Husqvarna 701 Supermoto im Top-Test

Husqvarna 701 Supermoto im Top-Test Außer Konkurrenz

Motorräder von Husqvarna galten außerhalb von Enduro- und Motocross-Pisten lange als Exoten. Mit der Husqvarna 701 Supermoto geht es nun aufwärts. Sie erobert trotz des radikalen Konzepts die Straßen im Nu, begeistert vor allem die junge Generation. Zu Recht? Im Top-Test haben wir sie intensiv getestet.

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Der Blick auf die Zulassungsstatistik irritiert. Ein Telefonat mit einem Husqvarna-Händler räumt aber schließlich die letzten Zweifel aus, transformiert den fragenden Blick in anerkennendes Nicken: Die Husqvarna 701 Supermoto ist ein voller Erfolg, ja, sie lässt die gesamte Marke in die Top Ten der zehn bestverkaufenden Hersteller aufsteigen. Dabei galten Husqvarnas jenseits von Nuda, Terra und Strada immer als Exoten. Woher rührt diese überraschende Nachfrage? Die Sache hat tatsächlich einen einfachen Grund.

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Polizist spricht von neuer Subkultur

Kurzer Rückblick: Im Jahr 2012 übernimmt KTM die Marke Husqvarna von BMW. Die 701 Supermoto ist bei ihrem Debüt im Jahr 2015 bis auf wenige Details nichts anderes als eine in den Husqvarna-Werksfarben angepinselte KTM 690 SMC R. Was per se kein Nachteil sein muss, wie sich durch die steigenden Absatzzahlen zeigt. Mit Umsetzung der Euro 4-Norm kommt dann die überraschende Nachricht aus Österreich: Die Husqvarna 701 Supermoto erhält beim Modell-Update für 2017 den modernisierten Einzylinder aus der Duke mit zweiter Ausgleichswelle, kürzerem Hub, Unicam-Ventilsteuerung und nun 75 PS, die 690 SMC R behält hingegen das Euro 3-Aggregat. Sie verschwindet in diesem Jahr damit nach und nach zwangsläufig aus der Zulassungsstatistik, und schlimmer noch: Eines der bestverkauften KTM-Modelle steht nicht mehr in den Hallen der Händler. Husqvarna profitiert davon. Die 701 ist nun die einzige Supermoto dieser Leistungsklasse. Konkurrenz? Keine!

Wo ein mächtiger Einzylinder mit 693 Kubikzentimeter Hubraum und einem Kolben mit 105er-Durchmesser auf vollgetankt gerade einmal 160 Kilogramm trifft, ahnt man bereits die Dynamik, die dieses radikale Konzept so einmalig, so begehrenswert, so unvernünftig macht. So etwas kommt in Zeiten großer Popularität von verhipsterten Retro-Öfen durchaus an. Vor allem bei den Anfang-Zwanzigern. Im Gespräch mit MOTORRAD berichtet ein Polizist gar von einer neuen rebellischen Zweiradszene, einer Subkultur, die sich unter anderem durch akrobatische Einlagen auf Supermoto-Motorrädern manifestiert. Immer wieder dabei anzutreffen: die Husqvarna 701 Supermoto. Ihre Sportlichkeit, ihre Agilität stehen allerdings nur auf der einen Seite der Medaille, welche sie im Top-Test-Parcours erst noch unter Beweis stellen muss. Die andere Seite weckt aber ebenfalls Neugier: Wie schlägt sich eine 701 in Alltagskategorien? Wie viel Motorrad steckt in einer Supermoto?

Nur 3,8 Liter/100 km bei Landstraßentempo

Die schmale und leicht angeraute Sitzbank bittet in üppigen 900 Millimeter ­Höhe zum Platznehmen. Ungeübte Kurzbeinige können da beim Anhalten schon mal ins Straucheln geraten. Ergonomisch bietet die Husqvarna 701 Supermoto hingegen eine richtig ­gute Stube. Nichts zwickt oder zwackt, der Kniewinkel passt, die Lenkerbreite ebenfalls. Schön, dass sowohl der Kupplungs- als auch der Bremshebel in der Griffweite einstellbar sind. Durch ein Umdrehen der Klemmblöcke kann sogar der Lenker in zwei horizontalen Positionen justiert werden. Sicher, darüber hinaus darf man komfortseitig keinen herrschaftlichen First-Class-Recaro-Sessel erwarten. Das Sitzpolster fällt erwartungsgemäß straff aus, der Fahrer nimmt spätestens nach zwei Stunden erste Lockerungsübungen für das Gesäß vor.

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Der Tank befindet sich im Rahmenheck, getankt wird hinten.

