Das »Land der Motoren«, so nennen die Italiener die Region Emilia
Romagna. Hier sitzen Ducati, Morini,
Malaguti, Minarelli, Maserati, Lamborghini,
Minardi und der berühmteste Rennstall
der Welt: Ferrari in Maranello bei Modena. Genau nach dieser Gegend heißt eine neue italienische Zweiradmarke: Terra Modena, zu Deutsch etwa »Modeneser Land«.
Gegründet hat sie der ehemalige Ferrari- und Pirelli-Manager Dario Calzavara. Und jetzt, nach nur einem Jahr Vorbereitungs- und Entwicklungszeit, stellte er das erste Modell vor, die bildschöne Supermoto SX2. Ihre Komponenten gehören zum Besten, was der Markt bietet: Zentralfederbein von Öhlins, Radialbremse von Brembo, Upside-down-Gabel von Marzocchi, Räder von Marchesini, Auspuff von
Arrows, Reifen vom Supermoto-Platzhirsch Dunlop. Obendrein ließ sich Terra Modena ein paar pfiffige Details einfallen. Beispielsweise eine Airbox, die zum Großteil unter dem vorderen Kotflügel sitzt, oder die Auspuffanlage, deren Endrohr sich nach oben durch die Heckverkleidung bohrt.
Krönung des Ganzen ist der 500-cm3-Einzylinder aus der Ferrari-Schmiede High Performance Engineering (HPE) mit Sitz wie sollte es anders sein in Modena. Die gehört Piero Ferrari, Sohn des legendären Enzo, und mischt nicht zum ersten Mal in der Zweiradbranche mit. Das renommierte Ingenieursbüro unterstützte Ducati beim MotoGP-Projekt Desmosedici. Für Terra Modena entwickelte Ferrari nun den
wassergekühlten Viertakt-Vierventiler mit Einspritzung, Sechsgang-Kassettengetriebe und Anti-Hopping-Kupplung. Optisch eher traditionell, kommt der Single mit 98er-Bohrung und 59,6 Millimeter Hub
für einen Supermoto-Antrieb ungewöhnlich kurzhubig daher. Ob das in der WM Vorteile bringt, wird sich zeigen.
Zustande kam die Kooperation mit HPE aus persönlichen Gründen: Dario
Calzavara und Piero Ferrari sind seit langem befreundet, gemeinsam kalkulierten sie das Projekt und beschlossen, es zu wagen. »Terra Modena hat insgesamt
2,8 Millionen Euro investiert«, erzählt Calzavara. Der Löwenanteil, nämlich 75 Prozent, steckt in der Entwicklung von Motor und Getriebe. Im Mai soll die vorgestellte Racing-Version in der Supermoto-WM starten. Und schon im Juli will Terra Modena ein homologiertes Abbild der SX2 auf die Straße schicken. Der Preis für beide Varianten beträgt satte 25000 Euro. Große
Namen und edle Teile haben eben ihren Preis. 35 Motorräder sind in diesem Jahr anvisiert, 2005 sollen es bereits 150 Stück sein. Damit nicht genug, will Terra Modena spätestens 2010 auf dem Aktienmarkt
Furore machen. Passenderweise fand die Vorstellung der SX2 gleich in einem Konferenzsaal der Mailänder Börse statt.
Damit diese Pläne tatsächlich Bestand
haben, sehen die sportlichen Ziele sehr ehrgeizig aus: Mit den bisherigen Honda-Piloten Alexandre Thiebault und Michele Lavetti erwartet Calzavara bereits in der ersten WM-Saison große Taten. »Wir wollen 2004 zu den Führenden gehören, auch wenn wir weder das Motorrad noch die Rennstrecken kennen. Und 2005 wollen wir den Titel.« Einen Hauptsponsor gibts ebenfalls schon: Kein Geringerer als der
Uhrenhersteller IWC aus Schaffhausen ließ sich für einen sechsstelligen Betrag auf dem Tank verewigen. »Wie unsere Uhren ist die SX2 kein Massenprodukt, sondern exklusiv. Auch wir sind technisch orientiert und sprechen vor allem Männer an. Das passt perfekt zusammen«, freut sich IWC-Manager Georges Kern.
Die Incognita des ganzen Projekts bleibt, wie sich die SX2 in der Praxis schlägt. Denn nur, wenn ihr in der Supermoto-WM Erfolg beschieden ist, wird aus Terra Modena ein weiterer der namhaften Hersteller aus dem »Land der Motoren«.
Interview mit Piero Ferrari
MOTORRAD sprach mit Piero Ferrari, Inhaber von HPE:
»Honda schlagen wir seit Jahren.
Wie passen eine Formel-1-Schmiede und eine Supermoto zusammen?
Im Motorradbereich verschwinden die Zweitakter allmählich. Ein Viertakter ist typisch für den Automobil-
bau und damit auch für die Formel 1. Und dass wir da in Modena Strukturen auf Weltklasse-Niveau haben, wird
niemand bezweifeln. Insofern klappt
bei uns natürlich auch eine Motorrad-Entwicklung.
Wie keine Unterschiede?
Doch klar, ein Motorradmotor muss ganz anders funktionieren als
ein Formel-1-Antrieb, gerade bei einer Supermoto. Da liegt der Schwerpunkt auf der Fahrbarkeit und auf dem
Drehmoment. Deshalb haben wir einen traditionellen Einzylinder mit zwei
oben liegenden Nockenwellen entwickelt. Aber wir haben dabei die
modernsten Rechnermöglichkeiten genutzt, die es gibt.
Wie viel PS hat der Motor?
Das verraten wir noch nicht. An Details nur so viel: Der Motor hat einen Ventilwinkel von 20 Grad und dreht
bis etwa 12000/min. Die Verdichtung liegt bei 13 zu eins. Es gibt Kick- und Elektrostarter, dazu ein Sechsgang-Kassettengetriebe, das sich bei Bedarf auf elektronische Steuerung umbauen lässt.
Soll der Single nur in einer Supermoto eingesetzt werden?
Selbstverständlich ist der Motor so konzipiert, dass er einen Mehrfach-Nutzen erlaubt. Aber erst mal setzen wir auf die Supermoto.
In der Supermoto-WM gibt es starke Konkurrenz. Macht Ihnen das keine Angst?
Aber nein. Nehmen Sie zum Beispiel Honda: Stimmt schon, die sind
im Verkaufen besser als Ferrari. Aber technisch sind wir überlegen in der Formel 1 schlagen wir sie seit Jahren.
Werden Sie weiter mit Terra Modena zusammenarbeiten?
Wenn sich das Motorrad auch
in der Praxis als überzeugend erweist, auf jeden Fall. Das muss man abwarten. Doch ich bin sehr zuversichtlich. Es gibt nicht viele Firmen, die in
so kurzer Zeit gerade mal einem Jahr ein so viel versprechendes Projekt
auf die Beine stellen wie Terra Modena.