Der Coaching-Kandidat und "Azubi" Daniel (35) fährt seit neun Jahren mit Begeisterung Motorrad. Zwar ist er handwerklich geschickt, hat aber bisher mangels ausreichender Kenntnisse relativ wenig an seiner Maschine geschraubt. Nicht zuletzt auch wegen recht teurer Werkstattaufenthalte möchte er aber zukünftig gerne selbst Hand anlegen.
Sporttourer Honda VTR 1000 F mit schwammigem Fahrverhalten
Sein Motorrad ist eine Honda VTR 1000 F , Baujahr 1996, mit 53.000 Kilometern auf der Uhr. Der Sporttourer mit seinem kräftigen V2-Motor ist ein qualitativ hochwertiges und solides Motorrad, das problemlos auch hohe Laufleistungen erreicht. Daniels Maschine macht allerdings einen etwas angegammelten Eindruck. Das ist kein Wunder, denn sie wird überwiegend im Freien geparkt. Korrosion zeigt sich vor allem an der Auspuffanlage sowie an diversen weiteren Stellen. Die Verkleidung auf der linken Seite weist im unteren Bereich ein größeres Loch auf.
Hier geht es zu Teil 2: Bremsen-Update in Eigenregie – Stahlflex-Leitungen für die Honda VTR 1000 F
Das Motorrad hatte schon drei Vorbesitzer, eine nachvollziehbare Wartungshistorie ist nicht vorhanden. Auffällig ist, dass – wie so oft bei Laien – das Fahrwerk falsch eingestellt ist. Die Schrauben zur Einstellung der Federbasis an der Telegabel sind fast komplett herausgedreht, und auch die Dämpfung steht auf offen. Das ist sicher einer der Gründe, dass Daniel sich über ein schwammiges Fahrverhalten beschwert. Am rechten Gabelholm tritt zudem Öl aus, sodass ein Wechsel der Wellendichtringe ("Simmerringe") unvermeidbar ist.
Ablauf des Arbeitsprogramms
Die Coaching-Aufgabe umfasst die Bremsanlage und die Telegabel. Die Bremsschläuche müssen aufgrund ihres Alters (maximal acht Jahre!) gegen Stahlflexleitungen ausgetauscht werden. Außerdem sollen die Bremszangen gründlich gereinigt und auf Verschleiß und Gangbarkeit überprüft werden. Und zwar sowohl bei der vorderen Festsattel-Bremsanlage als auch bei der hinteren Schwimmsattel-Bremse. Der zweite wichtige Punkt betrifft die Telegabel, die wahrscheinlich noch nie gewartet wurde. Sie muss zum Tausch der Gabeldichtringe ohnehin komplett zerlegt werden.
Kosten für Material: ca. 350 Euro
Die Materialbeschaffung hat Daniel im Vorfeld erledigt. Eine entsprechende Liste der benötigten Teile sowie eine Reihe von Bezugsadressen hatte ich ihm im Vorfeld zugeschickt. Die Kosten für das Material belaufen sich auf circa 350 Euro, wobei der Löwenanteil auf die Stahlflexleitungen mit ABE entfällt.
Demontage der Verkleidung
Als Daniel bei mir eintrifft, ist bereits alles vorbereitet, und wir können unser Schrauberprojekt starten. Da die Honda VTR 1000 F wie so viele Sportler leider keinen Hauptständer hat, müssen wir erst einmal für einen sicheren Stand sorgen. Daniel besitzt aber sowohl für hinten als auch für vorn einen passenden Montageständer. Vor allem dank des soliden vorderen Montageständers, der unter dem Lenkkopf ansetzt, steht das Motorrad sicher und stabil – eine unverzichtbare Voraussetzung für Arbeiten im Frontbereich.
Herausforderung: festsitzende Schrauben
Material, Abdeckungen, Ablagemöglichkeiten und eine Reparaturanleitung liegen bereit, und die Aktion kann beginnen. Nach der problemlosen Demontage der Verkleidung liegt der Vorbau der Honda VTR 1000 F komplett frei. Aber schon beim ersten geplanten Arbeitsschritt kommt es zu Schwierigkeiten: Die Schrauben eines Bremssattels, der lange nicht gewartet wurde, sind oft festgebacken. So ist es leider auch in unserem Fall.
Schon die Madenschraube zur Sicherung des Haltestifts der Bremsbeläge sitzt dermaßen fest, dass sie sich nur durch Aufmeißeln lösen lässt. Auch der Versuch, den darunterliegenden Haltestift der Bremsbeläge zu lösen, ist nicht von Erfolg gekrönt. Der Innensechskant-Einsatz ("Inbus") der Knarre dreht den Schraubenkopf aus weichem Aluminium einfach durch. Um ihn dennoch zu lösen, müssten wir ihn so stark beschädigen, dass er nicht mehr verwendet werden kann. Da kein Ersatz zur Hand ist, Daniel aber unbedingt mit dem Motorrad wieder nach Hause kommen muss, vertagen wir diesen Arbeitsschritt. Das Problem lässt sich nur mit erheblichem Zeitaufwand durch Erwärmen, den Einsatz von Rost-Schock und eines Schlagschraubers lösen.
Ausbau des Vorderrads und Abbau der Bremszange
Wir widmen uns daher der Telegabel und beginnen mit dem Ausbau des Vorderrads und dem Abbau der Bremszangen. Die Honda VTR 1000 F hat, typisch für die 1990er-Jahre, noch eine Standard-Telegabel. Im Gegensatz zu den moderneren Upside-down- oder Cartridge-Gabeln ist das Zerlegen nicht nur relativ einfach, sondern meist auch ohne Spezialwerkzeug möglich.