In Sachen Wind- und Wetterschutz übt die Husqvarna 701 Supermoto Zurückhaltung. Dabei wäre ein wenig von beidem gar nicht so abwegig: Bei Bedarf rennt die 701 schließlich mit bis zu 196 km/h über die Autobahn. Da wird es in der Kommandozentrale schon mal zugig. Schnurstracks geradeaus läuft sie bei diesem Tempo allerdings nicht mehr, leichtes Rühren um den Lenkkopf mahnt den Fahrer zum Zudrehen des Ride-by-Wire-Gasgriffs. Doch das überrascht deutlich weniger als der Verbrauch bei Richtgeschwindigkeit. Der hochmoderne Einspritzer mit Doppelzündung bleibt äußerst genügsam, verfeuert bei konstanten 130 km/h lediglich 4,5 Liter. Bei Landstraßentempo sind es sogar nur 3,8 Liter.  Zusammen mit dem 13-Liter-Kunststofftank im Rahmenheck ergibt das eine Reichweite von üppigen 342 Kilometern.

Schade, dass das rustikale LCD-Cockpit keinerlei Infos über Tankinhalt, Restreichweite oder Temperatur bereithält. In Sachen Ausstattung und Assistenzsysteme beschränkt sich die Husqvarna 701 Supermoto auf ein abschaltbares ABS und eine Anti-Hopping-Kupplung, die beim Zurückschalten ein ­Blockieren des Hinterrads wirkungsvoll verhindert. Zum Preis von 9.695 Euro erhält man dafür serienmäßig Sozius-Fußrasten und Haltegriffe als Anbaukit dazu. Das dient im Zweifel nicht nur einem potenziellen Mitfahrer, sondern auch dem ordentlichen Verzurren einer Gepäckrolle. Gepäckhaken finden sich ansonsten nämlich keine.

Die Husky geht ab wie Schmitz’ Katze

Mit einer Supermoto zu verreisen sei abwegig? Vielleicht. Doch so potent und dezent bassig der Einzylinder im Stand auf- und abstampfen mag und Erinnerungen an frühere große Einzylinder wachrüttelt: Dieser Eintopf transformiert Vortrieb und Fahrbarkeit dieses Motorenkonzepts in eine andere Dimension. Längere Strecken können durchaus schmerzfrei absolviert werden: Superleichtgängig lässt sich die Kupplung bedienen, der Gangwechsel gelingt mit geringstem Kraftaufwand – quasi von alleine (und daher manchmal auch unbeabsichtigt). Sanft nimmt der Motor Gas an, läuft ab etwa 3.000 Umdrehungen rund. Von hier aus schiebt der Single die Husqvarna 701 Supermoto bärig an. Die zweite Ausgleichswelle verrichtet dabei exzellente Arbeit, minimiert Vibrationen wie der in Gummi gelagerte Lenker erfolgreich. Fluffig und beschwingt dreht der Motor hoch und höher, kann ­seine Drehfreude zu keinem Zeitpunkt verleugnen.

Das nutzbare Drehzahlband begeistert. Bis zum sacht eingreifenden Begrenzer bei 8.800 Umdrehungen haben die maximal 75 PS und 74 Newtonmeter leichtes Spiel, katapultieren die Husqvarna 701 Supermoto auf der Landstraße selbst oberhalb von 100 km/h im Nu nicht nur an Sonntagsfahrern vorbei. Dabei sollte man sich gut an den Flanken der Sitzbank andrücken, den Lenker nicht zu locker umgreifen. Denn die Husky geht ab wie Schmitz’ Katze. Wie selbstverständlich und gelöst der Kolben durch den Zylinder saust, behutsam lastwechselt und trotzdem jede Regung des Fahrers prompt umsetzt, taugt dennoch selbst für Fahranfänger. Feine Manieren und vehemente Power sprechen für eine erstklassige Abstimmung – was die Frage nach verschiedenen Motor-Mappings gar nicht erst auf den Plan ruft. Gut so, schließlich gibt es im Gegensatz zur 690 Duke auch keine.

Selbstverständlich sollte man auch diesen Einzylinder nicht im Drehzahlkeller bewegen, der sechste Gang macht beispielsweise erst ab etwa 80, besser noch 90 km/h Sinn. In Ortschaften fühlt sich die Husqvarna 701 Supermoto sogar im Dritten am wohlsten. Das erfordert etwas Umgewöhnung, doch da der Sound dabei nie prollig oder störend und ebenso wenig blutleer wirkt, kann man sich damit bestens arrangieren. Umso mehr freut es, dass der charakterstarke Vortrieb durch die bissigen Brembo-Festsättel fein dosierbar eingebremst werden kann. Auch die Bremswirkung gibt keinen Anlass zur Kritik, das ABS regelt zackig, hält das Hinterrad stets sicher am Boden. Wie wirkungsvoll das geschieht, erfährt man, wenn man das ABS einmal abschaltet: Kaum packen die Beläge in die 320er-Scheibe, verliert der 160er-Hinterradpneu Bodenkontakt – Stoppies gelingen spielerisch.

