Die Ducati Hypermotard wurde einer Generalsanierung unterzogen. Mit wassergekühltem 821-cm³-Motor, vollkommen überarbeitetem Fahrwerk und serienmäßigem ABS soll das Supermoto-Bike die Nase vorn und die Front oben behalten.
Die Ducati Hypermotard wurde einer Generalsanierung unterzogen. Mit wassergekühltem 821-cm³-Motor, vollkommen überarbeitetem Fahrwerk und serienmäßigem ABS soll das Supermoto-Bike die Nase vorn und die Front oben behalten.
Das Foto ging um die Welt: Rubén Xaus biegt mit der Ducati Hypermotard 1100 im gewagten Drift in eine Linkskurve ein. Das Knie schleift am Boden, die linke Hand streckt der Superbike-Star dabei lässig nach oben. Spektakulärer hätte Ducati die Interpretation des Themas Supermoto nicht in Szene setzen können. Doch so frisch der Eindruck von diesem furiosen Einstand in den Köpfen noch sein mag, die schräge Nummer ist nun auch schon sechs Jahre her. Für die Bologneser offensichtlich lange genug, um den zeitgeistigen Flitzer aufzupolieren. Oder korrekter: von Grund auf neu zu konstruieren.
Denn mit der bisherigen Ducati Hypermotard hat die Neue kaum noch eine Schraube gemein. Der luftgekühlte Zweiventil-Motor? Ersetzt durch einen wassergekühlten 821-cm³-Testastretta-Vierventiler. Die obenliegenden Schalldämpfer? In einen trendigen, seitlich montierten Auspuff verwandelt. Das über Schubstangen aktivierte Federbein? Direkt an der Schwinge angelenkt. Das Gitterrohr-Rahmenheck? Durch ein zierliches Aluguss-Teil ersetzt. Und all dies noch garniert mit Ride-by-Wire-Elektronik (drei Fahrmodi, Traktionskontrolle), geänderter Fahrwerksgeometrie (50 Millimeter längerer Radstand, 1,5 Grad flacherer Lenkwinkel) und serienmäßigem ABS. Uff.
Erstaunlich, wie sehr sich die Ducati Hypermotard trotz dieser Neukonstruktion in ihrer Anmutung treu geblieben ist. Filigran, schlank, kein Teil zu viel. Eine Portion Sportlichkeit sollte auch der Hypermotard-Fan besitzen. Mit 885 Millimetern übertrifft das Funbike sämtliche aktuellen Reiseenduros in der Sitzhöhe. Eine 20 Millimeter niedrigere Sitzbank (240 Euro) bietet Ducati im Zubehörkatalog an. Die Erstbesteigung weckt sofort bekannte Gefühle. Weit rückt die Duc den Piloten in Richtung Lenker. Ein schlechtes Omen? Schließlich stellte gerade die frontlastige Fahrwerksauslegung mit dem daraus resultierenden kippeligen Lenkverhalten die fahrdynamische Achillesferse der bisherigen Hypermotard-Modelle dar. Warten wir’s ab.
Denn zunächst bollert der Motor der neuen Ducati Hypermotard so sonor aus dem untenliegenden Schalldämpfer, als wäre die elektronisch gesteuerte Auspuffklappe bereits bei Standgas auf Durchzug gestellt. Die leicht zu ziehende - und neuerdings über Seilzug statt Hydraulikleitung betätigte - Kupplung kommen lassen, und schon pocht es wieder bis in die Lenkerenden, das typische, sanft massierende Herz des 90-Grad-Vauzwo. Imposant, wie lässig sich der Desmo-Vierventiler aus dem etwas unaufgeräumten Drehzahlkeller unter 3000 Touren herausschüttelt und anschließend mit gut kalkulierbarem linearen Druck durchs Drehzahlband schiebt. Sofort werden Erinnerungen an den Antrieb der Multistrada wach. Und das nicht von ungefähr. Denn neben der geschickt getroffenen Wahl der Schwungmasse tut dem 821er-L-Twin offensichtlich die bereits im Motor der großen Reiseenduro bewährte Ventilüberschneidung von elf Grad gut. Besser noch: Den Hubraumnachteil zum 1198-cm³-Multistrada-Triebwerk münzt der Junior-Testastretta in eine feine Laufkultur und schmissige Drehfreude um. Unwillkürlich nutzt der Treiber der Ducati Hypermotard einen deutlich breiteren Drehzahlbereich als beim dicken Pendant und bemerkt erst dann, dass der neue Treibsatz mit gemessenen 107 PS im Vergleich zu den bisherigen Hypermotards eine dicke Schippe Kohlen nachlegt.
