Fahrbericht KTM Duke II
Straßen-Mäher

Auch wenn sie grün ist, mit der neuen Duke wagt sich Off Road-Hersteller KTM so weit raus aus der Wiese wie nie zuvor.

Hey Junge, das kann doch nicht gut gehen. Stell das Ding gerade. Gerade! Klaus pfeift auf die Tips und läßt die Duke in die Kurve rutschen - so wie er es immer tut. Ganz, ganz hart in die Vorderradbremse greifen, zwei Gänge runterschalten, und zack - driftet die Fuhre quer in die 180-Grad-Kehre. Gigantisch. Nur der Hinterradreifen wimmert jämmerlich um Erbarmen. Klaus Kinigadner kann´s. Seit Jahren zählt der Österreicher zur allerersten Garde der Super Moto-Piloten in Europa. In familiärer und nationaler Tradition natürlich auf KTM.
Und KTM war es auch, die in diesem jungen Sport vor wenigen Jahren eine Chance erkannten. Die Chance, das bislang nur im Gelände ausgestreckte Stützbein auf Asphalt zu stellen. Ein wenig Mut war damals - 1994 -schon gefragt. Denn nur mit einem 17-Zoll-Radsatz und einer größeren Bremsscheibe an der gewöhnlichen Off Road-LC4 sollten die Fans nicht abgespeist werden. Ein eigenständiges Design mit neuen Instrumenten, Lampenverkleidung und speziell gestylter Auspuffanlage separierte die allererste Duke bereits von der grobstolligen Geschwisterschar.
Und während sich Klaus auch fünf Jahre später bei den Super Moto-Einsätzen jede Runde immer noch auf ein wenig Schotterpiste freut, will die neue Duke, exakt die Duke II, nichts mehr mit Mutter Erde zu tun haben. Ganz bewußt und endgültig. Allein die Straßenreifen und filigranen Leichtmetallfelgen brechen die Brücke für den Weg zurück zur Zwitternatur ein für allemal ab. Überhaupt, die Optik. Die Lampenverkleidung mit den beiden übereinander angeordneten Ellipsoid-Scheinwerfern. Erinnert doch irgendwie ein bißchen an die Hayabusa, Suzukis brandneuem 300-Kilometer-Oberspeeder. Oder das Heck mit den beiden Schalldämpfern im Bürzel. Ducati 916? BMW R 1100 S? Vielleicht. Zeitgeist? Mag sein. Aber gelungen. Und nicht ganz billig. Fast 16 000 Mark degradieren eine 600er Ducati Monster für dreieinhalb Tausender weniger geradezu zum Sonderangebot.
Dafür macht die Erstbesteigung sofort deutlich: Ich bin keine Enduro mehr. Kletterpartien auf die fast einen Meter hoch thronenden Sitzbänke der Stollenrößer sind genauso passé wie der balancierende Spitzentanz an der roten Ampel. Möglich machen´s die auf 140 Millimeter vorn beziehungsweise 170 Millimeter hinten reduzierten Federwege. Mit 86 Zentimetern Sitzhöhe schafft sich die Duke auch unter den Menschen mit Normalstatur Freunde. Nicht nur die freuen sich ohnehin seit langem über den Elektrostarter. Choke am Lenker gezogen, Druck aufs Knöpfchen, und der 625-Kubik-Einzylinder ballert los. Da haben wir ihn ja doch wieder, den Puls des guten alten Off Road-Herzens. Nur ein wenig freier darf es schlagen als in stollenbereifter Umgebung. Denn weil die Hinterhand auf Asphalt eben nicht mehr so vehemente Ausschläge tätigen muß, konnte die Batterie aus dem Luftfilterkasten heraus nach hinten über das Hinterrad wandern. Mehr Raum in der Airbox zusammen mit der weniger restriktiven Doppelauspuffanlage sollen dem Single immerhin sechs PS mehr entlocken.
In der Tat drückt der Einzylinder spürbar kraftvoller nach vorn als seine staubigen Brüder. Doch vor dem kräftigen Anzug überrascht das bei niedrigen Drehzahlen bislang bekanntermaßen ruppige Aggregat zuerst einmal mit spürbar besseren Manieren. Wehrte sich der Mono seither unterhalb von 3500 Umdrehungen trotz Ausgleichswelle mit nervigem Geruckel und wildem Kettenpeitschen, zeigt er sich nun verblüffend gezähmt. KTM führt die Besänftigung auf den Mikuni-Gleichdruckvergaser anstatt des bisher verwendeten Rundschieber-Vergasers von Dellorto zurück. Oberhalb besagter Drehzahlmarke lebt der KTM-Treibsatz wie eh und je. Klar, auch da kribbelt´s noch in den Lenkerenden. Immer spürbar zwar, aber nie nervig. Nach einem gemäßigten Antritt wechselt er ab 5000 Umdrehungen vom Trab in den Spurt. Knapp über 8000 wird der Atem jedoch knapp. Auch dafür soll der Mikuni verantwortlich sein. Der Tausch geht dennoch voll in Ordnung.
Denn dort, wo die Duke glänzen soll, braucht´s statt Drehzahlorgien Durchzug und Handlichkeit. Dort, auf kurvige Landstraßen, dort will sie hin und dort gehört sie hin, die Duke. Allein die Bremse. Mit ordentlich Speed auf die Kehren zugedonnert. Spät bremsen, noch später, ganz spät. Kein Problem. Ein Finger am Hebel der Vierkolbenbremse von Brembo reicht, um den vollgetankt kaum 160 Kilogramm schweren Herzog locker einzubremsen. Und sei das Provinzkürvchen im Anschluß auch noch so holprig, die neu abgestimmte 43er Upside-down-Gabel von White Power holt das Optimum aus ihrem gestutzten Federweg. Prima Ansprechverhalten, kein Durchschlagen. So soll es sein. Was übrigens auch für das White Power-Federbein gilt.
Ärger macht nur der Vorderreifen. Zwar als guter Sport-Reifen bekannt, mag der Bridgestone BT 92 die neue Duke wohl überhaupt nicht. Sein unangenehm kippeliges Lenkverhalten in den Kurven stört genauso wie die teigige Unruhe, die er gerade auf Holperpisten ins Fahrwerk einleitet. Seine Vorgänger auf der Duke, die Pirelli MT 60, konnten´s deutlich besser. Für die Serienausstattung wollen sich die KTM-Ingenieure die Sache noch mal überlegen.
Dennoch, der flotte Eckenwetz mit der Duke macht an. Und zwar gewaltig. Reinbremsen, umlegen, aufrichten, reinbremsen, umlegen...immer und immer wieder. Mühelos, respektlos, zügellos. Klar, die reine Vernunft spricht nicht für die Österreicherin. Dafür ist sie zu teuer, zu ungezähmt, mag keine Mitfahrer. Aber ehrlich, war Motorradfahren denn schon jemals eine Sache der Vernunft?

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