Husqvarna 701 Supermoto gutmütig im Grenzbereich

Im Trockenen zeigen die auf 17-Zoll-Drahtspeichenräder aufgezogenen Conti Attack SM ihre ganze Kompetenz. Zwar dürfte die Rückmeldung transparenter ausfallen und ihre Tendenz zum Aufstellen ­geringer. Doch hat man die Reifen auf Temperatur gebracht, verbinden sie sich wie Sekundenkleber mit dem Asphalt. So bremst es sich herrlich bis in tiefe Schräglagen hinein, motiviert klappt man die hyperagile Husqvarna 701 Supermoto von der Links- in die darauffolgende Rechtskurve, hämmert lässig und mit Schmackes aus dem Knick heraus, sodass das Vorderrad unweigerlich eine Freilufteinlage erhält. Ohne Frage: Der Joker der 701 ist ihre brillante Handlichkeit, ihr geringes Gewicht, der mögliche hemdsärmelige Umgang mit ihr am Limit. Ruckzuck hat man die Richtung gewechselt, die Linie im letzten Moment korrigiert. Enge Radien? Kein Problem! Noch enger ins Eck? Nichts ist unmöglich! Doch gilt dies nur, solange die Straße trocken – die Reifen haften im Regen nicht besonders – und die Strecke einigermaßen eben bleibt. Denn so straff und individuell einstellbar die WP-Gabel (Zug- und Druckstufe) auch ist: Beim Überfahren kurzer Verwerfungen neigt sie zum Stuckern, verhagelt gerne die angepeilte Linie.

Im Top-Test-Parcours spielt die Husqvarna 701 Supermoto ansonsten all ihre Stärken kolossal aus, überzeugt durch präzises und neutrales Lenkverhalten, satte Dämpfung und mit ihrer Gutmütigkeit im Grenzbereich. Der Lohn: Bestzeit im langsamen Slalom! Nur in lang gezogenen Kurven mangelt es ihr etwas an Stabilität. Dann verlangt sie nach einer ruhigen Hand am Lenker, was auf der Landstraße mit aufeinanderfolgenden Bodenwellen erst recht gilt. Das über eine Umlenkung angesteuerte Federbein hat eine komfortable Grundauslegung, lässt sich aber effektiv in Federbasis, der Druckstufe (Low- und Highspeed) sowie der Zugstufe einstellen.

Doch jenseits von Lob und Tadel bleibt am Ende des Testens und Fahrens mit der Husqvarna 701 Supermoto nur eines im Kopf: Das Gefühl, dieses Motorrad unbedingt besitzen zu müssen. Sie fährt derzeit außer Konkurrenz.

Fazit

Diese Supermoto ist ein Sportler. Der perfekt abgestimmte Motor und ihr hyperagiles Handling sind ihre größten Trümpfe. Die Husqvarna 701 Supermoto fordert zum Auskundschaften des Limits heraus. Wheelie, Stoppie, Driften gehen ihr leicht von der Hand. Dass sie auch feine Manieren zeigt, wenig vibriert und verbraucht sowie eine tolle Ergonomie bietet, macht sie zum Geheimtipp für all jene, denen ein Supersportler zu scharf, eine kräftiges Naked Bike zu gewöhnlich ist.

Technik-Hintergrund Euro 4-Zulassung

Der 693-Kubik-Einzylinder-Motor erfüllt seit 2017 die Euro 4-Norm, hat außerdem an Kraft und Laufkultur zugelegt. Mitverantwortlich: eine zweite Ausgleichswelle.

Husqvarna
Der neue Zylinderkopf spart viel Platz ein, den man für eine zweite Ausgleichswelle sinnvoll genutzt hat.

Seit Modelljahr 2017 hat die Husqvarna 701 Supermoto den Motor aus der aktuellen KTM Duke und erfüllt damit die Euro 4-Norm. Die Ventilsteuerung erfolgt nach dem von vielen Honda-Motorrädern bereits bekannten Unicam-Prinzip. Bei diesem betätigt die Nockenwelle über Schlepphebel die 42-Millimeter-Einlassventile direkt, die 34-Millimeter-Auslassventile über einen Kipphebel. Das spart Platz. Der dadurch frei gewordene Raum ermöglicht den Einbau einer zweiten Ausgleichswelle, die die Laufkultur spürbar erhöht. Die Drehfreude und Fahrbarkeit des mit 80 Millimeter Hub und 105 Millimeter Bohrung versehenen Einzylinders mit Doppelzündung ist schlicht einmalig.

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