Gewaltige 32 PS Differenz sind es zur 796er und immer noch 12 PS zur 1100er-Evo. Wobei der umgängliche Charakter des 821er-Aggregats auch die Wahl der Fahr-Modi beeinflusst. Selbst die direkte Gasannahme im Sport-Modus macht Laune und überfordert niemanden, weniger Eiligen bleibt die Wahl des marginal sanfteren Bisses des Touring-Mappings. Gelungen sind beide Abstimmungen. Weniger Sinn macht jedoch das Urban-Set-up. Das träge Ansprechen beraubt das Duc-Triebwerk seiner Spontanität, die auf 87 PS reduzierte Spitzenleistung hat das ohnehin leicht zu beherrschende Triebwerk nicht nötig. In diesem so benutzerfreundlichen Umfeld tritt selbst die -individuell in acht Stufen justierbare Traktionskontrolle in den Hintergrund. Die unterschiedliche Intensität des Eingriffs in den verschiedenen Abstimmungen lässt sich zwar gut spüren, den gesunden Menschenverstand sollte die Schlupfregelung aber nie ersetzen.
So wie jetzt. Ui, schon wieder zu schnell? Kommt mit Supermoto-Maschinen öfter vor. Mit der Ducati erst recht. Ellbogen hoch, Oberkörper und Kopf nach vorn - die Hypermotard platziert auch nach der fahrwerksgeometrischen Überarbeitung ihren Reiter nach wie vor angriffslustig frontorientiert. Liegt’s daran? Denn Fakt ist: Neutralität ist nach wie vor nicht die Stärke der Ducati. Vor allem in engen Kehren kippt das Vorderrad zur Kurveninnenseite, muss mit Gegendruck am Lenker auf Kurs gebracht werden. Je holpriger der Belag, desto mehr. Ein sicheres Gefühl will sich erst einstellen, wenn die Ducati Hypermotard auf Zug gehalten und das Vorderrad entlastet wird. Früh bremsen und schon beim Kurveneingang ans Gas gehen, das ist das Rezept für den sauberen Strich auf der Italienerin.
Und ein Reifenwechsel. Versuchsweise montierte, gutmütige Conti Road Attack 2 (Serie: Pirelli Diablo Rosso II) verwandeln die Hypermotard geradezu. Besagte Tendenz zum Einklappen in Kurven ist wie weggeblasen, die Lenkpräzision gewinnt enorm. Ein ganz heißer Tipp - durch den die Ducati Hypermotard ihre zweite Stärke ausspielen kann: ihr Handling. Toll, wie mühelos sich das Spaßmobil in Wechselkurven von einer in die nächste Schräglage werfen lässt, mit schlanker Taille und schmalem Knieschluss ein Gefühl der Leichtigkeit vermittelt. Dass die optisch so luftig wirkende Ducati Hypermotard bei der Überarbeitung im Vergleich zu ihrer Vorgängerin sieben Kilo zugelegt hat, fällt dabei kaum auf. Eher schon, dass die Sitzkuhle für Fahrer über 1,80 Meter etwas knapp bemessen ist. Bereits fünf Zentimeter mehr Raum nach hinten würden die Sitzhaltung entspannen und - vielleicht - helfen, besagte Last von der Fahrzeugfront zu nehmen. Trotz allem: Von der Frontlastigkeit bisheriger Hypermotard-Modelle trennen die Neue Welten.
Auch die Federung der Ducati Hypermotard fordert das Fahrwerk. Zeigt sich die nicht einstellbare 43er-Vorderradgabel von Kayaba gut abgestimmt und reicht nur grobe Schläge an den Fahrer weiter, gibt das Sachs-Federbein den derben Sportsmann. Selbst bei vollständig aufgedrehter Zugstufe noch zu straff gedämpft, holpert das Heck unsensibel über die Landstraße, schmälert den Komfort und bringt in welligen Kurven zusätzlich Unruhe ins Fahrwerk.
