Die Motorradwelt des wiedervereinigten Deutschland schenkt dem ehemals staatlich begünstigten Monopolisten MZ nur wenig Aufmerksamkeit. Dabei übersehen viele eine hochinteressante Baureihe: die 660er-Singles Baghira, Skorpion und Co.
Die Motorradwelt des wiedervereinigten Deutschland schenkt dem ehemals staatlich begünstigten Monopolisten MZ nur wenig Aufmerksamkeit. Dabei übersehen viele eine hochinteressante Baureihe: die 660er-Singles Baghira, Skorpion und Co.
Der deutsche Hersteller MZ verkaufte nach dem Mauerfall so wenig, dass er 2009 pleite ging. So wundert es kaum, dass die sehr spannende Modellreihe rund um den von Yamaha geerbten 660er-Einzylinder schon beinahe vergessen ist. Dabei rollte die 660 Supermoto, das letzte Modell der Single-Reihe, noch bis 2009 vom Band. Rückblick: 1994 rückte die Skorpion mit sehr bewährtem und 48 PS starkem Japan-Eintopf die Marke wieder etwas mehr ins Rampenlicht. Mit Varianten als Naked Bike (Tour), Reisemaschine (Traveller) und sogar als Rennmotorrad (Race Replica und Cup) rührten die Sachsen sehr ambitioniert gleich in verschiedenen Töpfen. Richtig mutig war dann das poppige Design der Enduro Baghira, die 1997 debütierte.
Sie ist zusammen mit ihren Supermoto-Ablegern (Black Panther, Street Moto, Supermoto) die zurzeit auf dem Gebrauchtmarkt am weitesten verbreitete 660er-MZ - ein echter Tipp, nicht nur für Einsteiger, die auch mit der 34-PS-Version bestens bedient sind. Enduristen schätzten von Anfang an die superfein ansprechende Marzocchi-Gabel und das hochwertige White Power-Federbein sowie die ordentliche Gesamtqualität des Motorrads. Das skurrile, aber wenig beachtete Funbike Mastiff (1997 bis 2005) war hingegen seiner Zeit etwas voraus, floppte und bekam zudem starke Konkurrenz aus eigenem Haus in Form der Street Moto. Die enduresken Asphaltbrenner machen trotz des für heutige Verhältnisse etwas zähen und schlappen Motors (immerhin 50 PS) nach wie vor einen Heidenspaß und bieten sich als zuverlässige Secondhand-Schnäppchen geradezu an. Die Suche lohnt!
Tests in MOTORRAD:
Baghira: 13/1997 (T), 14/1997 (VT), 7/1999 (VT), 11/2004 (VT), 12/2004 (VT Supermoto)
Mastiff: 12/1997 (VT), 2/2002 (VT)
Skorpion: 11/1994 (T), 13/1994 (VT), 11/1998 (34-PS-VT), 5/2000 (VT)
T=Test, VT=Vergleichstest; Nachbestellungen unter 0711/182-1229
Internet:
Fansites: www.mz-baghira.de (die Adresse für Baghira, Mastiff, Street Moto und 660 Supermoto), www.bottger.de (Skorpion-Jünger tauschen sich dort aus)
Gebrauchtangebote: www.1000ps.de/gebrauchte-motorraeder (Baghira), /bike260.htm (Street Moto), /bike3523.htm (Supermoto), /bike257.htm (Mastiff), /bike752.htm (Skorpion Sport, 753 und 754 Tour und Traveller)
Bei Einzylindern ist eine ordentliche Ölversorgung für die Lebensdauer besonders entscheidend, das gilt auch für den MZ-660er-Single. .Eintöpfe werden bei Vollgas-Autobahnetappen gerne mal zu Ölfressern, und leider prüfen viele unbesonnene Fahrer (insbesondere 34-PS-Einsteiger) nicht so häufig den Ölstand wie angemessen. Bei Kilometerständen jenseits von 30000 ist also Vorsicht geboten. Bei der Probefahrt unbedingt darauf achten, ob unter Last und bei Lastwechseln blaue Fahnen aus dem Auspuff kommen (Anzeichen für verschlissene Kolbenringe beziehungsweise Ventilschaftdichtungen). Die Baghira-Enduro wurde von vielen Hobby-Geländefahrern und Fernreisenden favorisiert - bei so einer Historie ist ein sehr gründlicher Check angesagt. Federelemente, Umlenkhebelei und Radlager leiden stark unter dem Offroad-Einsatz, und Dellen, Risse und Kratzer sind dann naturgemäß nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Der wassergekühlte Yamaha-Motor gilt bei guter Wartung jedoch als robust und verkraftet auch Laufleistungen jenseits von 50000 Kilometern.
