Aufgepasst, Geheimtipp! Die in den Neunzigern äußerst populäre Kawasaki ZZ-R 1100 (1990 bis 2002) als seinerzeit tief- und überfliegender Brunzofen wird nach wie vor in Raser-Nostalgie verklärt, während die 2002 in Deutschland eingeführte, neu gestaltete Nachfolgerin ZZ-R 1200 allgemeinhin als Mauerblümchen gilt. Zu Unrecht, enge Kehren mag die 1200er zwar nicht so gern, steif und staksig bewegt sie sich dort, aber für ein gerüttelt Maß an frecher Autobahn-Tempobolzerei ist sie immer zu haben. Sogar besser als die Vorgängerin, denn während die 1100er noch bei Vollgas und freier Bahn nur von Mutigen zu bändigen war, läuft die über 150 PS starke Maschine bei Tempo 250 und darüber bis auf ein leichtes Pendeln um die Längsachse ausreichend stabil geradeaus.
Der Windschutz hinter der neu gestalteten Verkleidung und Scheibe ist ebenfalls auf hohe Geschwindigkeiten ausgelegt – also, was will man mehr? Eine Antwort könnte sein: noch mehr Dampf und Speed. Und genau hier liegt auch der Grund für das Schattendasein der ZZ-R respektive der ab 2003 in ZZR 1200 umbenannten Kawa. Die ZX-12R aus eigenem Haus und Suzukis Hayabusa knackten beinahe zeitgleich die magische 300-km/h-Grenze, Vollgasfreaks waren beim Debüt der ZZR dementsprechend nur wenig angefixt von der flotten, aber nicht endschnellen 1200er. Die Sporttouringfraktion hingegen vermisste ABS, G-Kat und Einspritzung und blickte in Richtung immer schneller werdender Bikes aus Bayern. Wer heutzutage aber auch ohne Highend-Qualitäten leben kann, gern lange und schnell unterwegs ist, gar mit einem Koffersatz in den Urlaub fährt, für den ist die grundsolide ZZR ein heißer Secondhand-Tipp, wenngleich von nun an kein geheimer mehr.
Tests in MOTORRAD:
8/2002 (FB), 10/2002 (VT), 22/2002 (TT), 22/2004 (KV)
FB=Fahrbericht, T=Test, VT=Vergleichstest, TT=Top-Test, KV=Konzeptvergleich; Nachbestellungen unter Telefon 0711/182-1229
Internet:
Fansites: www.zzr-forum.de (ZZR-Fahrer tauschen sich hier im Forum aus), www.zx11.de (private Homepage mit schöner Übersicht der Farbvarianten, technischen Daten und nützlichen Tipps).
Besichtigung
Unbedingt Ölstand kontrollieren. Denn falls die Maschine tatsächlich des Öfteren mit Vollgas über die freie Bahn gebolzt wurde, ist mangelhafte. Schmierung naturgemäß fatal. Zeigt der Peilstab nach ausgiebiger Probefahrt (auf mechanische Geräusche achten!) nur Minimum an, ist das ein schlechtes Zeichen. Vermutlich haben der oder die Vorbesitzer sich nur schlampig um Ölversorgung und -wechsel gekümmert. Bei einer lückenlosen Dokumentation und guter Wartung hingegen braucht sich der ZZR-Interessent weniger Gedanken zu machen. Der Motor ist gut für Laufleistungen jenseits von 50000 Kilometern, auch wenn es vereinzelt Probleme mit den Nockenwellen gab. Kawasaki gab zwar keinen Rückruf raus, Schäden wurden seinerzeit aber schnell auf Garantie behoben. Als Plus gelten Koffer- und Softbag-Gepäcksysteme, eine hohe Touringscheibe, Heizgriffe oder automatische Kettenschmierung. Um den Sporttourer auf Langstrecke zu trimmen, wurde er öfters mit einem Superbike-Lenker oder höheren Stummeln bestückt. In diesem Fall auf korrekte Eintragungen achten!
Marktsituation
Das Angebot an gebrauchten ZZR 1200 ist bei einem Bestand von unter 2000 Stück erwartungsgemäß klein. Die Nachfrage nach dem Motorrad ist gleichzeitig aber ebenfalls eher gering. Dadurch wird die Kawasaki für kühl kalkulierende Käufer interessant. Während Populär-Bikes wie Honda CBR 1100 XX oder BMW K 1200 S noch vergleichsweise teuer gehandelt werden und richtig günstig eigentlich nur mit hohen Laufleistungen über 50000 Kilometer zu ergattern sind, finden sich scheckheftgepflegte ZZR 1200 schon unter 5000 Euro. In Topzustand und mit weniger als 30000 Kilometern auf der Uhr. Beliebt sind auch Modelle mit 98 PS, eine Umrüstung kostet rund 300 Euro. Auffällig häufig sind gebrauchte ZZR 1200 beim Kawa-Händler zu finden. Händler berichten, dass die Vorbesitzer ihre Maschine nicht selten beim Kauf einer ZZR 1400 in Zahlung gegeben haben. Privatverkäufer bieten in der Regel nicht billiger an.
Verfügbarkeit am Markt: Gering bis mittelhoch
Preisniveau in Euro Baujahre Km-Stand Niedrig 3500-4200 2002-2004 20000-60000 Mittel 4300-5500 2002-2005 10000-40000 Hoch 5600-6500 2002-2005 5000-15000 Typ im Programm VerkäufeZX 1200-C1/2H 2002-2005 2426
Technische Daten

Motor:
Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, vier Ventile pro Zylinder, Nasssumpfschmierung, Vergaser, ungeregelter Katalysator mit Sekundärluftsystem, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette.
Bohrung x Hub 79 x 59,4 mm
Hubraum 1165 cm³
Nennleistung 112 kW (152 PS) bei 9800/min
Max. Drehmoment 124 Nm bei 8200/min
Fahrwerk:
Brückenrahmen aus Aluminium, Telegabel, verstellbare Federbasis, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Scheibenbremse hinten.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 5.50 x 17
Reifen 120/70 ZR 17, 180/55 ZR 17
Maße und Gewichte:
Radstand 1505 mm, Lenkkopfwinkel 65 Grad, Nachlauf 104 mm, Gewicht vollgetankt* 276 kg, Zuladung* 175 kg, Tankinhalt/Reserve 23/6,5 Liter.
Messungen (MOTORRAD 22/2002):
Höchstgeschwindigkeit** 275 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h 2,7 sek
Durchzug 60-100 km/h 4,4 sek
Verbrauch 6,7 l/100 km (Landstraße), 7,1 l/100 km (bei 130 km/h)
*MOTORRAD-Messungen; **Herstellerangabe
Modellpflege
2002 Die ZZ-R 1200 wird als Typ ZX1200-C1H in Deutschland zum Preis von 11 995 Euro angeboten. Farben: Blau, Silber, Schwarz. Leistungsvariante: 98 PS.
2003 Änderung des Modellnamens: nicht mehr ZZ-R 1200 sondern ZZR 1200. Der neue Typ ZX1200-C2H erhält eine automatische Taglichtfunktion, modifizierte Bremsscheiben (acht statt sechs Millimeter Stärke und Lochmuster mit 36 statt 72 Löchern).Maschine erfüllt Euro-2-Abgasnorm. Preis und Farbvarianten unverändert.
2004 Preisreduziertes Jackpot-Modell: 10499 Euro.
2005 Baustopp und Abverkauf der ZZR 1200 (Listenpreis: 11995 Euro), die im Folgejahr vom komplett neu konzipierten Modell ZZR 1400 abgelöst wird.