Das Motorrad befindet sich im Winterschlaf. Was aber ist mit uns, den Fahrern? Nichts für den Körper tun im Winter? Über Weihnachten wird üppig gespeist und getrunken? Erfahrung und Reflexe werden es schon richten? Nichts da. Es ist unsere Pflicht, auch den oberen Teil der Maschine, den Menschen auf Vordermann zu bringen. Natürlich kann es kein Standardfitnessprogramm geben, das für jeden Typ Motorradfahrer gleichermaßen geeignet ist. Viel zu unterschiedlich sind Fahrer und Maschinen. Trotzdem wollen wir hier versuchen, einem breiten Fahrer-Spektrum grundlegende Übungen an die Hand zu geben, die zu mehr Körperbewusstsein verhelfen und euch entspannter und sicherer Motorrad fahren lassen.
Fitness-Studio ist ideal
Dazu ist ein Fitness-Studio mit seiner Vielfalt an Trainingsmöglichkeiten ideal. Wir erklären, wie dort ein Training aussehen könnte, das auf die Bedürfnisse eines Touren- oder Vielfahrers abzielt. Jede Aktivität sollte mit einer Aufwärmphase eingeleitet werden, dann können Übungen zur Körper-Koordination erfolgen, extrem wichtig im Grenzbereich oder beim Stop-and-go im Gelände. Anschließend hilft Krafttraining, durch gezielten Muskelaufbau typische Motorradfahrer-Haltungsschäden zu verringern oder die beim Fahren besonders belasteten Körperpartien zu unterstützen.
Das folgende Ausdauertraining kräftigt unser Herz-Kreislauf-System, sorgt für längere Konzentration und anhaltende physische Leistungsfähigkeit. Am Anfang sollte ein ausführlicher Herz-Kreislauf-Test auf einem dafür geeigneten Gerät die Basis-Daten für die Intensität eines effektiven Ausdauertrainings liefern.
Hauptelemente des Trainings:
Basis-Elemente des Tourenfahrer-Trainings sind Aufwärmphase und Ausdauertraining. Beide Trainingsabschnitte laufen an den gleichen Geräten. Auf instabilen Untergründen wird Körper-Koordination trainiert. Schwerpunkte liegen auf der Schulung von Gleichgewicht und Körperwahrnehmung. Krafttraining bildet die dritte Säule des Trainings. Es wirkt Haltungsfehlern entgegen und kräftigt die beim Fahren stark belasteten Körperpartien.

Jowa Bacher, Diplom-Sportwissenschaftler und Sporttherapeut: „Kaum ein Straßenverkehrsteilnehmer ist höheren körperlichen und mentalen Anforderungen ausgesetzt, als ein Motorradfahrer. Beschleunigungskräfte und Bremsmanöver beanspruchen Arm-, Schulter- und Nackenmuskeln oft bis über die Grenze ihrer Belastungsfähigkeit, Fliehkräfte zerren am Nacken.
All das lässt nur einen Schluss zu: Motorradfahrer sollten an ihrer Fitness arbeiten. Deshalb habe ich ein Übungsprogramm zusammengestellt, das auf die spezifischen Belastungen von Bikern zugeschnitten ist. Wenn Sie nicht alle hier vorgestellten Geräte in Ihrem Studio finden, wird Ihnen Ihr Trainer Alternativen nennen. Vor dem Start sollte ein individueller Status-Check stehen. Viel Erfolg!“
Ausdauertraining für Motorradfahrer





Am Trainingsbeginn steht die Aufwärmphase, am Ende das Ausdauertraining. Zehn Minuten warm machen reichen. In den meisten Fitnessstudios stehen verschiedene Ausdauergeräte, die für Aufwärmen und Ausdauertraining gleichermaßen genutzt werden können. Das Aufwärmen sollte locker erfolgen, der Trainierende darf dabei noch nicht ermüden.
Motorradfahrer sollten Geräte in aufrechter Körperhaltung bevorzugen. Climber, Crosstrainer oder Handkurbelergometer, die man stehend benutzen kann, sind hervorragend geeignet. Beim Ausdauertraining sollte das Herz-Kreislaufsystem auf die Pulsfrequenz gebracht werden, die der Trainer für diesen Zweck errechnet hat. Viele Studios bieten auch Ausdauertraining in Kursform, wie zum Beispiel Spinning an. Klar, dass jedes Training mit einer lockeren Cool-down-Phase beendet werden sollte.
Koordinationstraining für Motorradfahrer