Der Gebrauchtmarkt befindet sich fast uneingeschränkt in Privathand. Händler lassen offenbar lieber die Finger von den MZ-Singles. Das hat aber wohl weniger damit zu tun, dass wegen der Firmenpleite Probleme bei der Ersatzteilbeschaffung zu erwarten wären, sondern eher mit der Tatsache, dass die meisten der Maschinen schon sehr betagt sind. Vereinzelte neuere Exemplare (speziell der 660 Supermoto) mit entsprechend geringen Laufleistungen (unter 10 000 Kilometern) werden dennoch von Gewerblichen angeboten. Ansonsten finden sich alle übrigen 660er in den illustren Anzeigenteilen von Regionalblättern und im Internet. Beliebt sind ordentlich gepflegte Maschinen mit weniger als 25 000 Kilometern, die unter 2000 Euro angeboten werden. Auch wenn Kenner die Qualitäten von Motor und Fahrwerk schätzen, mehr als 3000 Euro wollen nur wenige für eine gebrauchte 660er ausgeben. Die Skorpion Sport (insbesondere die Replica) steht bei Single-Sport-Fans hoch im Kurs, da nur noch wenige Straßen-Einzylindermaschinen im Angebot sind.
Verfügbarkeit am Markt: Gering bis mittel
Preisniveau in Euro | Baujahre | Km-Stand | Niedrig 1000-1500 | 1994-2002 | 30000-50000 |
Mittel 1500-2500 | 1994-2005 | 15000-40000 | Hoch 2600-3900 | 2000-2009 | unter 15000 |
Motor:
Wassergekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, fünf Ventile, Trockensumpfschmierung, Vergaser, keine Abgasreinigung, mechanisch betätigte Mehrscheiben- Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, O-Ring-Kette.
Bohrung x Hub 100 x 84 mm
Hubraum 660 cm³
Nennleistung 37 kW (50 PS) bei 6500/min
Max. Drehmoment 57 Nm bei 5250/min
Fahrwerk:
Einschleifenrahmen aus Stahl, Telegabel, verstellbare Zugstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Scheibenbremse vorn und hinten.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 4.50 x 17
Reifen 120/70-17; 160/60-17
Maße und Gewichte:
Radstand 1530 mm, Lenkkopfwinkel 62 Grad, Nachlauf 130 mm, Sitzhöhe* 910 mm, Gewicht vollgetankt* 179 kg, Zuladung* 181 kg, Tankinhalt/Reserve 12/2,5 Liter.
Messungen (MOTORRAD 12/2004):
Höchstgeschwindigkeit 160 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h 5,3 sek
Durchzug 60-100 km/h 5,7 sek
Verbrauch 4,2 l/100 km (Landstraße), 5,6 l/100 km (bei 130 km/h), Normal
1994 Die erste MZ mit 660er-Motor heißt Skorpion und wird als Modell Sport mit Halbschale für 10736 Mark (5489 Euro) und als Naked Bike Tour für 9836 Mark (5029 Euro) in Deutschland angeboten. Der 48 PS starke (auch als 34-PS-Variante erhältliche) Einzylinder stammt aus der Yamaha XTZ 660.
1995 Vorstellung der Skorpion Race Replica mit 50 PS und 175 Kilogramm Gewicht, nachdem MZ in der Sound-of-Single-Klasse erfolgreich mitmischte. Preis: 15242 Mark (7793 Euro).
1996 Modell Skorpion Traveller auf Basis der Tour mit Vollverkleidung und zwei 30-Liter-Koffern. Leistungsvarianten: 34 und 48 PS. Preis: 12742 Mark (6515 Euro).
1997 Markteinführung Modelle Baghira (Enduro) und Mastiff (Funbike) für 10750 Mark (5496 Euro) beziehungsweise 12250 Mark (6263 Euro) mit 50 PS. Die Baghira ist mit feiner Marzocchi-Gabel, beide Modelle mit einem White-Power-Federbein bestückt. Der Skorpion Sport wird eine nackte Classic-Variante mit Drahtspeichenrädern zur Seite gestellt, Preis: 11760 Mark (6013 Euro).
2000 Die Sport wird abverkauft, die vollverkleidete Cup soll an ihre Stelle treten - Preis 10340 Mark (5287 Euro). Die Baghira gibt es fortan auch als Supermoto-Version Street Moto mit 17-Zoll-Rädern, zunächst aber nur als Sonderedition „Black Panther“ für 11990 Mark (6121 Euro) mit schwarzer Lackierung.
2002 Abverkauf der Modelle Skorpion Cup, Tour und Traveller.
2004 Letztes Jahr für die Mastiff. Listenpreis: 6990 Euro.
2005 Baghira Enduro (6390 Euro) und Streetmoto (6990 Euro) ver- abschieden sich aus dem offiziellen Programm.
2006 Markteinführung des einzig verbleibenden MZ-Einzylindermodells 660 Supermoto/S für 6790 Euro. Unterschied zur Street Moto: neue, straffere Federelmente, bei der „S“ steilerer Lenkkopf und kürzere Schwinge.
2009 Das letzte Jahr für die 660er-Serie bei MZ und gleichzeitig das letzte Jahr für MZ. Die 660 Supermoto wird final zum Preis von 7146 Euro angeboten.