Die Sonnenseite dieser Abstimmung: Pumpen am Heck, selbst unter voller Beschleunigung in Schräglage, kennt das Funbike nicht. Und schont das Nervenkostüm damit genauso wie das nun serienmäßige ABS. Zwei Stufen, die über das Setup-Menü individuell den Fahrmodi zugeordnet werden können, stehen zur Verfügung. Und wie schon bei der jüngst so erfolgreich überarbeiteten Multistrada leistet das System auch in der neuen Ducati Hypermotard ganze Arbeit. Mit feinen Regelvorgängen und geringer notwendiger Handkraft verzögert die Combo von Bosch (Modulator) und Brembo (Bremssättel, Armaturen) die Ducati schon in der moderaten Stufe 2 effizient und unaufgeregt. Die sportliche Stufe 1 dürfte im Ernstfall durch die kritische Stoppieneigung außerhalb von Rennstrecken wenig Sinn machen. Zumal sich mit ihr der Bremsweg nur marginal (um 40 Zentimeter) verkürzt.
Die Reservelampe leuchtet. 16 Liter (bisher 12,4 Liter) fasst nun der bis weit unter die Sitzbank gezogene Tank. Das reicht nicht nur für die Sonntagsrunde, sondern auch für den Tagestrip in den Alpen, selbst wenn sich die moderne Motorentechnik in Sachen Verbrauch bei der Ducati Hypermotard nicht positiv niederschlägt. Mit 5,1 Litern (Landstraße) und 5,7 Litern (Autobahn) konsumiert der 821er sogar bis zu einem halben Liter mehr als seine sparsamen Vorgängerinnen.
Seis drum. Denn nicht zuletzt durch den neuen, brillanten Motor füllt die Ducati Hypermotard ihre Rolle noch besser aus: die, eines emotionsstarken Supermoto-Bikes. Señor Xaus hats schon damals demonstriert.
Motor
Die Fahrleistungen der neuen Ducati Hypermotard gerieten in allen Bereichen deutlich besser als die ihrer luftgekühlten Vorgängerinnen. Vor allem die leicht beherrschbare Leistungsentfaltung und die für einen Zweizylinder sehr ordentliche Laufruhe machen den V2-Motor- nicht nur für den sportlichen Einsatz, sondern auch den Alltagsbetrieb gut geeignet. Die Antihopping-Kupplung verhindert das Hinterradstempeln beim schnellen Herunterschalten wirkungsvoll und gefällt zudem mit moderater Handkraft. Auch die Schaltung funktioniert geschmeidig.
Fahrwerk
(Supermoto-)Rennstrecken beeinflussten wohl die Fahrwerksabstimmung. Die Vorderradorientierung fällt zwar viel geringer aus als bei den bisherigen Ducati Hypermotard-Modellen, dennoch ist das nervöse Kurven- und Lenkverhalten der Preis für die ausgeprägte Handlichkeit. Dieser Ausrichtung zollt die Duc auch mit einem - zumindest auf Holperpisten - relativ labilen Geradeauslauf Tribut. Ein Kriterium, zu dem auch die straffe Federung ihren Teil beiträgt. Überraschend: Das Gewicht des Sozius bringt die kopflastige Balance der Duc ins Lot und beeinflusst das Fahrverhalten kaum negativ.
Alltag
Die recht nah an den Lenker gerückte Sitzposition charakterisiert nach wie vor die etwas gewöhnungsbedürftige Ergonomie der Ducati Hypermotard. Einen effektiven Windschutz erwartet niemand von einem Supermoto-Bike. Die konventionellen Rückspiegel sind zwar weniger originell als die klappbaren Pendants der Vorgängerinnen, bieten aber eine deutlich bessere Sicht nach hinten. Auch besser: der neue, hellere Scheinwerfer. Mit von 12,4 auf 16 Liter vergrößertem Tank nimmt auch die Reichweite auf einen praxistauglichen Wert von 314 km zu. Die Verarbeitung ist wertig.
Sicherheit
Die noblen Monoblock-Zangen von Brembo setzen sich mit effizienter Verzögerung und einfacher Dosierbarkeit prima in Szene. Das ABS ist sehr gut abgestimmt. Auf holprigen Strecken wird die Front allerdings unruhig. Ein Lenkungsdämpfer wäre an der Ducati Hypermotard sicher eine gute Investition. Die relativ langen Federwege sorgen für ausreichend Bodenfreiheit.
