Roland Sands ist ein Hund. Krempelt eine Ducati um zu einem Hot-Rod-Bike, macht einfach aus der Hyper- eine Ultramotard. Und keiner kann sie kaufen. Weil es nur eine gibt. Nur die eine, bei der ein 1100er-Desmo-Twin seine Kraft auf eine 240er-Kautschukpelle übertragen darf. Nur die eine Duc, die durch zwei Edelstahltütchen von Ex-Rennfahrer Kenny Roberts ehemaliger V5-Maschine ausatmen darf. Nur sie sieht so verdammt geil aus und fährt sich auch so.
Custom-Meister Sands schafft den Spagat zwischen lässigem Custom-Bike und aktiver Fahrmaschine. Das ist auch irgendwie zu erwarten von jemandem, der jahrelang erfolgreich bei 250er-Straßenrennen mitgemischt hat. Inzwischen ist der 33-Jährige Chef von Roland Sands Design, kurz RSD. Die Firma befindet sich im kalifornischen La Palma direkt neben dem väterlichen Betrieb Performance Machine, in dem vor allem coole Custom-Räder und Bremsen für Motorräder produziert werden. RSD sieht aus wie eine Strandhütte. Dass hier die abgefahrensten und sportlichsten Customs des Planeten erschaffen werden, mit denen Sands regelmäßig die Szene aufmischt, ist schwer vorstellbar.

Sands Ruhm setzte schlagartig mit der Geburt der KR V5 Tracker ein. Dem Charme und der maximalen Ungewöhnlichkeit, um den V5-Motor aus Kenny Roberts GP-Maschine einen Flattracker zu stricken, konnte sich niemand entziehen.Wie die V5 Tracker lässt sich auch die Ultramotard nicht in eine Schublade stecken. Ist ursprünglich Supermoto, nun hinten Cruiser und in der Mitte Trialbike. So stark die äußerliche Verwandlung, so dezent die innere. Klar hat Sands Hand angelegt an Fahrwerk, Bremsen und Reifen. Der Motor aber blieb unangetastet, nur eine STM-Trockenkupplung sowie Abdeckungen für die Rollen der nun offen laufenden Zahnriemen mussten sein. In Italienisch-Rot natürlich. Und der Auspuff! Die Töpfe haben schon MotoGP-Rennstrecken gesehen, brüstet sich Roland Sands. Geht auch gar nicht anders, denn die GP-Rohre sind hohler als hohl und würden auf öffentlichen Wegen jede Auto-Alarmanlage wachbrüllen. Geschenkt. Die Soundkulisse stellt einem jedes Körperhaar einzeln auf, unverwechselbar eine Ducati. Zornig ist sie, will von der Leine gelassen werden nach all dem Striegeln und Hübschmachen. Und zeigen, dass sie genauso gut fährt, wie sie aussieht.
Unwiderstehliches Einzelstück

Zum Glück hat Sands eine eigene Teststrecke: Perfekt arrangierte Asphaltschleifen winden sich durch vorstädtisches Ödland, von allen Seiten begrenzen Gebäude der ConEd-Elektrizitätswerke das Gelände. Gerade mal drei Meilen stehen auf dem Tacho. Davon hat die US-Italienerin sicher zwei beim Auslieferungscheck durch Ducati gesammelt, die letzte Meile auf dem Parkplatz von Roland Sands Design. Beim Aufsitzen wirkt die Ultramotard kleiner, als sie in Wirklichkeit ist. Der Grund dafür ist die relativ aufrechte und weit nach vorn orientierte Sitzposition. Fast möchte man das Kinn mit dem sexy Scheinwerfer bekanntmachen, wenn man sich hinter dem original gebliebenen Ducati-Dashboard in Stellung bringt. Die zurechtgestutzte 43er-Upside-down-Gabel einer Suzuki GSX-R 1000 ersetzt die mächtigen 50-Milimeter-Marzocchi-Rohre der Standard-Hypermotard, lässt die Front noch schmaler wirken und macht die Ultramotard samt abgepolsterter Sitzbank noch tiefer. Damit Sands nicht nur mit den Zehenspitzen, sondern mit beiden Füßen fest auf dem Boden steht. Zum Stehen bringt die Ultra-Duc hinten die originale Bremsanlage. Um den 120er-Vorderreifen auf der 19-Zoll-Felge einzufangen, muss eine einzelne 330-Milimeter-Stahlscheibe mit radial angeschraubter Vierkolbenzange von Performance Machine reichen.
Die Zierlichkeit, die Duc verströmt, setzt sie eins zu eins in Handling um trotz des ultrafetten Hinterreifens, dem man, wäre er an anderen Motorrädern montiert, eine E-Mail schreiben müsste, um einen baldigen Richtungswechsel anzukündigen. Logisch verlangt der breite Renthal-Lenker einen guten Ruck, um die Kiste in Schräglage zu bringen, doch das nervt nie. Zumal das Motorrad im Gegensatz zu anderen Custom-Bikes immun dagegen scheint, wegen des dicken Hinterradgummis in Kurven zu kippeln. Die höheren RSD-Fußrasten ermöglichen sportlicheres Sitzen, flink und wuselig lässt sich die Custom-Duc um den Parcours treiben. Dank der offenen GP-Tüten drückt sie mit Sicherheit mehr als die 90 PS der originalen Hypermotard; der Hinterreifen hat keinerlei Mühe damit, diese auch auf die Straße zu bringen.
Showgirl

