrstabilität und Handlichkeit. Und die komplett neue Verkleidung glänzte mit einem nahezu perfekten Wind- und Wetterschutz. BMW erwies sich zudem als lernfähig und ersetzte das unbeliebte Vollintegral-ABS durch ein viel besser dosierbares Teilintegral-ABS (Handhebel für alle drei Scheiben, Fußbremse nur für hinten). Das gehörte wie die Koffer und der elektrisch verstellbare Windschild zum serienmäßigen Liefer­umfang, was aber wenig an der weiterhin umfangreichen Zubehör-Aufpreisliste änderte. Aus rund 15.000 Euro Grundpreis wurden so schnell mal 18.500 Euro Endpreis. Zum Modelljahr 2010 wurde die BMW R 1200 RT noch etwas besser: Der stark modifizierte, aus dem HP2-Sportboxer stammende dohc-Motor machte die RT noch lebendiger und klang um Welten besser.

Marktsituation

Ein für BMW-Verhältnisse eher überschaubares Angebot, die Haltedauer ist überdurchschnittlich lang. Echte Schnäppchen sind die Ausnahme, gute Exemplare kosten gutes Geld.

Typisches Angebot (Beispiel): 10.490 EUR: EZ 11/2010, 51.650 km, Top-Ausstattung, ESA, Reifen und Inspektion neu. Angebot eines Mehrmarken-Vertragshändlers aus Schleswig-Holstein. Überschau­ba­re Kilometerleistung, scheckheftgepflegt.

Niedriges Preisniveau - ab 5.500 Euro

Beispielanzeige: 111.446 km, EZ 2/2006, HU 5/2017, 1. Hand, Anthrazitmetallic, Sturzbügel, Audio-Anlage, Heizgriffe, Gegensprechanlage, neu: Ölwechsel, Luftfilter, Batterie, Bremsscheiben, Reifen vorn/hinten 70/60 %, VB 5.499 Euro (Privatangebot aus Hessen).

RT-Fahrer sind oft Ganz-viel-Fahrer, Angebote aus 1. Hand mit über 80.000 Kilometern daher gar nicht so selten und durchaus eine Über­legung wert. Ebenfalls in dieser Preislage: runtergerockte Behördenmaschinen.

Mittleres Preisniveau - ab 7.000 Euro

Beispielanzeige: 40.960 km, EZ 7/2006, 2. Hand, Graumetallic, ESA, Bordcomputer, Heizgriffe, Sitzheizung, weiße Blinker, Radiovorbereitung, BMW-Zylinderschutz, Steckdose, Remus-Schalldämpfer, Reifen 90%, 7.900 Euro (Händlerangebot aus Baden-Württemberg).

In dieser Preisliga spielt das Gros der 1200er-Erstauflage, die Kilometerleistungen liegen meist zwischen 25.000 und 60.000 Kilometern. Vereinzelt gibt es auch schon dohc-Modelle (ab 2010) mit 50.000 Kilometern aufwärts.

Hohes Preisniveau - ab 10.000 Euro

Beispielanzeige: 15.825 km, EZ 3/2012, 2. Hand, Blaumetallic, ESA, RDC, ASC, Radio/CD, Heizgriffe, Bordcomputer, Sitzheizung, Chrom-Auspuff, Zubehörsitzbank, 12.500 Euro (Händlerangebot aus Rheinland-Pfalz)

Im fünfstelligen Euro-Bereich sind nur noch ganz selten ­Modelle der R 1200 RT-Erstauflage zu finden, hier tummeln sich fast ausnahmslos komplett ausgestattete dohc-Modelle. Für zwölf Mille gibt’s Sahneschnitten mit wenig Kilometern, bei 13.900 Euro ist Schluss.

Modellpflege

markus-jahn.com

2005 Erstes Modelljahr, Markteinführung im März 2005; Farben: Graumetallic, Graphit­metallic, Rotmetallic; ab 15.100 Euro; Zulassungen in D: 2.375.

2006 Ab 15.300 Euro; Zulassungen in D: 2.047.

2007 Farben: Silbermetallic, Blaumetallic, Beige­metallic; ab 15.690 Euro; Zulassungen in D: 1.394.

2008 Neu: Serviceanzeige im Multifunktionsdisplay; drei neue Ausstattungspakete, u. a. mit Reifendruckkontrolle (RDC), Anti-Schlupf-Kontrolle (ASC) und elektronisch verstellbarem Fahrwerk (ESA); ab 15.850 Euro; Zulassungen in D: 997.

2009 Neue Farbe: Schwarzmetallic, Beige­metallic entfällt; ab 15.990 Euro; Zulassungen in D: 813.

2010 Neuer Motor mit zwei obenliegenden Nockenwellen pro Zylinder (dohc), Leistung unverändert, Drehmoment 120 statt 115 Nm, Auspuffklappe, Verkleidung überarbeitet, neue Schaltereinheiten und Hydraulikbehälter, neues Audiosystem; Farben: Polarme­tallic, Graumetallic, Mattgraumetallic, Grau-/Silbermetallic; Markteinführung Februar 2010; ab 16.200 Euro; Zulassungen in D: 1.075.

2011 Ab 16.400 Euro; Zulassungen in D: 943.

2012 Neue Farben: Blaumetallic, Graumetallic, Magnesium-/Beigemetallic; ab 16.550 Euro; Zulassungen in D: 709.

2013 Ab 16.700 Euro; Zulassungen in D: 630; Sondermodell „90 Jahre BMW Motorrad“ in Sonderlackierung (570 Euro Aufpreis).

