Col de la Bonette: Eine der höchsten Alpenstraßen

Der Col de la Bonette in Südfrankreich
Eine der höchsten Alpenstraßen

Veröffentlicht am 12.04.2025

Ist er nun der höchste, oder doch nicht? Diese Frage umtreibt die Pässe-Sammler seit jeher. Die Passhöhe liegt bei 2.715 Metern, womit der Bonette nach Iseran, Stilfser Joch und Agnello "nur" der vierthöchste asphaltierte Alpenpass ist. Aber da gibt es noch diese Schleife, von der Passhöhe abzweigend, einmal rund um den Cime de la Bonette, und erreicht dort die Höhe von 2.802 Metern. Bingo, höher geht’s in den Alpen nur auf der Ötztaler Gletscherstraße bis 2.830 Meter, eine Sackgasse in Tirol, somit aber kein Pass. Oder, für die versierten Schotterfreaks unter uns, hoch zum italienischen Colle Sommeiller auf knapp 3.000 Metern.

Barcelonette: Charm einer historischen Stadt

Ausgangspunkt: Barcelonnette. Einer dieser Orte, die man schon vergessen hat, sobald sie im Rückspiegel verschwinden. Was ein Fehler ist, denn der Charme dieser historischen Stadt zeigt sich erst beim Spaziergang durch die Gassen der Fußgängerzone zwischen alten Stadthäusern mit südfranzösischem Charme. Gemütlich, lebendig und sehenswert. Zudem ist dieser Standort strategisch perfekt, um die Pässe Cayolle, Allos, Izoard und den Bonette zu erkunden.

Route de la Bonette – höchste Straße Europas

Los geht’s. Zehn Kilometer bis Jausiers – übrigens auch ein hübscher kleiner Ort mit bunten Häusern –, hier zweigt die Bonette-Straße von der D 900 ab. Und wird gleich mit dem viel fotografierten Schild "Route de la Bonette – höchste Straße Europas" angepriesen. Kaum ist das Ubaye-Tal verlassen, legt sich die gute zweispurige Straße mit dem Berg an. Ganz im alpinen Stil, mit Kurven und zunächst noch schönen weiten Kehren. Das wird sich weiter oben ändern. Bald verschwindet der Mittelstreifen, aber die Straße bleibt leicht zu fahren. Noch lenkt die Landschaft nicht ab, man kann sich aufs Fahren und die Ideallinie konzentrieren.

Selbst so früh am Morgen sind schon reichlich Rennradler unterwegs. Sie nutzen die kühlen Stunden, bevor die Sonne auf die schattenlosen Hochflächen brät. Im Kilometerabstand zeigen – wie an den meisten Pässen in Frankreich – kleine Schilder die aktuelle Höhe, Steigung und Entfernung bis zur Passhöhe. Eine schöne Sitte, nicht nur für Radler. Der Asphalt bleibt griffig, weder Rollsplitt noch Bitumen stören den Flow. Viel Verkehr gibt es ohnehin nicht, der Bonette ist weniger eine Durchgangsstraße, dient eher dem touristischen Verkehr. Gut so, dann nerven wenigstens keine Lkw, allenfalls trödelige Womos.

Relikte aus finsteren Weltkriegszeiten

Die Steigung bleibt gemächlich, zieht nach einigen Kilometern etwas an. Für die Radler bedeutet das, ein oder zwei Gänge runterzuschalten, ein normales Tourenmotorrad bleibt im Dritten oder Vierten, allenfalls in den engeren Kurven greift das zweite Gangradpaar kurz ins Geschehen ein. Bald weitet sich das Hochtal und damit die Aussicht; Bäume gibt es hier jenseits der 2.000-Meter-Marke nicht mehr. Links liegt der kleine Lac des Eissaupres auf 2.370 Metern Höhe, ein beliebter Pausenplatz mit toller Aussicht.

Am steileren Hang und auf den nächsten 250 Höhenmetern verläuft die Straße mit feinen Kurven und einigen Serpentinen, die aber nie etwa die Enge der Stilfser-Joch-Kehren erreichen. Also keine Panik, hier geht’s flüssig berghoch. Bis zur großen Ruine des 120 Jahre alten Restefond-Militärforts. Wie furchtbar muss es für die Weltkriegssoldaten gewesen sein, hier oben in Kälte und Abgeschiedenheit ihren Dienst zu schieben! Und hoffentlich zu überleben. Bis sie sich im Juni 1940 den Italienern ergeben mussten … Auf den nächsten Kilometern sind noch weitere in den Berghang betonierte Bunker zu sehen, allesamt Relikte einer finsteren Zeit.

Panoramablick auf 2.862 Metern

Genug der Historie. Der Bonette ist in Sicht. Plötzlich gibt es fast keine Vegetation mehr, nur noch ödes, dunkles Geröll. Fast wie in der Atacama-Wüste. Parallel zum Bergkamm klettert man jetzt auf der Straße sanft bergan, erreicht einen Durchstich auf die Ostseite des schwarzen Schotterkamms. Das ist der Col de la Bonette, 2.715 Meter hoch. Aber kaum jemand biegt hier um die 180-Grad-Kurve, um sich dann der Südabfahrt hinzugeben.

Schließlich lockt geradeaus die Zwei-Kilometer-Schleife um den schwarzen Hügel Cime de la Bonette. 1961 war die Passstraße mitsamt dieser Aussichtsrunde fertig, gipfelt nun auf 2802 Metern. Was aber nicht der Gipfel ist. Der ist 2.862 Meter hoch, ein schmaler Pfad führt dort hinauf. Pah, kein Problem, sind doch nur 60 Höhenmeter. Die Luft hier oben ist schon spürbar dünner, aber es lohnt sich. Bei klarem Wetter ist der 360-Grad-Blick der Hammer, eine Info-Panoramascheibe zeigt, das Mittelmeer ist nur noch 100 Kilometer entfernt, man meint es fast riechen zu können.

Rückfahrt durch das Geisterdorf Le Pra

Die Südrampe zielt zunächst nach Nordosten, verliert am Berghang gemächlich an Höhe, durchquert die Ruinen der Militärbaracken von Fourches, bevor es in feinen Kurven und Kehren am sonnigen Wiesenhang südwärts ins Tal des Tinée runtergeht. Fahrerisch einer der schönsten Abschnitte. Viel zu schnell beruhigt sich das Kurvenensemble, folgt dann dem Flusstal bis zum Geisterdorf Le Pra. Ein paar Häuser sind bewohnt, aber die meisten verfallen seit Jahrzehnten. Sechs Kilometer weiter zweigt rechts eine schmale Straße nach St. Dalmas ab. Zunächst geteert, dann aber geschottert, rumpelt man die schmale Piste entlang zum Col de la Moutière auf 2.454 Metern und trifft oberhalb des Restefond-Forts auf die Bonette-Straße. Eine sehr reizvolle Alternative für Enduros und die Rückfahrt nach Barcelonnette.

Die Hauptstraße folgt indes dem Tinée-Tal bis St. Étienne und von dort breit und schnell bis Isola. Warm ist es hier, kein Wunder: nur noch 870 Meter Höhe. Es lohnt sich, durch den alten Ortskern zu laufen. Tolle alte Häuser, alles wirkt sehr mediterran. Und ein nettes Eiscafé gibt es auch. Perfekt, um vor der Rückfahrt über den Bonette noch ein paar Kalorien zu speichern.