Und die freut sich, dass eine Schönheit wie die Ultramotard auf ihr fährt. Roland Sands hat seine Schminkkästchen weit geöffnet, um mit gezielter Make-up-Dosierung einen Zwitter zwischen Diva und Zicke zu kreieren. RSD-Deckelchen für Brems- und Kupplungsflüssigkeitsbehälter, neu gestalteter Tank samt knallroten Abdeckungen und eine schwarz lackierte Öhlins-Feder am Heck des Understatements wegen. Genau wie das aparte Bronze des Rahmens. Im Kontrast dazu stehen das Kunstwerk von Gitterrohrschwinge und die Siebenspeichen-Felgen aus der RSD-Kollektion. Sogar eine Applikation aus der Handtaschenindustrie, die aus der Entfernung eher wie fettige Fingerabdrücke aussieht, hat es auf Sands Wurf geschafft: In einer Art Louis-Vuitton-Braun finden sich auf Lampengehäuse, Tankflanken und hinter dem Fahrersitz kleinste Bildchen der desmodromischen Ventilsteuerung.
Was man kaum glauben kann: Ducati North America höchstselbst erwählte Roland Sands als den einzig Fähigen, eine solche Maschine zu bauen. Für Ducati könnte das die Möglichkeit bedeuten, in der amerikanischen Custom-Cruiser-Szene Fuß zu fassen. Sands würde sich freuen: "Ich wollte nicht zu radikal vorgehen, denn die Leute von Ducati sollten das Teil sehen und sagen: Ja! Sowas könnten wir eines Tages tatsächlich bauen." Der Ansturm auf den Ducati-Stand bei der Long Beach International Motorcycle Show spricht für eine Massenproduktion. Wie ein Rudel Wölfe um ein frisch gerissenes Lamm scharten sich Schaulustige um die Ultramotard. Und wie auf Droge zückten nicht wenige ihre Scheckbücher, um dort Zahlen mit mehreren Nullen einzutragen. Doch das schmackhafte Stück Motorrad ist und bleibt bislang ein Einzelstück. Roland Sands ist eben ein Hund, wenn auch ein cooler.
Technische Daten: Ducati Ultramotard
Motor
luft-/ölgekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, Anti-Hopping-Trockenkupplung von STM, Sechsganggetriebe, Kettenantrieb. Hubraum 1078 Kubikzentimeter, Nennleistung 66kW (90 PS) bei 7750/min, max. Drehmoment 103 Nm bei 4750/min.
Fahrwerk
Gitterrohrrahmen aus Stahl, Upside-down-Gabel, Durchmesser 43 Millimeter, voll einstellbar, Gitterrohr-Einarmschwinge, Öhlins-Zentralfederbein mit Hebelsystem, voll einstellbar, Einscheibenbremse vorne, Durchmesser 330 Millimeter, Vierkolben-Festsattel von Performance-Machine, radial verschraubt, Scheibenbremse hinten, Durchmesser 245 Millimeter, CNC-gefräste Aluminium-Räder von RSD, 3,0 x 19,8.5 x 18; Reifen 120/70 ZR 19, 240/40 R 19.
Maße + Gewichte
Radstand 1480 Millimeter, Lenkkopfwinkel 66,0 Grad, Trockengewicht 179 Kilogramm.
Preis: Keine Angabe