Das für sicheres Motorradfahren extrem wichtige Training der Körper-Koordination umfasst alle Komponenten der Bewegungskontrolle. Je besser ein Bewegungsablauf koordinativ gesteuert werden kann, desto weniger Kraftaufwand erfordert er. In der Fahrpraxis bedeutet die Koordinationverbesserung für den Motorradfahrer: Die Reaktionen werden schneller, Bewegungen laufen präziser ab, eine Ermüdung tritt später ein, es entstehen weniger muskuläre Verspannungen, die Unfallgefahr wird herab-gesetzt. Das Training auf instabilen Untergründen verbessert die Koordination, weil der Körper um Gleichgewicht kämpfen muss. Es kommt zu reflektorisch gesteuerten Ausgleichsbewegungen, die unser Nervensystem fordern und schulen.
Ein solches Training heißt in der Physiotherapie „propriozeptives Training“. Die Propriozeptoren sind Bewegungsorgane, die in Gelenken, Sehnen, Bändern und Muskeln eingelagert sind. Sie geben Auskunft über die Spannungszustände der Muskeln sowie die Stellung der Gelenke, und sie regulieren blitzschnell das Zusammenspiel aller an einer Bewegung beteiligten Organe.
Krafttraining für Motorradfahrer





Effektives Krafttraining soll das allgemeine Muskelkorsett aufbauen. Das schützt bei Stürzen, weil es Belastungen bis zu einem gewissen Grad abfangen kann. Krafttraining soll aber auch jene Muskeln kräftigen, die typischen Motorradfahrer-Haltungsfehlern entgegenwirken. Darüber hinaus müssen Muskeln dort aufgebaut werden, wo beim Fahren besondere Belastungen entstehen. Dazu gehören die Unterarmmuskeln, die das Handgelenk bewegen und stabilisieren, sowie die Greifmuskulatur der Finger. Bei sportlich nach vorn gebeugter Sitzhaltung werden die Armstrecker dauerhaft belastet, harte Bremsmanöver geben ihnen den Rest. Brust- und schräge Bauchmuskulatur werden immer dann gefordert, wenn viel Kurvenkurbelei auf dem Programm steht. Manche Studios bieten eine computergesteuerte Krafttestung verschiedener Muskelgruppen an, die Schwächen und Stärken aufdeckt und den Trainingsplan optimieren kann.
Medizinball als instabile Unterlage
Mit fortschreitender Fitness können Übungen in den Trainingsplan eingebaut werden, die eine höhere Grundkraft und Stabilisationsfähigkeit voraussetzen. Indem wir traditionelle Kraftübungen mit einem instabilen Untergrund versehen, erhalten diese Übungen alle Vorteile des bereits erwähnten propriozeptiven Trainings. Neben der Muskulatur, die bei der jeweiligen Übung im Vordergrund steht, werden die gesamte Rumpfmuskulatur und die Koordination intensiv mittrainiert. In unseren Übungsbeispielen dienen Gymnastikball und Medizinball als instabile Unterlage.
Fazit
Machen wir uns nichts vor: Die Mehrheit der Motorradfahrer sitzt in einer ungesunden Haltung auf der Maschine. Problem Nummer eins ist der Kopf, der viel zu weit vor dem Körperschwerpunkt getragen wird. Fahrer aller Motorradgattungen strecken ihren Kopf wie ein Vogel nach vorn. Problem Nummer zwei sind die Schultern, die zu oft hoch gezogen sind. Ein Phänomen, das vom Cruiser- bis zum Supersportlerfahrer zu beobachten ist. Dabei sind die Schultern innenrotiert, das heißt, zu weit nach vorn und oben gekippt. Vor allem bei längeren Fahrten kann jeder Fahrer an sich einen zunehmenden Rundrücken beobachten, der die Brust einfallen und den Bauch rausquellen lässt. Diese Haltungsfehler erschweren sicheres, entspanntes, gesundes und souveränes Langstreckenfahren. Unsere Übungen helfen, auf dem Bike zum eigenen Vorteil eine bessere Figur zu machen.