Technische Aktionen: 3/2005: Nachrüstung Abdeckung Seilscheibe, Kontrolle Tankentlüftungsschlauch; 3/2006: Austausch Kupplung, Nachrüstung Hohlschraube Handbremsarmatur; 4/2006: Verlegung ABS-Sensorleitung Vorderrad; 6/2009: Umrüstung Bremsleitung Vorderrad (Fahrzeuge bis Produktion 5/2009).

Konkurrenz

Honda  Pan European: Top-Ausstattung, genialer Sitz- und Fahrkomfort, tolle Verarbeitungsqualität – aber auch schwer und mit Vmax-Pendeln. Vierzylinder-V-Motor, 1.261 cm³, 126 PS, 330 kg, 0–100 km/h in 3,6 sek, Vmax 225 km/h, Verbrauch 5,4 Liter, ab 5.500 Euro* (Mj. 2005)

Kawasaki 1400 GTR: Mit dem (gedrosselten) Motor aus der ZZR 1400 versucht die üppig ausgestattete Kawa den Spagat zwischen Sport und Tour. Vierzylinder-Reihenmotor, 1352 cm³, 155 PS, 314 kg, 0–100 km/h in 3,2 sek, Vmax 246 km/h, Verbrauch 6,2 Liter, ab 8.900 Euro* (Mj. 2010)

Triumph Trophy/SE: Prima Laufkultur, feinste Lenkpräzision, top Rückmeldung, hohe Zuladung und als SE mit allen Extras – aber sehr schwer. Dreizylinder-Reihenmotor, 1215 cm³, 135 PS, 317 kg, 0–100 km/h in 4,0 sek, Vmax 223 km/h, Verbrauch 5,3 Liter, ab 10.900 Euro*(Mj. 2013)

Yamaha FJR 1300 A: Bärenstarker Motor, hervorragende Fahrleistungen – und unterm Strich ein recht sportlicher Tourer, (zu) straff gefedert. Vierzylinder-Reihenmotor, 1298 cm³, 146 PS, 303 kg, 0–100 km/h in 3,1 sek, Vmax 245 km/h, Verbrauch 5,5 Liter, ab 11.000 Euro*(Mj. 2013)

Händler-Interview

Michael Steinke ist BMW-Verkaufsberater bei ZTK (Zweirad-Technik Könemann, www.ztk.de), einem der größten Motorradhändler Norddeutschlands mit den Standorten Schneverdingen und Uelzen in Niedersachsen.

Welche Kundschaft interessiert sich für die R 1200 RT?

Das sind reine Tourenfahrer, die in der Regel zu zweit unterwegs sind. In der Mehrzahl haben sie auch schon zuvor BMW-Boxer ge- habt. Und wenn sie dann doch ausnahmsweise mal von Fremdfabrikaten kommen, sind es meist ehemalige Yamaha XJR- bzw. FJR-Fahrer. Altersmäßig durchweg 50 plus.

Geld spielt bei denen nicht so die ganz große Rolle, oder?

Geld spielt momentan eh keine große Rolle, bei welchen Käufern auch immer. Auf der Bank bringt das Geld nichts und wird lieber in Motorräder investiert. Es gibt zurzeit auch echt wenig Finanzierungen.

Die Muss-Extras bei Gebrauchten?

Eigentlich alles, was zum Zeitpunkt des Neuverkaufs angeboten wurde, Komplettausstattung ist angesagt. Und eine überschaubare Kilometerleistung. Mit Basisausstattung und/oder über 60000 Kilometern wird das schon schwierig. Durch die Vergleichbarkeit im Internet bekommt der Kunde sehr schnell ein Angebot mit geringerer Laufleistung für nur unwesentlich mehr Geld.

Die Beliebtheit der R 1200 RT aus Händlersicht, also im Hinblick auf Inzahlungnahme und Weiterverkauf?

Die liegt im gesunden Mittelfeld.

Welche Rolle spielt die Modellpflege 2010 – ist das bei der Nachfrage zu spüren?

Kaum. Es gibt durchaus Kunden, denen gar nicht bewusst ist, dass sich da etwas getan hatte und denen das eigentlich auch egal ist. Eine gute 2009er mit wenig Kilometern lässt sich gegebenenfalls einfacher verkaufen als eine 2011er mit höherer Laufleistung.

Das wichtigste Feature beim Besichtigungstermin – lass mich raten, es ist ...

Natürlich das lückenlose Scheckheft! Unter anderem deshalb, damit man sichergehen kann, dass auch alle „Technischen Aktionen“ erledigt worden sind. Liegt es nicht vor, wäre das für mich als Privatkäufer ein Ausschlusskriterium, denn es gibt genug andere Angebote mit kompletter Service-Historie.

Das Preisgefüge – wo fangen nach deiner Einschätzung seriöse Angebote an?

Ab 7.000 Euro für die Erstauflage. Mit Vollausstattung hat die dann rund 60.000 Kilometer runter.

Fazit

Neu richtig teuer und als Gebrauchte auch kein Schnäppchen. Und trotzdem ist die BMW R 1200 RT im wahrsten Sinne des Wortes preiswert, denn die Kombination aus nahezu perfektem Reisekomfort und sehr viel Fahrspaß bietender Dynamik ist einzigartig.

Technische Daten BMW R 1200 RT