Unten am Tauchrohr befindet sich eine Inbusschraube, die wir noch in eingebautem Zustand anlösen, denn noch kann sich das Tauchrohr nicht mitdrehen. Bei ausgebautem Gabelholm ist das deutlich schwieriger. Erst danach demontieren wir das Schutzblech und lösen die Halteschrauben der oberen Gabelbrücke, damit die Klemmung nicht mehr auf den Gabelstopfen drückt. Der wird ein Stück weit ausgedreht, aber noch nicht ganz entfernt. Daniel meistert die Aufgaben mit Bravour, kurze Erklärungen reichen aus, und jeder Handgriff sitzt.
Fotos und Schnittzeichnung fürs Zerlegen der Gabel
Nachdem beide Gabelholme ausgebaut wurden, geht es an das Zerlegen der Gabel. Unverzichtbar ist dabei eine Schnittzeichnung, denn das Innenleben einer Telegabel besteht aus vielen Einzelteilen, und Reihenfolge sowie Einbaurichtung müssen natürlich beim Zusammenbau unbedingt beachtet werden. Zur Sicherheit machen wir auch noch einige Fotos. Das Zerlegen einer Telegabel bedeutet natürlich auch, dass jede Menge Öl austritt und häufig auch spritzt. Saugfähige Filztücher und eine kleine Ölwanne helfen, die Sauerei einigermaßen in Grenzen zu halten.
Der Zustand der austretenden Brühe deutet darauf hin, dass das Öl wahrscheinlich noch nie gewechselt wurde. Halteschraube unten ausdrehen, den Verschlussstopfen samt Einstellmechanismus entfernen, Feder und Dämpfer herausziehen, alle Teile ablegen und gründlich säubern – das alles ist keine Herausforderung.
Schwierigste Teil: Trennung von Tauch- und Standrohr
Aber dann folgt der schwierigste Teil: das Trennen von Tauch- und Standrohr. Nach dem vorsichtigen Einspannen des Tauchrohrs an der Bremssattelaufnahme im Schraubstock können die Staubkappe und der darunterliegende Sicherungclip entfernt werden. Das Standrohr wird jetzt nur noch von einer Gleitbuchse und dem Simmerring gehalten. Durch kräftiges mehrmaliges ruckartiges Ziehen am Standrohr werden sowohl die Buchse als auch der Ring ausgetrieben.
Normalerweise sind Laien dabei eher zögerlich, denn der dafür notwendige Kraftaufwand lässt sich ohne Erfahrung schwer einschätzen. Daniel geht aber forsch ans Werk und hat in Windeseile den Gabelholm zerlegt und das Standrohr mit Gleitbuchsen, Stützscheibe und Simmerring in der Hand. Die Gleitbuchsen sind in gutem Zustand, sodass lediglich der Simmerring getauscht werden muss. Dann nehmen wir das Tauchrohr aus dem Schraubstock und reinigen alles gründlich mit Bremsenreiniger.
Zusammenbau in umgekehrter Reihenfolge
Eine Besonderheit bei der VTR-Gabel ist der Einstellmechanismus für die Dämpfung. Auch er muss komplett zerlegt und gründlich gereinigt werden, wobei erneut erstaunlich viel Öl zutage tritt. Nachdem wir auch die restlichen Teile gesäubert haben, schreiten wir zum Zusammenbau, der in umgekehrter Reihenfolge stattfindet. Sowohl die Gleitbuchse als auch der Simmerring müssen jetzt mit Kraft eingetrieben werden. Weder sie noch das empfindliche Standrohr dürfen dabei beschädigt werden. Deshalb arbeite ich beim Einbau immer mit einem Trick, bei dem ich mir zunutze mache, dass die Stützscheibe sowohl auf der Gleitbuchse als auch auf dem Simmerring perfekt aufliegt.
Trick für den Einbau:
Mit einer identischen alten Stützscheibe aus meinem Ersatzteil-Fundus (man kann sie auch als Originalersatzteil für knapp zehn Euro bestellen), einem passenden Plastikrohr sowie einem Hammer ist der Zusammenbau ein Kinderspiel. Man hört beim Eintreiben am Klang, ob die Buchse beziehungsweise der Ring am Anschlag angekommen ist. Wichtig ist dabei vor allem, den Ring gut mit Silikonpaste zu versehen, damit die empfindlichen Dichtlippen nicht beschädigt werden. Alternativ kann man natürlich auch Spezialwerkzeuge wie z. B. einen Dichtring-Eintreiber verwenden.
Zweiter Gabelholm: Arbeiten in Eigenregie
Während ich beim ersten Gabelholm fast alle Arbeitsschritte erkläre und begleite, übernimmt Daniel beim zweiten Holm fast die gesamte Arbeit allein. Nach dem Einbau des Dämpferrohrs und der Halteschraube mit neuer Dichtung wird neues Gabelöl eingefüllt, das System durch fleißiges Pumpen gründlich entlüftet und der Füllstand genau kontrolliert.
Um überschüssiges Öl abzusaugen, eignet sich besonders gut eine Spritzflasche, an deren Knickstelle wir einen kleinen Schlauch aufschieben, der genau sieben Zentimeter (das angegebene Maß für das Luftpolster) in die Gabel ragt. Jetzt werden alle Teile in der korrekten Reihenfolge in den Holm gesteckt, der Mechanismus für die Zugstufeneinstellung wird von oben eingeführt und der Verschlussstopfen eingeschraubt. Dann müssen die Holme wieder eingebaut und das Vorderrad montiert werden.
Vor dem endgültigen Festziehen aller Schrauben sowie der Steckachse (Drehmomentvorgaben beachten!) federn wir die Gabel mehrfach kräftig ein, um eventuelle Verspannungen zu lösen. Das klappt schnell und problemlos, sodass wir uns nun dem obligatorischen Abschlussbier widmen können.