Kosten
Der Sprit-Verbrauch bewegt sich im noch akzeptablen Rahmen. Punkte bringen die langen Service-Intervalle von 15 000 Kilometern. Auch gut: Ventilspielkontrolle steht nur alle 30 000 Kilometer an.
Preis-Leistung
Ist eine Hypermotard mit 11 500 Euro teuer? Die exzellente Preis-Leistungs-Note beweist das Gegenteil. Die Ducati Hypermotard bietet was fürs Geld.
max. Punktzahl | Ducati Hypermotard | Gesamtwertung | 1000 | 663 |
Preis-Leistungs-Note | 1,0 | 1,8 |
Fazit
Die neue neue Ducati Hypermotard ist ihren Vorgängermodellen in jeder Beziehung überlegen. Der 821er-Motor vereint Charakter, Laufkultur und Universalität, die Optik wirkt noch gefälliger, das ABS regelt erstklassig und das Fahrverhalten fällt deutlich neutraler aus. Letzteres bleibt jedoch relativ. Ihr Lenkverhalten ist - zumindest mit den Serienreifen - noch immer nervös, die Federung könnte komfortabler abgestimmt sein.
Wie bei vielen Ducati-Modellen üblich, bieten die Italiener auch bei der Hypermotard eine aufgerüstete Variante, die Ducati Hypermotard SP, an. Für die Edel-Version ist allerdings mit 3400 Euro auch ein kräftiger finanzieller Nachschlag fällig. Sie unterscheidet sich von der Basisversion in folgenden Punkten:
Auspuffklappe
Wie die meisten aktuellen Motorräder nutzt auch die Hypermotard eine Auspuffklappe, um die Lärmgrenzwerte einzuhalten. Sie wird von einem elektrischen Stellmotor über einen Seilzug gesteuert.
Fußrasten
Wie bei der Multistrada sind die Gummiauflagen der Fußrasten nur eingesteckt. Für Offroad-Einsätze können die Inserts herausgedrückt werden, sodass das gezackte Profil den Stiefeln besseren Halt gibt - auch wenn die Offroad-Ambitionen der Hypermotard-Klientel wohl eher verhalten sind.
Gepäck
Da Gepäckhaken nicht zur Supermoto-Optik passen, bieten vier an die Sitzbank geschraubte Riemen die Chance, das Gepäck zu verzurren.
Reifenventil
Gekröpfte Ventile erleichtern die Kontrolle des Luftdrucks am Vorderrad. Wegen der Einarmschwinge reicht am Hinterrad der Hypermotard das außermittig angebrachte, gerade Ventil für den Luftdruck-Check.
Motor
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, je zwei obenliegende, zahnriemengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, desmodromisch betätigt, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 52 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine, Batterie 12 V, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung (Anti-Hopping), Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 45:15.
Bohrung x Hub 88,0 x 67,5 mm
Hubraum 821 cm³
Verdichtungsverhältnis 12,8:1
Nennleistung 81,0 kW (110 PS) bei 9250/min
Max. Drehmoment 89 Nm bei 7750/min
Fahrwerk
Gitterrohrrahmen aus Stahl, Motor mittragend, Upside-down-Gabel, Ø 43 mm, Einarmschwinge aus Aluminium, Federbein, direkt angelenkt, verstellbare Federbasis, Zugstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 245 mm, Zweikolben-Festsattel, ABS, Traktionskontrolle.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 5.50 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17
Bereifung im Test Pirelli Diablo Rosso II, vorne „D“
Maße + Gewicht
Radstand 1500 mm, Lenkkopfwinkel 64,5 Grad, Nachlauf 104 mm, Federweg v/h 170/150 mm, zulässiges Gesamtgewicht 406 kg, Tankinhalt 16,0 Liter.
Service-Daten
Service-Intervalle 15000 km
Öl- und Filterwechsel alle 15000 km/3,5 l
Motoröl SAE 15 W 50
Telegabelöl SAE 7,5
Zündkerzen NGK MAR9A-J
Reifenluftdruck solo (mit Sozius) vorn/hinten 2,5/2,5 (2,5/2,9) bar
Garantie zwei Jahre
Mobilitätsgarantie zwei Jahre
Farben Rot, Schwarz
Preis 11190 Euro
Preis Testmotorrad 11190 Euro
Nebenkosten zirka 305 Euro